Das große Geldexperiment mit ungewissem Ausgang
22.09.2013 | Manfred Gburek
Wenn es ein Wort gibt, das sich seit dem vergangenen Mittwoch durch fast alle Kommentare zur Fortsetzung der extrem expansiven US-Geldpolitik zieht, dann ist es dieses: Überraschung. Banker waren überrascht, Börsenspieler erst recht, sogenannte Experten nicht minder (aber das ist nichts Neues) und die Medien sowieso. Das alles nur deshalb, weil der amerikanische Notenbankchef Ben Bernanke mit dem Spitznamen "Helikopter-Ben" (er hatte mal symbolisch den massenweisen Abwurf von Geld aus einem Hubschrauber propagiert) die vorausgegangenen Prognosen der Kaffeesatzleser Lügen gestraft hat. Auf den Punkt gebracht: Die Aushöhlung des Geldwerts, in diesem Fall des Dollars, geht unvermindert weiter.
Für einen Tag haben die Edelmetallpreise mit einem Sprung nach oben reagiert, bevor sie am Freitag wieder gefallen sind, die schon länger aufwärts gerichteten Aktienkurse ebenfalls. Viel interessanter ist indes, wohin sie, die Preise von Immobilien und anderen Sachwerten eingeschlossen, auf Sicht von zwei, drei oder fünf Jahren tendieren werden. Denn in diesen Zeitspannen wird, ja muss etwas geschehen, damit das Finanzsystem nicht zusammenbricht. Um nur ein Indiz dafür zu nennen: Die US-Notenbank Fed besitzt bereits heute über 30 Prozent der amerikanischen Staatsanleihen mit Laufzeiten von mehr als fünf Jahren. Fährt sie mit deren Käufen wie bisher fort, lässt sie sich auf ein Experiment mit ungewissem Ausgang ein.
Doch das ist noch nicht alles, weil die Fed neben Staats- auch Hypothekenanleihen kauft. Im Rahmen des "quantitative easing", wie solche Käufe genannt werden, entfielen bisher von monatlich insgesamt 85 Milliarden Dollar 45 Milliarden auf Staats- und 40 Milliarden auf Hypothekenanleihen. Welchen Nutzen die Staatsanleihen stiften oder welchen Schaden sie verursachen werden, ist Bestandteil des erwähnten Experiments mit ungewissem Ausgang, also nicht einmal zu ahnen.
Dagegen weiß man um die Wirkung von Hypothekenanleihen Bescheid: Ihre niedrigen Zinsen locken scharenweise große und kleine Immobilienspekulanten an, die sich hoch verschulden und die Häuserpreise nach oben schießen lassen - wie in den USA während der Jahre bis 2007, bevor sie grandios abstürzten. Das wäre nicht weiter schlimm, bliebe das Auf und Ab der Preise allein ein Spielfeld der Spekulanten. Aber dem ist nicht so, denn von der Entwicklung der Immobilienpreise hängt in den USA zu einem großen Teil die Konjunktur ab: Hoch verschuldete Haushalte leben über ihre Verhältnisse auf Pump, indem sie mit geliehenem Geld den Konsum ankurbeln. Sobald es mit dem geliehenen Geld zu Ende geht, erhält die Konjunktur allerdings einen Dämpfer.
Es müssen wohl solche Überlegungen gewesen sein, die Bernanke in seiner Entscheidung vom vergangenen Mittwoch bestärkt haben, weiterhin monatlich 85 Milliarden Dollar aus dem symbolischen Helikopter zu werfen. Wie wenig die Börsianer weltweit diese Entscheidung erwartet hatten, zeigte sich ja am Tagesanstieg der Edelmetallpreise und Aktienkurse schon unmittelbar danach. Die Immobilienpreise werden zeitlich versetzt weiter aufwärts reagieren.
Allerdings verpufft die Wirkung des vielen Geldes irgendwann; da liegt der Vergleich mit Drogen nahe. Und weil der Entzug im Fall der amerikanischen Geldpolitik - wie auch der europäischen und erst recht der japanischen - offenkundig nicht infrage kommt, drängt sich die Frage auf: Wie könnte das Experiment bei aller Ungewissheit über seinen Ausgang enden, wenn man die ganze Phantasie der Welt bemüht, um eine Antwort zu finden?
