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Die Last der Schulden

14.10.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Schuldenrückzahlung

Was sind die Folgen, wenn Kredite im Kreditgeldsystem zurückgezahlt werden? Die Geldmenge nimmt ab. Und schrumpft die Geldmenge, so sinken früher oder später auch die Preise. Es kommt zur Deflation. Schuldner können ihren Schulddienst nicht mehr leisten, weil Löhne und Absatzerlöse geringer ausfallen als ursprünglich kalkuliert. Es kommt zu Zahlungsausfällen. Bei einer Rückzahlung der Kreditgeldschulden wäre demnach ebenfalls mit Produktions- und Beschäftigungsverlusten zu rechnen - genau wie in dem Fall, in dem der Zins auf sein "normales" Niveau zurückkehrt und/oder der Kredit- und Geldmengenzufluss abebbt.


Geldmenge vor dem Schrumpfen bewahren

Wenn aber bei einem Schuldabbau das Schrumpfen der Geldmenge das Problem ist - könnten Zentralbanken nicht gegensteuern? Sie können. Sie können die Geldmenge jederzeit in jeder beliebigen Höhe verändern. Man nehme einmal an, Unternehmen und private Haushalte zahlen Bankkredite zurück, und die Geldmenge schrumpft. Die Zentralbanken können daraufhin Wertpapiere auf dem offenen Markt kaufen und die Käufe mit neu geschaffenem Geld bezahlen. So kann die Geldmenge vor dem Schrumpfen bewahrt werden.

Doch kann auch eine Wirtschaftserschütterung vermieden werden? Vermutlich nicht, denn ein Rückführen der Verschuldung geht mit einer Veränderung der Ausgabenstruktur einher: Wie voranstehend bereits angesprochen, wird der Absatz der Produkte, die bislang mit Kredit gekauft wurden, zurückgehen, und die Produktions- und Beschäftigungsstruktur kann nicht aufrecht erhalten werden. Also selbst wenn es gelänge, die Geldmenge vor dem Schrumpfen zu bewahren, käme es voraussichtlich zur Rezession.


Kein schmerzfreier Ausstieg

Wie man es auch drehen und wenden mag, aus einem "Kreditgeldboom" gibt es keinen schmerzfreien Ausstieg. Ein "beautiful deleveraging" ist zwar ein hoffnungsvolles Szenario, es erscheint uns jedoch nicht sehr realistisch, weil es die Tücken des Kreditgeldsystems unterschätzt. Wir wollen daher das Folgende betonen: Je länger der künstliche Kreditboom in Gang gehalten wurde, desto größer werden auch die Fehlentwicklungen sein, die sich in einer Bereinigungsrezession entladen.

Diese Einsicht offenbart die Inflationsgefahr, die mit einem Kreditgeldsystem verbunden ist: In einer wirtschaftlichen und finanziellen "Notlage" wird das Ausweiten der Geldmenge von Regierenden und Regierten nur allzu leicht als die Politik des vergleichsweise geringsten Übels gesehen; die Geschehnisse seit 2008 haben einen Vorgeschmack gegeben. Natürlich lässt sich bei all dem nicht mit Bestimmtheit sagen, wie und in welcher zeitlichen Erstreckung sich die Schuldenkrise weiter entwickeln wird.

Investoren und Sparer sind jedoch auf der Hut und werden die Tücken des Kreditgeldsystems in ihre Anlageentscheidungen systematisch miteinbeziehen. Selbst das "wohlmeinende" Szenario, das Ray Dalio aufzeigt, birgt natürlich erhebliche Verlustrisiken für das herkömmliche Finanzvermögen.


Zum US-Haushaltsstreit

Der US-Haushaltsstreit kann - wenn er andauern und sich verschärfen sollte - auf unterschiedlichen Wegen Einfluss auf das internationale Wirtschafts- und Finanzgeschehen nehmen. Eine Verlangsamung der US-Konjunktur dürfte die Wirtschaftslage in anderen Wirtschaftsräumen negativ beeinflussen. Zudem könnten Vertrauensverluste in die Zahlungsfähigkeit der US-Regierung zu Turbulenzen auf den Finanzmärkten führen. Der Extremfall wäre, wenn die Zahlungsfähigkeit der US-Regierung angezweifelt wird, den Schuldendienst auf die ausstehenden Schulden zu leisten. Dann könnte in der Tat eine Schockwelle durch das Weltfinanzsystem ziehen. Schließlich ruht die internationale Kredit- und Derivatestruktur letztendlich auf US-Staatsschulden.

Auch viele Zentralbanken "decken" ihre heimische Währung mit US-Staatsschulden. Ein Wertverfall der US-Staatsschulden würde vielen Währungen regelrecht ihre Wertbasis entziehen. Ja, nicht nur der US-Dollar, sondern vor allem solche Währungen, die auf dem US-Dollar aufgebaut sind (und das sind im Grunde alle anderen bedeutenden Währungen wie Euro, japanischer Yen, Chinesischer Renminbi etc.), gerieten vermutlich ins Wanken. Der US-Finanzminister nannte bereits den 17. Oktober, an dem die US-Regierung nicht mehr autorisiert wäre, neue Kredite aufzunehmen.

Wir gehen davon aus, dass Demokraten und Republikaner letztlich doch noch (und wenn auch erst in "der letzten Minute") der US-Regierung die angeforderte Finanzierungszustimmung geben wird. Allerdings zeigt diese Episode bereits, wie abhängig die US-Wirtschaft von immer mehr Kredit geworden ist. Eine Entwicklung, die letztlich nicht durchhaltbar ist - und die früher oder später zu großen Problemen führen wird; am Ende kann ein Schuldenschnitt und/oder eine Inflationspolitik stehen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



(1) Siehe hierzu Ray Dalio, Economic Principles, How The Economic Machine Works (2013). Siehe auch seinen Vortrag: Where does the Future of Investments Lie? Ray Dalio on the Japanese & World Economies, 6. September 2013.



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