Katastrophen von Menschenhand
10.11.2005 | Dr. Marc Faber
Ende September setzte ich nach meinem Besuch im Iran meine Odyssee durch Kopenhagen - eine sehr schöne Stadt im wunderbar sozial eingestellten, zivilisierten und freundlichen Dänemark - in Richtung Asien über London fort. Ich war gerade dabei, im Hotel auszuchecken, als ich erfuhr, dass ein Streik den Flughafen Heathrow beinahe lahm gelegt hatte.
Gate Gourmet - eine Firma die die British Airways mit Mahlzeiten beliefert - hatte 600 der Angestellten fürs Catering entlassen, was inoffizielle Folgeaktionen der Gewerkschaft von British Airways zur Folge hatte, die ihre Kollegen von Gate Gourmet unterstützen wollten. Das Ergebnis war vollständiges Chaos am Flughafen in Heathrow, wo die meisten British Airways Flüge abgesagt wurden und mehr als 70.000 Passagiere gestrandet waren.
Nachdem ich daraufhin Stunden am Telefon und im Internet verbracht hatte, konnte ich Heathrow umgehen und über Frankfurt nach Hause reisen. Als ich in Bangkok am Chiang Mai Flughafen ankam, sagte mir der Taxifahrer, der mich fahren sollte, dass er mich nicht nach Hause bringen könne, weil das Zentrum von Chiang Mai vollständig überflutet sei.
Ich glaubte, der Fahrer würde übertreiben und rief meine Frau in der Absicht, sie zu fragen, ob sie mich am Flughafen abholen könnte, an. Aber es zeigte sich, dass sie das Haus nicht verlassen und ich es ebenso wenig erreichen konnte. (Man vermutete, dass die Flutung durch einen Regierungsangestellten verursacht worden war, der plötzlich, nach starken Regenfällen, den Damm öffnete, was dazu führte, dass eine Flutwelle von Wasser und Matsch das Flussbett herunterkam und den Wasserstand innerhalb weniger Stunden um mehr als drei Meter angehoben.)
Nachdem die Flut am nächsten Tag etwas zurückgegangen war, wage ich mich zurück zu unserem Haus, das direkt am Fluss liegt. Zuerst brachte mich ein Tuktuk (ein motorisiertes Dreirad) dahin, wo die überflutete Gegend anfing, ungefähr anderthalb Kilometer von meinem Haus. Viele Militärfahrzeuge fuhren auf den überfluteten Straßen, die noch zugänglich waren, hin und her, nahmen Leute mit, die ohne Hilfe nicht aus der Gegend herausgekommen wären.
Ich sprang auf einen der Trucks und wurde an eine Kreuzung gebracht, von der aus ich durch hüfttiefes Wasser noch weitere 500 Meter bis zu unserem Haus watete. Zu dieser Zeit war die Strömung noch so stark, dass ich mich an den Mauern und Zäunen der kleinen Gasse festhalten musste, die zu dem Haus führt. Als ich ankam, war ich völlig erschöpft.
Was mir an diesem und am folgenden Tag auffiel, an denen ich mich zwischen dem Hotel und meinem Haus hin- und herkämpfte, war, wie ruhig die Bevölkerung blieb und wie hilfsbereit die Leute angesichts der schlimmsten Flut in Chiang Mai in vierzig Jahren blieben. Es gab nirgends ein Anzeichen für Plünderungen (ebenso wenig wie es so etwas im Süden des Landes während des Tsunamis gab) und obwohl für viele Familien die materiellen Verluste enorm waren, kam in der Stadt keine hoffnungslose Stimmung auf. Vielmehr war es wie zur Zeit des jährlichen Wasserfestes (Songkram) oder wie beim Karneval in Rio.
Darüber hinaus war ich überrascht, dass in Thailand - einem Land, das nicht unbedingt für seine hohe Produktivität und Effizienz bekannt ist, mindest nicht während des Tages - die Hilfe fast sofort ankam. Wenige Stunden nach der Flutung waren schon Polizeiboote da, die man aus anderen Provinzen hergeschickt hatte und die Notfallpakete an die Leute verteilten, die direkt am Fluss leben. Diese Pakete enthielten Lebensmittel, Wasser, Kerzen und Streichhölzer.
