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Die Inflationsmacher

10.11.2005  |  Claus Vogt
- Seite 2 -
Der Bock als Gärtner 2

Hin und wieder gelingt es uns tatsächlich, treffsichere Prognosen zu erstellen. Insofern war die Ernennung von Ben Bernanke als Nachfolger von Alan Greenspan ein gewisses Erfolgserlebnis für uns, obwohl er natürlich alles andere als unser Wunschkandidat auf diesem mit unanständig viel Macht ausgestatteten Pöstchen ist. Unter der Überschrift "Inflation!" schrieben wir im April 2005:

"Erinnern sie sich noch an Ben Bernanke, den US-Notenbanker? Als ausgewiesener Inflationist trieb er uns bereits Ende 2002 den Angstschweiß auf die Stirn mit seinen geldpolitischen Äußerungen. Er sagte damals: "Aber die US-Regierung verfügt über eine Technologie, genannt Druckerpresse (...), die es ihr gestattet, ohne Kosten so viele US-Dollars zu produzieren, wie sie will. (...) Natürlich wird die US-Regierung nicht beginnen, Geld zu drucken, um es beliebig zu verteilen (Helikopter-Geld genannt, Anm. Berliner Effektenbank), obwohl es, wie wir später sehen werden, praktische geldpolitische Maßnahmen gibt, die diesem Verhalten nahe kommen.""

Während freiheitsliebende Menschen ob dieser starken Staatsworte das blanke Entsetzen packt, sehen Politiker darin offensichtlich nur eine erfreuliche und deutliche Anbiederei, die den Sender der Botschaft für höhere bürokratische Weihen empfiehlt. Jedenfalls soll Bernanke demnächst den Vorsitz des President’s Council of Economic Advisors übernehmen. Ich sehe darin einen Hinweis darauf, dass Bernanke - so er den Mächtigen im Weißen Haus auch in seiner neuen Funktion zu gefallen weiß, und wer möchte daran zweifeln - die Nachfolge von Alan Greenspan als Notenbankpräsident antreten wird. Damit zerstreuen sich eventuell gehegte Hoffnungen auf eine geldpolitische Wende zum Besseren nach der Ära Greenspan.

Der intellektuelle Überflieger Bernanke, der auf eine steile Karriere im Wissenschaftsbetrieb zurück blicken kann, hat es jetzt also geschafft. Er scheint sein Lebensziel erreicht zu haben und über klare Vorstellungen zu verfügen, wie er die kommenden Krisen meistern kann. Wie genau? Mit dem beherzten, um nicht zu sagen hemmungslosen Einsatz der Gelddruckmaschine.

Bernankes geldpolitische Grundüberzeugungen stehen den unsrigen geradezu diametral entgegen. Während er der Meinung ist, mit Geldmengenausweitungen alle Probleme einer modernen Volkswirtschaft lösen zu können, sehen wir in der Geldmengenausweitung die Ursache zahlreicher Probleme. Was er als Medizin betrachtet, gilt uns als Gift. Für ihn scheint die Welt die Form eines Doktorandenseminars im Fachgebiet Ökonometrie zu haben. Für uns besteht sie aus einem undurchdringlichen Dickicht individuell entscheidender Akteure, die eher selten rationalen Überlegungen folgen. In einem sehr viel allgemeineren Sinn unterscheidet uns sogar ein ganzes Weltbild. Während der begnadete Wirtschaftswissenschaftler Bernanke an die dauerhaft erfolgreiche Steuerung einer hochkomplexen Wirtschaft glaubt, halten wir in unserer sehr viel bescheideneren Art dergleichen schlicht für ein Zeichen von Hybris und Selbstüberschätzung. Während wir immer wieder in Staunen versetzt werden ob der Vielfalt und Komplexität der Welt, scheint er sie kontrollieren zu wollen und ernsthaft zu glauben, das auch zu können.

Als ausgewiesener Inflationist glaubt er dieser übermenschlichen Aufgabe mit einer simplen Technologie, der Druckerpresse, gerecht werden zu können. Mit dieser Sichtweise, die er (siehe oben) in ungewöhnlich klaren Worten zum Ausdruck gebracht hat, verdiente er sich in Kreisen kritischer Notenbank-Beobachter den überaus passenden Künstlernamen "Helicopter Ben2.


Schweres Erbe

Bernankes Vorgänger Alan Greenspan hinterlässt ihm ein überaus schweres Erbe. Dank seiner über die Maßen expansiven Geldpolitik, mit der er die für eine dauerhaft tragfähige und gesunde ökonomische Entwicklung notwendigen Bereinigungsprozesse immer wieder weitgehend unterdrückt hat, befinden wir uns in einer von extremen Ungleichgewichten geplagten Weltwirtschaft. Deutlichstes Zeichen dafür ist das US-Leistungsbilanzdefizit von 6%, das einer Bananenrepublik zur Ehre gereichte. Innerhalb der USA manifestieren sich die Probleme beispielsweise in einer negativen Sparquote, einem laut Greenspan außer Kontrolle geratenen Staatshaushalt, einer Echoblase am Aktienmarkt, einer riesigen Spekulationsblase am Immobilienmarkt und einer gesamtwirtschaftlichen Verschuldung, die weit über dem bisherigen Rekord am Beginn der Weltwirtschaftskrise von 1930liegt.

