Auf zur nächsten Spekulationsrunde
27.10.2013 | Manfred Gburek
Europäische Politiker und Medien finden die amerikanischen Lauschangriffe auf Angela Merkel & Co. aus guten Gründen - vor allem, weil sie unter sogenannten "Freunden" stattgefunden haben - skandalös. Dagegen macht man sich in den USA über so viel Aufregung schon wieder lustig, ja die deutsche Kanzlerin wird sogar dafür gescholten, dass sie in Sachen Geheimdienstschnüffelei den amerikanischen Präsidenten angerufen habe. Geht es hier also nur um einen Schlagabtausch unter "Freunden", oder steckt mehr dahinter?
Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, je nachdem, in welchen zeitlichen Dimensionen man die Angelegenheit beurteilt. Auf Sicht von mehreren Jahren mögen die Amerikaner als - noch - einziger Hegemon, also Vorherrscher, gute Gründe haben, alle und alles auszuspionieren, um möglichst lange in der überwiegend auf ihre militärische Macht gestützten Hegemon-Rolle zu bleiben. Dadurch bilden sie, freundlich ausgedrückt, auch einen Schutzschild für Europa, etwa gegen die aus dem Nahen, Mittleren und Fernen Osten drohenden Gefahren.
Doch auf kürzere Sicht sieht manches anders aus. Da gibt es zum Beispiel den nicht aus der Welt zu diskutierenden Verdacht, die Amerikaner betrieben Industriespionage. Oder was Ihnen sicher schon seit Wochen auffällt: Der Dollar tendiert gegenüber dem Euro ziemlich schwach. Das erinnert an so bekannte Sprüche made in USA wie: "Die Amerikaner bekommen den Dollar immer dorthin, wo sie ihn haben wollen." Oder, einst gerichtet an Europa und speziell an Deutschland: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem." Sicher dürfte Ihnen auch aufgefallen sein, dass der Goldpreis seit über einem halben Jahr auf dem Umweg über die Terminbörse Comex in New York immer wieder etwas auf den Deckel bekam, ohne dass es dafür plausible Gründe gab.
Das Fazit aus all dem ist: Der Dollar soll im Interesse amerikanischer Konzerne gegenüber dem Euro schwach tendieren, weil die Konzerne dadurch Wettbewerbsvorteile erlangen. Aber sobald Zweifel an seiner Werthaltigkeit aufkommen, was sich ja unter anderem am steigenden Goldpreis zeigt, wird dieser nach unten manipuliert. Indizien für eine solche These muss man sich zwar mühsam zusammensammeln, ohne den abschließenden Beweis erbringen zu können, aber das ist immer so, wenn es um die Kausalität von Preis- bzw. Kursbewegungen an Börsen geht.
Es ist müßig, darüber zu grübeln, bei welchem Stand sich der Dollar gegenüber dem Euro einpendeln wird, weil das Ergebnis des Miteinanders wie auch des Gegeneinanders von Markt- und Manipulationskräften nur schwer eingeschätzt werden kann. Was den Goldpreis betrifft, geht das etwas einfacher. Denn sobald er wie vom Comex-Blitz getroffen fällt, finden sich ganze Heerscharen von Käufern aus dem Fernen Osten unter Führung der Chinesen, die solche Geschenke dankbar annehmen, indem sie massenweise Gold kaufen. Möglich, dass die Spieler an der Comex angesichts solch potenter Käufer allmählich vorsichtiger werden. Die jüngste Preisentwicklung des Edelmetalls spricht dafür.
Die Tatsache, dass die Amerikaner Europa ausspionieren und nicht einmal vor dem Mobiltelefon der deutschen Kanzlerin Halt gemacht haben, führt zur Frage: Wie sehr fürchten sie sich vor der Wirtschaftsmacht mit dem Zentrum Euroraum sowie den EU- und sonstigen Satelliten drumherum, die dank niedriger Kosten die europäische Konjunktur anheizen? Diese Frage ist allein schon deshalb berechtigt, weil nach dem mehrjährigen Lamento über Griechenland, Portugal, Spanien usw. endlich auch positive Perspektiven zu erkennen sind. Sie sehen konkret wie folgt aus:
Derzeit wird eine europäische Bankenunion gebildet, deren Ziel fürs Erste darin besteht, Banken unter Gläubigerbeteiligung abzuwickeln. Ihr soll die Fiskalunion folgen, zweifellos der dickste Brocken, weil darin ein Reformen fördernder Haushalt für den Euroraum zu integrieren ist. Und weil es noch keine politische Union gibt, nimmt der Europäische Stabilitätsmechanismus, kurz ESM, bis auf Weiteres deren Funktion wahr. Allerdings haben die führenden Gremien des Euroraums die politische Union noch nicht aufgegeben; vielmehr soll sie entstehen, sobald die Euro-Kernländer bereit sind, auf große Teile ihrer Souveränität zu verzichten.