Ich will die Situation in Chiang Mai nicht mit dem weit schlimmeren Unglück, das Katrina in New Orleans verursacht hat, vergleichen. Thailand ist ein Land, in dem die Leute keine Möglichkeit haben, in den Himmel zu kommen - die meisten Thais folgen den Lehren Buddhas. Buddhismus ist keine Religion, sondern eher eine Lebensart, wonach der einzelne weniger zu Gott beten soll, sondern versuchen muss, sich selbst zu verbessern. Gewalt, schlechtes Verhalten und schlechter Sprachgebrauch werden gemieden, wohingegen Toleranz im menschlichen Verhalten sehr hoch bewertet wird und dadurch gibt es - zumindest im Norden des Landes - einen Sinn für gegenseitige Hilfe, der sich darin manifestiert, dass man sich weniger auf die Regierung verlässt und stärker untereinander kooperiert. Darüber hinaus sind die asiatischen Städte - abgesehen von den Hauptstädten - immer noch eher "Haushaltsökonomien", in denen es sehr viel weniger Arbeitsteilung gibt, als in den hoch entwickelten Städten des Westens, die damit auch stärker durch Versorgungsknappheiten angreifbar sind - ganz gleich, ob sich diese auf Wasser, Lebensmittel, Klopapier, Elektrizität, die Telefonversorgung oder Anderes beziehen.
In diesem Zusammenhang ist es auch zu verstehen - zumindest teilweise - dass es so viele Plünderungen im Anschluss an die Flut in New Orleans gab. Wenn die Versorgungsmittel die Städte nicht unmittelbar nach einer Katastrophe erreichen, und die lokalen und überregionalen Regierungen, durch deren eigene Inkompetenz, nicht in der Lage sind, angemessene Hilfsmittel innerhalb einer sehr kurzen Frist zu liefern, dann ist es eine natürliche Reaktion der verzweifelten Menschen, wenn sie die Läden aufbrechen und sich selber zu ihrem täglichen Bedarf verhelfen. Dazu gehören auch Waffen, (die in einer gewalttätigen Gesellschaft nicht verzichtbar sind.)
Augenzeugen stellten immer wieder fest, dass Katrina eine Naturkatastrophe war, der eine von Menschenhand gemachte Katastrophe folgte. Ich will diese Äußerung ein wenig abändern und sagen, dass es eine Katastrophe von Regierungshand war. (Was nicht bedeuten soll, dass die Demokraten das irgendwie besser hinbekommen hätten.)
Wenn man sich Gedanken darüber macht, wie Passagiere pausenlos von den absolut unfähigen Vertretern der Homeland Security an den Flughäfen geplagt werden, dann fragt man sich, ob die Kompetenz von Michael Chertoff, dem Vorsitzenden der Homeland Security, der vier Tage brauchte, um in die Wege zu leiten, dass Hilfsgüter von Helikoptern über New Orleans abgeworfen wurden, wirklich eine Beruhigung für die produktivste Nation der Welt darstellt.
Die Bush-Regierung entschloss sich - trotz ständiger Warnungen vom Southeast Louisiana Flood Control Project - die Finanzierung für das Lake Pontchartrain Damm Projekt um fast 80% zu kürzen. Die Financial Times aus London schreibt, dass "wenn der Krieg im Iran die Bushregierung nicht dazu gezwungen hätte, das Geld für die Dämme abzuziehen, New Orleans heute vielleicht kein von Leichen gefüllter Sumpf wäre." (Financial Times vom 7. September 2005)
Schlimmer noch, im Jahr 2003 machte Präsident Bush eine Verordnung zum Schutz von Feuchtgebieten rückgängig, die von seinem Vater erlassen wurde und von Clinton gestärkt, und erlaubte Bauunternehmen empfindliche Feuchtgebiete zwischen Crescent City und dem Golf zu bebauen, die ursprünglich als Puffer gegen einen plötzlich ansteigenden Meeresspiegel wirkten. (Je zwei Meilen Feuchtgebiet lässt sich ein Anstieg um mehr als 30 Zentimeter reduzieren.)
Ein Beobachter hat darauf hingewiesen, dass man ebenso gut die Sicherheitsgurte, die Airbags und die Stoßdämpfer aus einem Auto entfernen könnte, um im Anschluss in falscher Richtung auf die Autobahn aufzufahren. Aber als im Jahr 2004 vier führende Umweltgruppen zu dem Schluss kamen, dass New Orleans ohne den Schutz der Feuchtgebiete von einem normalen Hurrikane zerstört werden könnte, wies der Vorsitzende des Rates für Umweltschutz im Weißen Haus die Studie als "sehr fragwürdig" zurück und fügte hinzu: "ich glaube, dass den Leuten sehr gefällt, was wir tun."