Bernankes Aufgabe wird es also sein, mit diesen Folgen der Greenspan’schen Geldpolitik zurecht zu kommen. Wir beneiden ihn nicht um diese herkuleische Aufgabe. Allerdings scheint Bernanke davon überzeugt zu sein, ihr durchaus gewachsen zu sein, was wir bezweifeln. Seine öffentlichen Äußerungen über das Leistungsbilanzdefizit lassen uns sogar am ökonomischen Sachverstand des viel Gelobten zweifeln. Seiner Meinung nach handelt es sich dabei nicht etwa um das Problem des defizitären Landes, sondern ganz im Gegenteil um ein Problem der Überschussländer. Dort, speziell in Asien, gebe es einen ungesunden Überhang an Ersparnissen. Diesen nach Anlage drängenden Geldern müsse ein sinnvoller Hafen geboten werden. Genau das täten die USA mit ihren riesigen Märkten für Staatsanleihen und Hypothekenkrediten. Die hohe Sparquote der asiatischen Länder sei das Problem, nicht die niedrige der USA. Da sparen die Grundvoraussetzung für Investitionen und späteren Wohlstand ist, können wir dem renommierten Theoretiker zumindest an dieser Stelle nicht folgen.

Ein eigener Feldversuch scheiterte übrigens kläglich, vermutlich am mangelnden Sachverstand unseres potenziellen Geschäftspartners. Wir machten dem Wirt unserer Eckkneipe den Vorschlag, in Zukunft jeden Tag zu seinem Mittagstisch zu erscheinen, wenn er sich bereit erkläre, uns den jeweiligen Rechnungsbetrag postwendend wieder zu leihen, damit wir mit diesem Geld auch am nächsten Tag die Rechnung würden begleichen können. Offensichtlich fehlt unserem Kneipier der ökonomische Sachverstand eines Ben Bernanke, den dieser wohl am berühmten Massachusetts Institute of Technology oder in Princeton erlangte.

In einem weiteren, wie wir meinen sehr wichtigen und vielleicht schon bald sehr akuten Bereich kann der designierte Notenbankpräsident ebenfalls kein Problem erkennen. Am 27. Oktober 2005 zitierte die Washington Post unseren geldpolitischen Wundermann in spe mit den Worten: "There’s No Housing Bubble to Go Bust". (Es gibt keine Immobilienblase, die platzen könnte.) Da wir das Thema Spekulationsblasen sowohl in unserem Buch als auch in der "Performance" erschöpfend behandelt haben, werden wir dieses Statement nicht näher beleuchten. Die Strategie, das Problem so lange wie möglich einfach zu leugnen, wendete Alan Greenspan hinsichtlich der Aktienblase Ende der 1990er Jahre bereits erfolglos an. Trotz seines hartnäckigen Leugnens verschwand das Problem nicht. Statt dessen tat die Blase genau das, was alle Spekulationsblasen zu tun pflegen: Sie platzte und löste eine Flut von Folgeproblemen aus. Zu diesen rechnen wir auch das anschließende Entstehen der Immobilienblase.

Wir halten es für nicht ganz unwahrscheinlich, dass Bernankes in Erfüllung gegangener Lebenstraum, an der Spitze der Fed zu stehen und seine geldpolitischen Theorien in die Praxis umsetzen zu können, sich in den kommenden Jahren in einen Alptraum verwandeln wird. Überlasst dem Markt, was des Marktes ist. Zumindest auf lange Sicht sitzen die Märkte am längeren Hebel. Wer das nicht glaubt, braucht sich nur die Bilanz kommunistischer Marktabschaffer anzuschauen.


Ein Fazit

Gleich nach seiner Nominierung als neuer Notenbankpräsident sprach Bernanke von geldpolitischer Kontinuität, für die er einstehe. Nach allem, was wir von ihm wissen, sind wir geneigt, ihm zu glauben. Was er Kontinuität nennt, bedeutet die Fortsetzung der von Greenspan durchgezogenen inflationären Politik. Damit bleibt eine Grundvoraussetzung für unsere überaus bullishe Einschätzung der Edelmetall- und Rohstoffmärkte intakt. Wer sich vor den Bernankes dieser Welt schützen möchte, wird speziell am Gold nicht vorbei kommen. An den Aktienmärkten bieten sich langfristig extrem gute Einstiegszeiten allerdings erst am Ende inflationärer Episoden.
Eine Warnung

Als Alan Greenspan 1987 zum Notenbankpräsidenten ernannt wurde, galt er als prinzipienstarker geldpolitische Hardliner. Aus seiner Feder stammen noch heute lesenswerte Artikel, in denen er sich in aller Klarheit mit den Gefahren und verheerenden Folgen inflationärer Geldpolitiken auseinander setzte. Kaum im Amt, wurde er im Oktober 1987 mit einem ungewöhnlich starken Börsenkrach konfrontiert. Er reagierte mit einem beherzten Öffnen der Geldhähne, die er in seiner langen Amtszeit nie wieder schloss. Er entpuppte sich zur Überraschung fast aller Beobachter als Inflationist allererster Güte, der sich einen feuchten Kehricht um seine davor publizierten Schriften scherte.

Da wir im Leben fast alles für möglich halten, dürfen wir einen ähnlich krassen Wandel auch bei Bernanke nicht kategorisch ausschließen. Vielleicht zwingen ihn die Märkte ja dazu, Dinge zu tun, die er heute selbst nicht für möglich hält. Wer weiß.


© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank



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