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Die Tücken des inflationären Geldes

22.11.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
"Lässt sich Inflation noch vermeiden?", so fragte Friedrich August von Hayek (1899 - 1992) in seinem Beitrag aus dem Jahr 1970. Vermutlich hatte er große Zweifel daran, dass die Antwort "Ja" sein würde. Sein Zweifel wäre begründet gewesen. Die Inflation wurde nämlich nicht vermieden. Zu Beginn der 70er und der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts kam es in nahezu allen westlichen Volkswirtschaften zu einem drastischen Ansteigen der Inflation.

Dabei war Hayeks Frage "Lässt sich Inflation noch vermeiden?" eigentlich rein rhetorischer Natur. Schließlich bestand für ihn - wie für alle Vertreter der "Österreichischen Schule" der Ökonomik und übrigens später auch des Monetarismus - keinerlei Zweifel daran, dass Inflation stets und überall ein monetäres Phänomen ist.

Und um Inflation im staatlichen Papiergeld zu stoppen, so folgerte Hayek, bedarf es lediglich einer Zentralbank, die damit aufhört, die Geldmenge unablässig zu erhöhen.

Hayek sah jedoch, dass das Beenden der Inflation weniger ein "technisches", sondern vielmehr ein politisches Problem sei. Denn ist die Inflation erst einmal in Gang gekommen, meinen viele Mitglieder der Gesellschaft - Private, Unternehmen und Regierungen -, dass es in ihrem Interesse ist, dass sich die Inflation fortsetzt. Das Tückische an der Inflation ist nämlich, dass sie kurzfristig durchaus zu augenscheinlich guten Ergebnissen führen kann, während die zerstörerischen Kräfte der Inflation meist erst viel später, dann aber umso gewaltiger in Erscheinung treten.

So geht ein Konjunkturaufschwung, der durch eine Geldmengenausweitung angeheizt wird, zunächst mit Produktions- und Beschäftigungsgewinnen einher. Die Wirtschaft scheint zu prosperieren. Arbeitsplätze werden geschaffen, gesellschaftliche Verteilungskämpfe werden entschärft, schließlich scheint ja Überfluss zu herrschen. Die Stimmungslage steigt. Das wirtschaftliche und politische Interesse an der Inflation kann so groß werden, dass sich das Kollektiv sogar auf einen Pfad einer sich immer weiter beschleunigenden Inflation einlässt.

Doch der mit einer Geldmengenexpansion angezettelte Aufschwung basiert auf einer Illusion. Eine zusätzliche Geldmenge macht die Volkswirtschaft nicht reicher. Sie erhöht lediglich die Preise unterschiedlicher Güter und Dienstleistungen unterschiedlich stark und das zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Das wiederum nährt die Hoffnung auf attraktive Investitions- und Gewinnmöglichkeiten, eine Hoffnung, die aber die knappen Ressourcen bei unveränderten Preisen gar nicht hergeben. Es bedarf immer höherer Dosen der Geldausweitung, damit die Inflation stimulierend bleibt.

Sobald die erwarteten Preissteigerungen nicht übertroffen werden, oderwenn Inflation gar geringer ausfällt als allgemein erwartet, werden Investitionen, die in der Erwartung auf künftig weiter steigende Preise getätigt wurden, unrentabel. Meist kommt es zunächst nur vereinzelt zu Produktions- und Einkommensausfällen, dann jedoch ziehen Fehlinvestitionen und Arbeitsplatzverluste immer weitere Kreise und bringen schließlich das ganze Konjunkturgebäude ins Wanken.

Eine aufkeimende Furcht vor einem Abschwung provoziert Rufe in der Öffentlichkeit, die Zentralbank solle die Zinsen senken. Niedrige Zinskosten würden die Investitions- und Ausgabenneigung beleben und die Wirtschaft auf Wachstumskurs bringen, so die herrschende Meinung. Die Geldpolitiker in den Zentralbanken widersetzen sich dem Willen der Massen nicht, und früher oder später lenken sie ein, senken die Zinsen und erhöhen so die Geldmenge. In jüngster Zeit vor allem wohl auch deswegen, weil die Inflation meist nicht mehr als eine solche wahrgenommen wird.