Anleger fragen sich natürlich, wie sich die Zerstörungen in der Folge von Katrina auf die Wirtschaft auswirken werden. Das ist keine leichte Frage, aber in einem gewissen Sinne haben die Anlagemärkte schon eine Art Antwort gegeben, nachdem die Marktteilnehmer ursprünglich von der Fed erwartet hatten, dass die Fed früher mit weiteren Anhebungen der Zinssätze aussetzen würde, als ohne eine solche Naturkatastrophe, die von der unfähigen Regierung noch verschlimmert wurde. Die ursprüngliche Erwartung langsamerer oder ausbleibender Zinsanhebungen haben daher die Aktien, die Anleihen und die Rohstoffmärkte (darunter auch Gold) gestärkt.
Bauunternehmen, die vor Katrina schwächer dastanden, fielen aufgrund der Erwartung einer weiteren Immobilieninflation als Ergebnis der nicht länger angehoben Zinssätze durch die Fed stark zurück. Dennoch, nachdem die inflationären Auswirkungen des Wiederaufbaus deutlich wurden, wurden die Anleihen abverkauft und Gold und der Dollar wurden stärker, während Aktien weiterhin range-bound blieben.
Da die Gegend, die von Katrina betroffen war, nur 2% des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts und weniger als 10% des amerikanischen Ölverbrauchs ausmacht, sollte der Einfluss von Katrina - wenn alles andere gleich bleibt - eigentlich nur minimal ausfallen. Tatsächlich gehe ich mittelfristig sogar davon aus, dass Katrina die wirtschaftliche Aktivität antreiben wird, wenn der Wiederaufbau erst einmal angefangen hat.
Da ein Großteil des Geldes für den Wiederaufbau von der Regierung kommt, ist es sehr wahrscheinlich, dass damit zeitweilig auch die Haushaltsdefizite steigen, wobei selbst ein Wiederaufbaubudget von 100 Milliarden Dollar unbedeutend wird, wenn man es mit den Militärausgaben im Irak und in Afghanistan vergleicht. Außerdem, auch wenn Katrina die Energiepreise vielleicht ein bisschen wegen der Schäden an den Raffinerien und den Bohrinseln im Golf steigen lässt, dann ist das im Zusammenhang mit Angebot und Nachfrage von Öl weltweit doch eher bedeutungslos. Es ist sogar möglich, dass die Entscheidung der Regierung, Öl aus den strategischen Ölreserven frei zu geben, kurzfristig zu niedrigeren Ölpreisen führen könnte, als wir sie ohne Katrina gehabt hätten. Wenn überhaupt, dann wird in der Folge des Wiederaufbaus, der sofort aufgenommen wurde und aufgrund der Freigabe der strategischen Ölreserven als Gegenteil vom Sparen durch die Regierung, der Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal vielleicht über alle Erwartungen hoch ausfallen.
Dennoch, damit ich klar verstanden werde: Wenn auch der Wiederaufbau eines Vermögenswertes, der aufgrund einer Naturkatastrophe oder eines Krieges zerstört wurde, das Bruttoinlandsprodukt zeitweilig steigen lässt, dann steigert es doch nicht das Gesamtvermögen einer Nation, da vielmehr ein Verlust durch etwas Neues ersetzt wird. (Was die Dämme anbelangt, dürfen wir wenigstens hoffen, dass sie durch bessere ersetzt werden.)
Zusammenfassend meine ich, dass die Auswirkungen durch Katrina minimal ausfallen werden. Doch ich glaube, dass Katrina dem Vertrauen der amerikanischen Bevölkerung in ihr politisches System vielleicht einen Knacks zugefügt hat und damit auch die Zuversicht der Verbraucher eingeschränkt hat.
Die Leute glauben vielleicht jetzt, dass Vertrauen in und auf die Regierung vielleicht nicht mehr angebracht sind und dass sich Ersparnisse im Falle von Notfallsituationen doch als sinnvoll erweisen könnten. Eine steigende Sparrate kann es aber nur auf Kosten des Konsums geben.
Daher glaube ich, dass die psychologischen Auswirkungen durch Katrina den gegenwärtigen Konjunkturrückgang noch beschleunigen könnten und zu einer Rezession im Jahr 2006 führen. Natürlich ist sich die Regierung dieser Möglichkeit durchaus bewusst und man wird daher die Zerstörung, die durch Katrina verursacht wurde, mit Unterstützung durch die Fed als Entschuldigung für weitere eingreifende Maßnahmen nutzen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die Fed weitere Anstiege der Zinssätze hinausschiebt - vorgeblich auf Druck des Weißen Hauses und weil man eine Deflation der aktuellen Immobilienblase befürchtet.