Ausgangspunkt: Es gibt derzeit international eine Geld- und Anleihenblase. Unter bestimmten Annahmen, aber auf keinen Fall generell kann man hier und da von einer Immobilien- und Aktienblase sprechen. Dagegen sind wir von einer Edelmetall- oder Rohstoffblase angesichts der jüngsten Preisentwicklung dieser Sektoren vor dem Hintergrund der aktuell extrem expansiven Geldpolitik der Notenbanken in Amerika, Europa und Japan noch ganz weit entfernt.
Das viele Geld sucht sich seinen Weg mal hier und mal da hin. Seit Monaten entfaltet es die volle Wirkung besonders bei Aktien, deren Kurse folglich entsprechend gestiegen sind. Dass deutsche Aktien zu den Favoriten gehört haben, ist vor allem auf die Geldspritzen von Seiten der Europäischen Zentralbank zurückzuführen und in diesem Zusammenhang darauf, dass Börsianer deutschen Unternehmen mehr zutrauen als französischen oder italienischen, geschweige denn spanischen oder gar griechischen.
Die Reaktionen der verschiedenen Märkte und Börsen auf die Geldpolitik sind zwar im Trend vorhersehbar, aber das ist es denn auch schon. Dagegen lassen sich Reaktionszeit, -stärke und -ablauf bestenfalls erraten. Das liegt zum einen an der Präferenz der Anleger für jeweils favorisierte Anlageklassen, zum anderen an deren gegenseitiger Abhängigkeit: Stürzt sich die Mehrzahl der Großanleger etwa auf Aktien, können Edelmetalle oder Immobilien zeitweise aus der Mode kommen, und umgekehrt. Alle drei können aber auch gleichzeitig favorisiert sein.
Von der Theorie zur Praxis: Wo stehen wir heute, wo morgen? Helikopter-Ben und sein Kumpel Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank sind auf dem Weg, den Spuren ihres Kollegen von Japans Notenbank zu folgen, Haruhiko Kuroda, der in Wahrheit Befehlsempfänger seines Ministerpräsidenten Shinzo Abe ist, weshalb die jetzige japanische Wirtschafts- und Geldpolitik Abenomics heißt. Von all dem ist zunächst zu erwarten, dass für Anleger in nächster Zeit das richtige Timing wichtig sein wird, und darüber hinaus, dass
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Für einen Tag haben die Edelmetallpreise mit einem Sprung nach oben reagiert, bevor sie am Freitag wieder gefallen sind, die schon länger aufwärts gerichteten Aktienkurse ebenfalls. Viel interessanter ist indes, wohin sie, die Preise von Immobilien und anderen Sachwerten eingeschlossen, auf Sicht von zwei, drei oder fünf Jahren tendieren werden. Denn in diesen Zeitspannen wird, ja muss etwas geschehen, damit das Finanzsystem nicht zusammenbricht. Um nur ein Indiz dafür zu nennen: Die US-Notenbank Fed besitzt bereits heute über 30 Prozent der amerikanischen Staatsanleihen mit Laufzeiten von mehr als fünf Jahren. Fährt sie mit deren Käufen wie bisher fort, lässt sie sich auf ein Experiment mit ungewissem Ausgang ein.
Doch das ist noch nicht alles, weil die Fed neben Staats- auch Hypothekenanleihen kauft. Im Rahmen des "quantitative easing", wie solche Käufe genannt werden, entfielen bisher von monatlich insgesamt 85 Milliarden Dollar 45 Milliarden auf Staats- und 40 Milliarden auf Hypothekenanleihen. Welchen Nutzen die Staatsanleihen stiften oder welchen Schaden sie verursachen werden, ist Bestandteil des erwähnten Experiments mit ungewissem Ausgang, also nicht einmal zu ahnen.
Dagegen weiß man um die Wirkung von Hypothekenanleihen Bescheid: Ihre niedrigen Zinsen locken scharenweise große und kleine Immobilienspekulanten an, die sich hoch verschulden und die Häuserpreise nach oben schießen lassen - wie in den USA während der Jahre bis 2007, bevor sie grandios abstürzten. Das wäre nicht weiter schlimm, bliebe das Auf und Ab der Preise allein ein Spielfeld der Spekulanten. Aber dem ist nicht so, denn von der Entwicklung der Immobilienpreise hängt in den USA zu einem großen Teil die Konjunktur ab: Hoch verschuldete Haushalte leben über ihre Verhältnisse auf Pump, indem sie mit geliehenem Geld den Konsum ankurbeln. Sobald es mit dem geliehenen Geld zu Ende geht, erhält die Konjunktur allerdings einen Dämpfer.