Damit all das klappt, muss die neue Bundesregierung mit Angela Merkel an der Spitze den ganz großen Wurf wagen. Kein Wunder also, dass ihr Mobiltelefon von interessierter amerikanischer Seite angezapft wurde. Und nun? Die Aufregung wird bleiben, doch die Marktkräfte dürften schon in Kürze dafür sorgen, dass zumindest die Börsianer ihr Augenmerk wieder mehr auf das richten werden, was ihnen lieb und teuer ist: die Spekulation. Wenn nämlich wahr werden sollte, was von den Berliner Koalitionsverhandlungen nach außen dringt, kann die neue Bundesregierung wohl erst im Januar mit dem Regieren beginnen. Bis dahin sind der Spekulation Tür und Tor geöffnet.
In deren Mittelpunkt rückt bereits jetzt wieder EZB-Präsident Mario Draghi. Denn er steckt in einem Dilemma, und das haben die Börsianer längst erkannt: Sein Bekenntnis zur Fortsetzung niedriger Zinsen führt dazu, dass sich in den relativ reichen Euroändern Blasen bilden. Demgegenüber haben die ärmeren kaum etwas von niedrigen Zinsen, weil die Kupons für ihre Staatsanleihen das Doppelte bis Dreifache der deutschen ausmachen. Folglich hat der Deutsche Aktienindex Dax am Freitag kurzfristig die Marke von 9000 Punkten übersprungen, und die Spekulation mit Wohnimmobilien in den deutschen Metropolen geht munter weiter.
Solange die EZB den offiziellen Zins auf dem Rekordtief belässt oder ihn sogar nochmals senkt, kann alles so weiter gehen wie bisher. Aber es kann auch ins Gegenteil umschlagen, was wir ja im Sommer an der amerikanischen Börse erlebt haben: Kaum hatte Ben Bernanke, noch Chef der US-Notenbank Fed, die Möglichkeit angedeutet, seine ausufernde Geldschwemme eventuell zu stoppen, schossen die Renditen der US-Staatsanleihen prompt in die Höhe. Bernankes anschließender Rückzieher war dann so gut wie programmiert. Danach begann der Dollar gegenüber dem Euro zu schwächeln.
Ist das bereits der Beginn - oder je nach Perspektive die Fortsetzung - des Abwertungswettlaufs? Ja. Und die Folgen? An den Börsen mehr Turbulenzen als bisher, nicht zuletzt auch ausgelöst durch die amerikanischen Lauschangriffe, außerdem neue Varianten im Abwertungswettlauf, etwa ein kleiner Handelskrieg, und die Erkenntnis, dass Abwertungen auf der einen Seite - in diesem Fall bei den Währungen - Aufwertungen auf der anderen Seite bedeuten. Das dürfte dem Goldpreis und in seinem Gefolge auch dem Silberpreis weiter helfen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Anmerkung Redaktion: Herr Gburek ist Moderator auf der diesjährigen Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse, die am 8. & 9. November in München stattfindet.
Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, je nachdem, in welchen zeitlichen Dimensionen man die Angelegenheit beurteilt. Auf Sicht von mehreren Jahren mögen die Amerikaner als - noch - einziger Hegemon, also Vorherrscher, gute Gründe haben, alle und alles auszuspionieren, um möglichst lange in der überwiegend auf ihre militärische Macht gestützten Hegemon-Rolle zu bleiben. Dadurch bilden sie, freundlich ausgedrückt, auch einen Schutzschild für Europa, etwa gegen die aus dem Nahen, Mittleren und Fernen Osten drohenden Gefahren.
Doch auf kürzere Sicht sieht manches anders aus. Da gibt es zum Beispiel den nicht aus der Welt zu diskutierenden Verdacht, die Amerikaner betrieben Industriespionage. Oder was Ihnen sicher schon seit Wochen auffällt: Der Dollar tendiert gegenüber dem Euro ziemlich schwach. Das erinnert an so bekannte Sprüche made in USA wie: "Die Amerikaner bekommen den Dollar immer dorthin, wo sie ihn haben wollen." Oder, einst gerichtet an Europa und speziell an Deutschland: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem." Sicher dürfte Ihnen auch aufgefallen sein, dass der Goldpreis seit über einem halben Jahr auf dem Umweg über die Terminbörse Comex in New York immer wieder etwas auf den Deckel bekam, ohne dass es dafür plausible Gründe gab.
Das Fazit aus all dem ist: Der Dollar soll im Interesse amerikanischer Konzerne gegenüber dem Euro schwach tendieren, weil die Konzerne dadurch Wettbewerbsvorteile erlangen. Aber sobald Zweifel an seiner Werthaltigkeit aufkommen, was sich ja unter anderem am steigenden Goldpreis zeigt, wird dieser nach unten manipuliert. Indizien für eine solche These muss man sich zwar mühsam zusammensammeln, ohne den abschließenden Beweis erbringen zu können, aber das ist immer so, wenn es um die Kausalität von Preis- bzw. Kursbewegungen an Börsen geht.