© Marc Faber
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor's Daily"
Gate Gourmet - eine Firma die die British Airways mit Mahlzeiten beliefert - hatte 600 der Angestellten fürs Catering entlassen, was inoffizielle Folgeaktionen der Gewerkschaft von British Airways zur Folge hatte, die ihre Kollegen von Gate Gourmet unterstützen wollten. Das Ergebnis war vollständiges Chaos am Flughafen in Heathrow, wo die meisten British Airways Flüge abgesagt wurden und mehr als 70.000 Passagiere gestrandet waren.
Nachdem ich daraufhin Stunden am Telefon und im Internet verbracht hatte, konnte ich Heathrow umgehen und über Frankfurt nach Hause reisen. Als ich in Bangkok am Chiang Mai Flughafen ankam, sagte mir der Taxifahrer, der mich fahren sollte, dass er mich nicht nach Hause bringen könne, weil das Zentrum von Chiang Mai vollständig überflutet sei.
Ich glaubte, der Fahrer würde übertreiben und rief meine Frau in der Absicht, sie zu fragen, ob sie mich am Flughafen abholen könnte, an. Aber es zeigte sich, dass sie das Haus nicht verlassen und ich es ebenso wenig erreichen konnte. (Man vermutete, dass die Flutung durch einen Regierungsangestellten verursacht worden war, der plötzlich, nach starken Regenfällen, den Damm öffnete, was dazu führte, dass eine Flutwelle von Wasser und Matsch das Flussbett herunterkam und den Wasserstand innerhalb weniger Stunden um mehr als drei Meter angehoben.)
Nachdem die Flut am nächsten Tag etwas zurückgegangen war, wage ich mich zurück zu unserem Haus, das direkt am Fluss liegt. Zuerst brachte mich ein Tuktuk (ein motorisiertes Dreirad) dahin, wo die überflutete Gegend anfing, ungefähr anderthalb Kilometer von meinem Haus. Viele Militärfahrzeuge fuhren auf den überfluteten Straßen, die noch zugänglich waren, hin und her, nahmen Leute mit, die ohne Hilfe nicht aus der Gegend herausgekommen wären.
Ich sprang auf einen der Trucks und wurde an eine Kreuzung gebracht, von der aus ich durch hüfttiefes Wasser noch weitere 500 Meter bis zu unserem Haus watete. Zu dieser Zeit war die Strömung noch so stark, dass ich mich an den Mauern und Zäunen der kleinen Gasse festhalten musste, die zu dem Haus führt. Als ich ankam, war ich völlig erschöpft.
Was mir an diesem und am folgenden Tag auffiel, an denen ich mich zwischen dem Hotel und meinem Haus hin- und herkämpfte, war, wie ruhig die Bevölkerung blieb und wie hilfsbereit die Leute angesichts der schlimmsten Flut in Chiang Mai in vierzig Jahren blieben. Es gab nirgends ein Anzeichen für Plünderungen (ebenso wenig wie es so etwas im Süden des Landes während des Tsunamis gab) und obwohl für viele Familien die materiellen Verluste enorm waren, kam in der Stadt keine hoffnungslose Stimmung auf. Vielmehr war es wie zur Zeit des jährlichen Wasserfestes (Songkram) oder wie beim Karneval in Rio.
Darüber hinaus war ich überrascht, dass in Thailand - einem Land, das nicht unbedingt für seine hohe Produktivität und Effizienz bekannt ist, mindest nicht während des Tages - die Hilfe fast sofort ankam. Wenige Stunden nach der Flutung waren schon Polizeiboote da, die man aus anderen Provinzen hergeschickt hatte und die Notfallpakete an die Leute verteilten, die direkt am Fluss leben. Diese Pakete enthielten Lebensmittel, Wasser, Kerzen und Streichhölzer.