Es müssen wohl solche Überlegungen gewesen sein, die Bernanke in seiner Entscheidung vom vergangenen Mittwoch bestärkt haben, weiterhin monatlich 85 Milliarden Dollar aus dem symbolischen Helikopter zu werfen. Wie wenig die Börsianer weltweit diese Entscheidung erwartet hatten, zeigte sich ja am Tagesanstieg der Edelmetallpreise und Aktienkurse schon unmittelbar danach. Die Immobilienpreise werden zeitlich versetzt weiter aufwärts reagieren.
Allerdings verpufft die Wirkung des vielen Geldes irgendwann; da liegt der Vergleich mit Drogen nahe. Und weil der Entzug im Fall der amerikanischen Geldpolitik - wie auch der europäischen und erst recht der japanischen - offenkundig nicht infrage kommt, drängt sich die Frage auf: Wie könnte das Experiment bei aller Ungewissheit über seinen Ausgang enden, wenn man die ganze Phantasie der Welt bemüht, um eine Antwort zu finden?
Ausgangspunkt: Es gibt derzeit international eine Geld- und Anleihenblase. Unter bestimmten Annahmen, aber auf keinen Fall generell kann man hier und da von einer Immobilien- und Aktienblase sprechen. Dagegen sind wir von einer Edelmetall- oder Rohstoffblase angesichts der jüngsten Preisentwicklung dieser Sektoren vor dem Hintergrund der aktuell extrem expansiven Geldpolitik der Notenbanken in Amerika, Europa und Japan noch ganz weit entfernt.
Das viele Geld sucht sich seinen Weg mal hier und mal da hin. Seit Monaten entfaltet es die volle Wirkung besonders bei Aktien, deren Kurse folglich entsprechend gestiegen sind. Dass deutsche Aktien zu den Favoriten gehört haben, ist vor allem auf die Geldspritzen von Seiten der Europäischen Zentralbank zurückzuführen und in diesem Zusammenhang darauf, dass Börsianer deutschen Unternehmen mehr zutrauen als französischen oder italienischen, geschweige denn spanischen oder gar griechischen.
Die Reaktionen der verschiedenen Märkte und Börsen auf die Geldpolitik sind zwar im Trend vorhersehbar, aber das ist es denn auch schon. Dagegen lassen sich Reaktionszeit, -stärke und -ablauf bestenfalls erraten. Das liegt zum einen an der Präferenz der Anleger für jeweils favorisierte Anlageklassen, zum anderen an deren gegenseitiger Abhängigkeit: Stürzt sich die Mehrzahl der Großanleger etwa auf Aktien, können Edelmetalle oder Immobilien zeitweise aus der Mode kommen, und umgekehrt. Alle drei können aber auch gleichzeitig favorisiert sein.
Von der Theorie zur Praxis: Wo stehen wir heute, wo morgen? Helikopter-Ben und sein Kumpel Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank sind auf dem Weg, den Spuren ihres Kollegen von Japans Notenbank zu folgen, Haruhiko Kuroda, der in Wahrheit Befehlsempfänger seines Ministerpräsidenten Shinzo Abe ist, weshalb die jetzige japanische Wirtschafts- und Geldpolitik Abenomics heißt. Von all dem ist zunächst zu erwarten, dass für Anleger in nächster Zeit das richtige Timing wichtig sein wird, und darüber hinaus, dass
- die Anleihenblase bestehen bleibt, ohne vorerst zu platzen, weil die Notenbanken auf Teufel komm raus Anleihen kaufen
- Aktien und Immobilien sich zu einer Blase hin entwickeln, wobei in beiden Fällen zu differenzieren ist: unter den Aktien primär amerikanische und europäische Standardwerte, unter den Immobilien Wohnhäuser in Metropolen,
- Edelmetalle über kurz oder lang als preiswert im Vergleich zu den anderen Anlageklassen gelten und deshalb neu entdeckt werden
- und dass die Kaufkraft von Euro und Dollar im Lauf der nächsten Jahre schwindet, das heißt, dass die Inflation der Preise für Güter des täglichen Bedarfs der Inflation der Anlageklassen folgen wird, was derzeit ebenfalls für Edelmetalle spricht.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).