Es ist müßig, darüber zu grübeln, bei welchem Stand sich der Dollar gegenüber dem Euro einpendeln wird, weil das Ergebnis des Miteinanders wie auch des Gegeneinanders von Markt- und Manipulationskräften nur schwer eingeschätzt werden kann. Was den Goldpreis betrifft, geht das etwas einfacher. Denn sobald er wie vom Comex-Blitz getroffen fällt, finden sich ganze Heerscharen von Käufern aus dem Fernen Osten unter Führung der Chinesen, die solche Geschenke dankbar annehmen, indem sie massenweise Gold kaufen. Möglich, dass die Spieler an der Comex angesichts solch potenter Käufer allmählich vorsichtiger werden. Die jüngste Preisentwicklung des Edelmetalls spricht dafür.
Die Tatsache, dass die Amerikaner Europa ausspionieren und nicht einmal vor dem Mobiltelefon der deutschen Kanzlerin Halt gemacht haben, führt zur Frage: Wie sehr fürchten sie sich vor der Wirtschaftsmacht mit dem Zentrum Euroraum sowie den EU- und sonstigen Satelliten drumherum, die dank niedriger Kosten die europäische Konjunktur anheizen? Diese Frage ist allein schon deshalb berechtigt, weil nach dem mehrjährigen Lamento über Griechenland, Portugal, Spanien usw. endlich auch positive Perspektiven zu erkennen sind. Sie sehen konkret wie folgt aus:
Derzeit wird eine europäische Bankenunion gebildet, deren Ziel fürs Erste darin besteht, Banken unter Gläubigerbeteiligung abzuwickeln. Ihr soll die Fiskalunion folgen, zweifellos der dickste Brocken, weil darin ein Reformen fördernder Haushalt für den Euroraum zu integrieren ist. Und weil es noch keine politische Union gibt, nimmt der Europäische Stabilitätsmechanismus, kurz ESM, bis auf Weiteres deren Funktion wahr. Allerdings haben die führenden Gremien des Euroraums die politische Union noch nicht aufgegeben; vielmehr soll sie entstehen, sobald die Euro-Kernländer bereit sind, auf große Teile ihrer Souveränität zu verzichten.
Damit all das klappt, muss die neue Bundesregierung mit Angela Merkel an der Spitze den ganz großen Wurf wagen. Kein Wunder also, dass ihr Mobiltelefon von interessierter amerikanischer Seite angezapft wurde. Und nun? Die Aufregung wird bleiben, doch die Marktkräfte dürften schon in Kürze dafür sorgen, dass zumindest die Börsianer ihr Augenmerk wieder mehr auf das richten werden, was ihnen lieb und teuer ist: die Spekulation. Wenn nämlich wahr werden sollte, was von den Berliner Koalitionsverhandlungen nach außen dringt, kann die neue Bundesregierung wohl erst im Januar mit dem Regieren beginnen. Bis dahin sind der Spekulation Tür und Tor geöffnet.
In deren Mittelpunkt rückt bereits jetzt wieder EZB-Präsident Mario Draghi. Denn er steckt in einem Dilemma, und das haben die Börsianer längst erkannt: Sein Bekenntnis zur Fortsetzung niedriger Zinsen führt dazu, dass sich in den relativ reichen Euroändern Blasen bilden. Demgegenüber haben die ärmeren kaum etwas von niedrigen Zinsen, weil die Kupons für ihre Staatsanleihen das Doppelte bis Dreifache der deutschen ausmachen. Folglich hat der Deutsche Aktienindex Dax am Freitag kurzfristig die Marke von 9000 Punkten übersprungen, und die Spekulation mit Wohnimmobilien in den deutschen Metropolen geht munter weiter.
Solange die EZB den offiziellen Zins auf dem Rekordtief belässt oder ihn sogar nochmals senkt, kann alles so weiter gehen wie bisher. Aber es kann auch ins Gegenteil umschlagen, was wir ja im Sommer an der amerikanischen Börse erlebt haben: Kaum hatte Ben Bernanke, noch Chef der US-Notenbank Fed, die Möglichkeit angedeutet, seine ausufernde Geldschwemme eventuell zu stoppen, schossen die Renditen der US-Staatsanleihen prompt in die Höhe. Bernankes anschließender Rückzieher war dann so gut wie programmiert. Danach begann der Dollar gegenüber dem Euro zu schwächeln.
Ist das bereits der Beginn - oder je nach Perspektive die Fortsetzung - des Abwertungswettlaufs? Ja. Und die Folgen? An den Börsen mehr Turbulenzen als bisher, nicht zuletzt auch ausgelöst durch die amerikanischen Lauschangriffe, außerdem neue Varianten im Abwertungswettlauf, etwa ein kleiner Handelskrieg, und die Erkenntnis, dass Abwertungen auf der einen Seite - in diesem Fall bei den Währungen - Aufwertungen auf der anderen Seite bedeuten. Das dürfte dem Goldpreis und in seinem Gefolge auch dem Silberpreis weiter helfen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Anmerkung Redaktion: Herr Gburek ist Moderator auf der diesjährigen Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse, die am 8. & 9. November in München stattfindet.