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Mit Cash gegen den Crash

06.10.2013  |  Manfred Gburek
Die ganze Finanzwelt diskutiert über die Schuldengrenze der USA. Derweil gewinnt man den Eindruck, dass die hitzige Debatte zwischen Demokraten und Republikanern immer mehr in einen Kampf der Ideologien ausartet. Kennzeichnend dafür war schon vor einigen Monaten ein Transparent, das Republikaner medienwirksam aufrollten: Es zeigte von links nach rechts die Köpfe von Marx, Engels, Lenin und Obama und erinnerte mich an ein ähnliches Transparent, das ich in den 50er Jahren während meiner Kindheit in Schlesien und Sachsen häufiger zu sehen bekam, nur dass darauf Stalin statt Obama abgebildet war. Die Erkenntnis daraus: Obama wird als Kommunist diffamiert. Schlimmer geht es wahrlich nicht und zeugt davon, dass die aktuelle Schuldendebatte überwiegend durch Emotionen bestimmt wird.

Von politisch geprägten bis zu finanziell wirksamen Emotionen ist es kein besonders weiter Weg - womit wir bei einer für Anleger besonders wichtigen Kernfrage angelangt sind: Wie nahe befinden wir uns vor einem Crash? Ich bin auf diese Frage spätestens dann gekommen, als ich erfuhr, dass Lloyd Blankfein Obama besucht hatte. Blankfein ist Chef von Goldman Sachs, der mächtigsten Bank der Welt, deren Manager nicht nur einen regen Kontakt mit der US-Regierung pflegen, sondern hin und wieder auch ein wichtiges Ministerium mit einem aus ihren Reihen stammenden Mann bestücken. Wenn also Blankfein persönlich bei Obama vorspricht, muss die Lage sehr, sehr ernst sein.

Ein klassischer Crash - ich beschränke mich hier auf einen heftigen Kurseinbruch der Aktien - kommt so zustande: Anleger sitzen auf hohen Buchgewinnen und blicken optimistisch in die Zukunft. Sie blenden Gefahrenherde weitgehend aus, wie aktuell die Schuldengrenze, im Bewusstsein, dass diese in der Vergangenheit schon mehrfach erweitert wurde. Darüber hinaus ignorieren sie alles, was sie von ihrem Optimismus abhalten könnte, wie Konjunktureinbruch, Deflation, große Pleiten, Zinsanstieg, weniger Anleihenkäufe durch die US-Notenbank Fed, ein weiterer Bankenskandal usw. Doch plötzlich kommt eine Initialzündung von irgendwo her, wie im Oktober 1987 vom transatlantischen Streit über die Geldpolitik oder im September 2008 von der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers. Daraufhin folgen die ersten hektischen Aktienverkäufe, die zum Teil auch andere Anlageklassen nach unten reißen. Das setzt dann die von Softwaretüftlern ausgeheckte Maschinerie namens Algorithmus erst so richtig in Bewegung. Schließlich wollen alle nur noch verkaufen, egal zu welchem Preis.

Angenommen, ein solcher Crash könnte uns in den kommenden Wochen an den führenden Börsen bevorstehen. Er könnte aber auch ausbleiben. Also die klassischen Alternativen, mit denen wir im Grunde tagtäglich konfrontiert werden, nur dass die Crash-Variante besonders hohe Risiken und später große Chancen birgt, was bei moderaten Kursrückgängen weniger der Fall ist. Es gilt also, sich auf den Crash und die Zeit danach vorzubereiten, ohne die Alternative aus dem Auge zu verlieren, dass es erst gar nicht dazu kommt.

Die einfachste und radikalste, aus aktueller Sich jedoch alles andere als abwegige Vorbereitung auf den Crash besteht darin, dass Sie außer einem ordentlichen Vorrat an Gold und Silber (einschließlich Edelmetallaktien), den Sie gehortet haben sollten, Ihr liquides Vermögen ganz auf Cash konzentrieren. Spielen wir also diese Variante von Anfang bis Ende gedanklich durch. Dazu verwenden Sie am besten ein Tagesgeldkonto und für Beträge, die über 100.000 Euro hinausgehen (Eheleute: über 200.000 Euro) vorsichtshalber ein Depot mit kurzlaufenden Bundesanleihen oder -obligationen. So sind Sie aus dem Schneider, falls Ihre Bank pleite geht.

Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass Tagesgeldkonten und Bundespapiere nominal winzige, real sogar negative Zinsen mit sich bringen. Aber das ist das geringste Problem, wenn der Crash nicht mehr lange auf sich warten lassen sollte. Dagegen sieht es anders aus, wenn er ausbleibt. Dann würden Sie wegen der real negativen Zinsen de facto nach und nach enteignet, was bekanntermaßen als finanzielle Repression bezeichnet wird.

Wer mindestens einmal im Leben mit viel Geld auf dem Konto in der Crash-Wartestellung war, ohne dass es zunächst zum Crash kam, weiß, wie unerträglich so etwas sein kann. Dann hilft nur eines: Alle Überlegungen, die ursprünglich für das Warten sprachen, nochmals auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen. Erweisen sie sich nach wie vor als stichhaltig, heißt es, sich weiter in Geduld üben. Tun sie das nur zum Teil oder gar nicht, sollten Sie den ganzen Denkprozess unter neuen Voraussetzungen wiederholen und daraus Schlüsse für eine andere Anlagestruktur ziehen.

Geduld ist bei der Geldanlage eine Tugend, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sie unterscheidet sich von anderen menschlichen Tugenden in erster Linie dadurch, dass sie eng mit der Zeit verknüpft ist: ohne Zeit keine Geduld. Oder auf den Crash bezogen: Kommt er von heute auf morgen, benötigen Sie mit Ihrem hohen Cashbestand kaum Geduld. Lässt er sich dagegen viel Zeit, werden Sie auf eine harte Geduldsprobe gestellt, ja Sie laufen sogar Gefahr, Ihre Geduld zu verlieren. Dann kommen schnell Emotionen ins Spiel; die sollten Sie aber um jeden Preis vermeiden.

Wie geduldig waren Sie, was Aktienengagements betrifft, nach dem Platzen der New Economy-Blase im Jahr 2000? Haben Sie wirklich drei Jahre bis zum Frühjahr 2003 mit Käufen gewartet, als die Aktienkurse ihr Tief markierten? Oder später bis Ende 2008, nachdem die Pleite von Lehman Brothers an den Börsen zu apokalyptischen Zuständen geführt hatte? Oder 2011 bis zum Minicrash im Sommer? Mir selbst ist das entsprechende Timing jedenfalls nur in Ansätzen gelungen. Dafür habe ich Doppelfehler vermieden, und genau dazu rate ich Ihnen heute dringend. Das heißt, lassen Sie sich durch nichts auf der Welt von Ihrer Anlagestrategie abbringen, sofern Sie sie besonders kritisch auf ihre Stichhaltigkeit überprüft haben. Der Rest ist eine Sache der Geduld.

Zum Schluss noch eine Beobachtung aus den vergangenen Wochen; sie betrifft Gold- und Silberaktien: Ist Ihnen nicht auch aufgefallen, dass die Standardwerte dieses Sektors, also Barrick, Newmont, Anglogold und Goldcorp, nach einer grässlichen negativen Performance seit Herbst 2011 zuletzt immer häufiger in der Liste der Tagesgewinner zu finden waren? Sie haben den Crash schon hinter sich. Sollte es hier im Zuge eines allgemeinen Aktiencrashs nochmals zu Kursrückgängen kommen, wäre das ein Kaufsignal auf absolutem Schnäppchenniveau.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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