Ich will die Situation in Chiang Mai nicht mit dem weit schlimmeren Unglück, das Katrina in New Orleans verursacht hat, vergleichen. Thailand ist ein Land, in dem die Leute keine Möglichkeit haben, in den Himmel zu kommen - die meisten Thais folgen den Lehren Buddhas. Buddhismus ist keine Religion, sondern eher eine Lebensart, wonach der einzelne weniger zu Gott beten soll, sondern versuchen muss, sich selbst zu verbessern. Gewalt, schlechtes Verhalten und schlechter Sprachgebrauch werden gemieden, wohingegen Toleranz im menschlichen Verhalten sehr hoch bewertet wird und dadurch gibt es - zumindest im Norden des Landes - einen Sinn für gegenseitige Hilfe, der sich darin manifestiert, dass man sich weniger auf die Regierung verlässt und stärker untereinander kooperiert. Darüber hinaus sind die asiatischen Städte - abgesehen von den Hauptstädten - immer noch eher "Haushaltsökonomien", in denen es sehr viel weniger Arbeitsteilung gibt, als in den hoch entwickelten Städten des Westens, die damit auch stärker durch Versorgungsknappheiten angreifbar sind - ganz gleich, ob sich diese auf Wasser, Lebensmittel, Klopapier, Elektrizität, die Telefonversorgung oder Anderes beziehen.
In diesem Zusammenhang ist es auch zu verstehen - zumindest teilweise - dass es so viele Plünderungen im Anschluss an die Flut in New Orleans gab. Wenn die Versorgungsmittel die Städte nicht unmittelbar nach einer Katastrophe erreichen, und die lokalen und überregionalen Regierungen, durch deren eigene Inkompetenz, nicht in der Lage sind, angemessene Hilfsmittel innerhalb einer sehr kurzen Frist zu liefern, dann ist es eine natürliche Reaktion der verzweifelten Menschen, wenn sie die Läden aufbrechen und sich selber zu ihrem täglichen Bedarf verhelfen. Dazu gehören auch Waffen, (die in einer gewalttätigen Gesellschaft nicht verzichtbar sind.)
Augenzeugen stellten immer wieder fest, dass Katrina eine Naturkatastrophe war, der eine von Menschenhand gemachte Katastrophe folgte. Ich will diese Äußerung ein wenig abändern und sagen, dass es eine Katastrophe von Regierungshand war. (Was nicht bedeuten soll, dass die Demokraten das irgendwie besser hinbekommen hätten.)
Wenn man sich Gedanken darüber macht, wie Passagiere pausenlos von den absolut unfähigen Vertretern der Homeland Security an den Flughäfen geplagt werden, dann fragt man sich, ob die Kompetenz von Michael Chertoff, dem Vorsitzenden der Homeland Security, der vier Tage brauchte, um in die Wege zu leiten, dass Hilfsgüter von Helikoptern über New Orleans abgeworfen wurden, wirklich eine Beruhigung für die produktivste Nation der Welt darstellt.
Die Bush-Regierung entschloss sich - trotz ständiger Warnungen vom Southeast Louisiana Flood Control Project - die Finanzierung für das Lake Pontchartrain Damm Projekt um fast 80% zu kürzen. Die Financial Times aus London schreibt, dass "wenn der Krieg im Iran die Bushregierung nicht dazu gezwungen hätte, das Geld für die Dämme abzuziehen, New Orleans heute vielleicht kein von Leichen gefüllter Sumpf wäre." (Financial Times vom 7. September 2005)
Schlimmer noch, im Jahr 2003 machte Präsident Bush eine Verordnung zum Schutz von Feuchtgebieten rückgängig, die von seinem Vater erlassen wurde und von Clinton gestärkt, und erlaubte Bauunternehmen empfindliche Feuchtgebiete zwischen Crescent City und dem Golf zu bebauen, die ursprünglich als Puffer gegen einen plötzlich ansteigenden Meeresspiegel wirkten. (Je zwei Meilen Feuchtgebiet lässt sich ein Anstieg um mehr als 30 Zentimeter reduzieren.)
Ein Beobachter hat darauf hingewiesen, dass man ebenso gut die Sicherheitsgurte, die Airbags und die Stoßdämpfer aus einem Auto entfernen könnte, um im Anschluss in falscher Richtung auf die Autobahn aufzufahren. Aber als im Jahr 2004 vier führende Umweltgruppen zu dem Schluss kamen, dass New Orleans ohne den Schutz der Feuchtgebiete von einem normalen Hurrikane zerstört werden könnte, wies der Vorsitzende des Rates für Umweltschutz im Weißen Haus die Studie als "sehr fragwürdig" zurück und fügte hinzu: "ich glaube, dass den Leuten sehr gefällt, was wir tun."
