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Preis versus Wert

14.09.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
“Preis” ist nicht dasselbe wie “Wert”. Hinter dieser Feststellung verbirgt sich keine sprachliche Spitzfindigkeit. Sie verdeutlicht vielmehr eine wichtige ökonomische Erkenntnis. Das soll im Folgenden gezeigt werden.


Preis

In einer Geldwirtschaft werden bekanntlich Güter gegen Geld getauscht. Güterpreise werden dabei in Geldeinheiten ausgedrückt. Beispiel: Ein Apfel kostet 0,5 Euro, eine Zeitung kostet 2 Euro. (Und das heißt, dass man eine Zeitung gegen vier Äpfel eintauschen kann.)

Die Geldpreise bilden sich (sieht man von staatlichen Eingriffen an dieser Stelle einmal ab) durch das Zusammenspiel zwischen dem Angebot von und der Nachfrage nach Gütern am Markt. Der markträumende Preis ergibt sich dort, wo Güterangebot und -nachfrage zum Ausgleich gelangen. Hier bekommen alle, die eine Zahlungsbereitschaft in Höhe des markträumenden Preises haben, die von ihnen gewünschte Gütermenge. Und auch alle die, die bereit wären, einen höheren Preis zu zahlen, kommen zum Zuge; und sie brauchen "nur" den tieferen Marktpreis zahlen.

Doch der Marktpreis (im obigen Beispiel 0,5 Euro für einen Apfel) zeigt nicht etwa den Wert des Apfels an. Weit gefehlt!


Wert

Um das zu verstehen, muss man sich zwei Dinge vor Augen führen. Erstens: Der Wert liegt stets im "Auge des Betrachters", er ist stets "subjektiv". Ob etwas einen Wert hat, obliegt allein dem handelnden Menschen, der einem Gut einen Nutzen zuweist. Und dieser Nutzen ergibt sich daraus, dass eine Sache (ein Gut) dazu verhilft, ein Bedürfnis abzustellen. Für den Durstigen hat Wasser einen hohen Wert. Hat er seinen Durst jedoch gestillt, so hat Wasser einen nunmehr geringeren Wert - im Vergleich zu anderen Gütern (wie zum Beispiel Kleidung, Behausung etc.).

Zweitens: Ein freiwilliges Tauschgeschäft im freien Markt ist sowohl für Anbieter als auch Nachfrager vorteilhaft. Beispiel: Der Obsthändler verkauft einen Apfel für einen Euro. Offensichtlich ist ihm der Euro mehr wert als der Apfel. Beim Käufer verhält es sich genau umgekehrt: Er gibt einen Euro im Tausch für einen Apfel, weil er den Apfel höher wertschätzt als einen Euro.

Mit anderen Worten: Tauschgeschäfte kommen in einem freien Markt zustande, weil (und nur weil!) die teilnehmenden Akteure den zu tauschenden Güter genau entgegengesetzte Werte zuweisen.

Der Marktpreis ist also nicht etwa der Wert, den die am Tausch Teilnehmenden dem Gut zuweisen. Für den Apfelverkäufer ist der Apfel vielmehr weniger wert als ein Euro. Und für den Apfelkäufer ist der Apfel mehr wert als ein Euro. Der Marktpreis zeigt "lediglich" die Tauschrelation an, also wie viel Äpfel gegen Geldeinheiten eingetauscht wurden.


Gesetz

Wie lässt sich der Wert erklären? Die fundamentale Gesetzmäßigkeit zur Erklärung des Wertes ist das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Vereinfacht gesprochen besagt es: Der Nutzen eines Gutes nimmt mit steigender Verfügbarkeit des Gutes ab. Was mit Grenznutzen gemeint ist, lässt sich wie folgt verdeutlichen: Jemand verfügt über zehn Äpfel. Nun muss er einen Apfel davon abgeben (er hat dann also nur noch neun Äpfel). Ihm entgeht somit der Nutzen, den die Verwendung des zehnten Apfels gestiftet hätte - und genau dieser entgangene Nutzen, den die Verwendung des zehnten Apfels gestiftet hätte, ist der Grenznutzen.

Warum nimmt der Grenznutzen ab? Die Antwort lautet wie folgt: Der Mensch handelt stets unter Knappheit. Die knappen Mittel (Güter), die er zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung hat, werden so eingesetzt, dass zunächst das dringlichste Bedürfnis befriedigt wird. Sind dann noch Mittel verfügbar, wird das zweitdringlichste Bedürfnis abgestellt und so weiter. Jede zusätzlich erhaltene Gütereinheit kann folglich nur noch dazu verwendet werden, ein weniger dringliches Bedürfnis als das zuvor gestillte Bedürfnis abzustellen. Und genau diese Erkenntnis verbirgt sich hinter dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens.


Geldwert

Vor dem Hintergrund des Gesagten lässt sich nun auch verstehen, warum das Ausweiten der Geldmenge in einer Volkswirtschaft den Wert des Geldes - also den Wert des allgemeinen Tauschmittels - schmälert und, als eine sichtbare Folge davon, die Güterpreise in die Höhe treibt.

Man nehme einmal an, die Zentralbank weitet die Geldmenge aus, und Herr A bekommt mehr Geld auf sein Girokonto überwiesen (zum Beispiel durch eine kräftige Lohnerhöhung seines Arbeitgebers). Der vermehrte Geldbestand bedeutet, dass für Herrn A der Grenznutzen der zusätzlich erhaltenen Geldeinheiten notwendigerweise abnimmt. Er wird (früher oder später)bereit sein, die nun für ihn weniger wertvollen zusätzlichen Geldeinheiten einzutauschen gegen andere Güter (Konsumgüter, Häuser, Aktie, etc.), die für ihn einen vergleichsweise höheren Nutzen haben.

Wenn die steigende Nachfrage von Herrn A nach Gütern nun auch auf eine unveränderte Gütermenge trifft, steigen die Preise. Mit anderen Worten: Das Ausweiten der Geldmenge bedeutet nichts anderes als eine nachfolgende schwindende Kaufkraft des Geldes, also das, was heute üblicherweise als Inflation bezeichnet wird.

Diese Erkenntnis, die sich aus dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens ableitet, gilt immer und überall, und zwar im Papiergeldwesen, aber auch in einem Sachgeldsystem. Nur ist im letzteren die Geldmengenausweitung in der Regel recht gering, während es im ersteren in der Regel - aufgrund politischer Motive - recht hoch ist. Sachgeld ist folglich weniger inflationär als das Papiergeld.


Zur Wertbestimmung von Gütern

Wie erklärt sich, dass häufig Güter, die doch ganz offensichtlich einen hohen Nutzen haben (wie zum Beispiel Eisen) meist weniger geschätzt werden als Güter, die einen niedrigeren Nutzen stiften (wie zum Beispiel Gold)? Die Antwort erschließt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass der handelnde Mensch bei seinen Wahlakten sich nicht zwischen allem Eisen und allem Gold auf dieser Welt zu entscheiden hat. Er hat vielmehr hier und heute zwischen einer begrenzten (Teil-)Menge Eisen und Gold zu wählen. Für den Wert, den jemand 100 Gramm Eisen und 100 Gramm Gold beimisst, ist allein der unmittelbare oder mittelbare Nutzen entscheidend, den ihm 100 Gramm Eisen oder 100 Gramm Gold in seiner gegenwärtigen Situation stiften.

In den meisten (und "normalen") Fällen wird der Handelnde 100 Gramm Gold einen höheren Wert beimessen als 100 Gramm Eisen, weil für ihn das Gold knapper sein wird (und zwar mit Blick auf die angestrebte Bedürf-nisbefriedigung) als das Eisen.

Das Werturteil über den Gesamtbestand zweier Güter kann übrigens anders ausfallen als das Werturteil über einzelne Einheiten dieses Gütergesamtbestandes. Beispiel: Ein Bauer hat sieben Kühe und sieben Pferde. Er schätzt ein Pferd höher als eine Kuh. Vor die Wahl gestellt, entweder eine Kuh oder ein Pferd abzugeben, wird er sich folglich lieber von einer Kuh als von einem Pferd trennen. Wenn er aber vor die Wahl gestellt wird, entweder auf alle Kühe oder auf alle Pferde zu verzichten, kann er sehr wohl den Verzicht auf die Pferde dem Verzicht auf die Kühe vorziehen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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