Anleger fragen sich natürlich, wie sich die Zerstörungen in der Folge von Katrina auf die Wirtschaft auswirken werden. Das ist keine leichte Frage, aber in einem gewissen Sinne haben die Anlagemärkte schon eine Art Antwort gegeben, nachdem die Marktteilnehmer ursprünglich von der Fed erwartet hatten, dass die Fed früher mit weiteren Anhebungen der Zinssätze aussetzen würde, als ohne eine solche Naturkatastrophe, die von der unfähigen Regierung noch verschlimmert wurde. Die ursprüngliche Erwartung langsamerer oder ausbleibender Zinsanhebungen haben daher die Aktien, die Anleihen und die Rohstoffmärkte (darunter auch Gold) gestärkt.
Bauunternehmen, die vor Katrina schwächer dastanden, fielen aufgrund der Erwartung einer weiteren Immobilieninflation als Ergebnis der nicht länger angehoben Zinssätze durch die Fed stark zurück. Dennoch, nachdem die inflationären Auswirkungen des Wiederaufbaus deutlich wurden, wurden die Anleihen abverkauft und Gold und der Dollar wurden stärker, während Aktien weiterhin range-bound blieben.
Da die Gegend, die von Katrina betroffen war, nur 2% des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts und weniger als 10% des amerikanischen Ölverbrauchs ausmacht, sollte der Einfluss von Katrina - wenn alles andere gleich bleibt - eigentlich nur minimal ausfallen. Tatsächlich gehe ich mittelfristig sogar davon aus, dass Katrina die wirtschaftliche Aktivität antreiben wird, wenn der Wiederaufbau erst einmal angefangen hat.
Da ein Großteil des Geldes für den Wiederaufbau von der Regierung kommt, ist es sehr wahrscheinlich, dass damit zeitweilig auch die Haushaltsdefizite steigen, wobei selbst ein Wiederaufbaubudget von 100 Milliarden Dollar unbedeutend wird, wenn man es mit den Militärausgaben im Irak und in Afghanistan vergleicht. Außerdem, auch wenn Katrina die Energiepreise vielleicht ein bisschen wegen der Schäden an den Raffinerien und den Bohrinseln im Golf steigen lässt, dann ist das im Zusammenhang mit Angebot und Nachfrage von Öl weltweit doch eher bedeutungslos. Es ist sogar möglich, dass die Entscheidung der Regierung, Öl aus den strategischen Ölreserven frei zu geben, kurzfristig zu niedrigeren Ölpreisen führen könnte, als wir sie ohne Katrina gehabt hätten. Wenn überhaupt, dann wird in der Folge des Wiederaufbaus, der sofort aufgenommen wurde und aufgrund der Freigabe der strategischen Ölreserven als Gegenteil vom Sparen durch die Regierung, der Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal vielleicht über alle Erwartungen hoch ausfallen.
Dennoch, damit ich klar verstanden werde: Wenn auch der Wiederaufbau eines Vermögenswertes, der aufgrund einer Naturkatastrophe oder eines Krieges zerstört wurde, das Bruttoinlandsprodukt zeitweilig steigen lässt, dann steigert es doch nicht das Gesamtvermögen einer Nation, da vielmehr ein Verlust durch etwas Neues ersetzt wird. (Was die Dämme anbelangt, dürfen wir wenigstens hoffen, dass sie durch bessere ersetzt werden.)
Zusammenfassend meine ich, dass die Auswirkungen durch Katrina minimal ausfallen werden. Doch ich glaube, dass Katrina dem Vertrauen der amerikanischen Bevölkerung in ihr politisches System vielleicht einen Knacks zugefügt hat und damit auch die Zuversicht der Verbraucher eingeschränkt hat.
Die Leute glauben vielleicht jetzt, dass Vertrauen in und auf die Regierung vielleicht nicht mehr angebracht sind und dass sich Ersparnisse im Falle von Notfallsituationen doch als sinnvoll erweisen könnten. Eine steigende Sparrate kann es aber nur auf Kosten des Konsums geben.
Daher glaube ich, dass die psychologischen Auswirkungen durch Katrina den gegenwärtigen Konjunkturrückgang noch beschleunigen könnten und zu einer Rezession im Jahr 2006 führen. Natürlich ist sich die Regierung dieser Möglichkeit durchaus bewusst und man wird daher die Zerstörung, die durch Katrina verursacht wurde, mit Unterstützung durch die Fed als Entschuldigung für weitere eingreifende Maßnahmen nutzen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die Fed weitere Anstiege der Zinssätze hinausschiebt - vorgeblich auf Druck des Weißen Hauses und weil man eine Deflation der aktuellen Immobilienblase befürchtet.
© Marc Faber
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor's Daily"