Inflation scheint mittlerweile zu einem akzeptierten und vielfach sogar begrüßten Phänomen geworden zu sein. Die Inflation, für die die Zentralbanken mit dem markanten Ausweiten der Geldmengen gesorgt haben, zeigt sich derzeit vor allem in den Preisen der Vermögensgüter wie zum Beispiel Aktien, Häuser und Grundstücke, bislang jedoch weniger in der Inflation der Konsumentenpreise. Das Wohl und Wehe der Volkswirtschaften hängt damit am Fortführen und Beschleunigen des Inflationstrends in den Vermögensmärken. Schon das kleinste Anzeichen, dass der Preissteigerungspfad sich verlangsamen oder gar umkehren könne, provoziert hohen politischen Druck auf die Zentralbank, die Geldmengen noch weiter auszudehnen.

Dies mag auch erklären, warum die aktuelle Krise in den Kreditmärkten und die damit einhergehende Sorge vor einer Beschädigung der Bankbilanzen so ausprägt ist: Geld wird durch Kreditgewährung der Banken geschöpft. Schwindet die Fähigkeit und Willigkeit der Banken, Kredite zu vergeben, weil etwa ihr Eigenkapital durch Verluste aufgezehrt wird, würde dies unweigerlich zu einem Abschwächen des Geldmengenwachstums und damit auch der Inflation führen.

Doch nicht etwa Deflation, sondern Inflation ist die Gefahr, die unter einem Papiergeldregime dem wirtschaftlichen und politischen Wohlergehen droht. Währungsgeschichtlich erwies sich die gefürchtete "schlechte" Deflation meist als Folgeerscheinung einer vorangegangenen Inflation. Würde die Sorge vor Deflation um sich greifen - etwa als Folge eine Kreditkrise -, wäre absehbar, dass die Notenbank schnell die Notenpresse anschmeißt, die Geldmenge erhöht und so inflationiert.

Wenn die Inflation nun schon lange angedauert hat, und der Aufbau der wirtschaftlichen Strukturen - Arbeitsplätze, Investitionen und Staatsausgaben - von ihr maßgeblich beeinflusst wurde, wird das Beenden der Inflation teuer in Form von Produktions- und Beschäftigungsverlusten. Und daher ist es verständlich, dass alle Betroffenen alles versuchen werden, den Kosten zu entkommen - durch niedrigere Zinsen und noch mehr Geld.

Doch solche Versuche können die Anpassungskrise nur hinauszögern, und dies zum Preis steigender Kosten der Bereinigung. Ein Hauptschaden, den die Inflation anrichtet, ist nämlich die Verzerrung der gesamten Wirtschaftsstruktur. Inflation lässt immer mehr Arbeitsplätze entstehen, die von der Fortdauer oder gar Beschleunigung der Inflation abhängen. Sie kann jedoch nicht endlos fortdauern, weil eine steigende Inflation früher oder später das Wirtschaftsleben in völlige Unordnung bringt.

Vor dem Hintergrund von Hayeks Befürchtungen sähe es schlecht aus für den Geldwert, wenn nicht Inflation, sondern der Konjunkturabschwung als die größere Gefahr gesehen wird, der die Geldpolitik entgegen treten müsse; wenn der breiten Öffentlichkeit das Verständnis, was Inflation tatsächlich ist, abhandengekommen ist; und wenn die Zentralbanken die Kredit- und Geldmengen nicht mehr im Zaume halten. Dann könnte sich Hayeks Sorge ein weiteres Mal bewahren: Die Inflation ließe sich vermeiden, sie wird aber nicht vermieden.

Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form am 24. Dezember 2007 auf www.wirtschaftlichefreiheit.de veröffentlicht.


Achtung: Schuldenschnitt

Die Volkswirte des Internationalen Währungsfonds (IWF) schlagen vor, Sparer mittels einer "einmaligen Kapitalabgabe" an den Kosten der Euro-Schuldenkrise teilhaben zu lassen. Eine einmalige Abgabe von etwa zehn Prozent auf das Netto-Vermögen der privaten Euro-Sparer wäre erforderlich, um die Staatsschulden im Euroraum auf das Vorkrisen-Niveau zu-rückzustutzen. Für jeden (immer noch) gutgläubigen Sparer sollte das ein Alarmsignal sein: Solcherart Überlegungen zei-gen, dass das herkömmliche Finanzvermögen vor dem Zugriff des Staates nicht mehr sicher ist. Bislang haben Regierun-gen und Zentralbanken zu Maßnahmen gegriffen, die die Schuldenpyramide vor dem Einsturz bewahren sollten. Das war der erste Schritt, auf den bald ein zweiter folgen wird: die Reduzierung der ausstehenden Schulden. Dies kann auf ver-schiedenen Wege erfolgen: Steuererhöhungen, Schuldenrestrukturierungen und -schnitte und Inflation; und vermutlich läuft es auf eine Mischung aus allen Maßnahmen hinaus.

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Quelle: IWF, Fiscal Monitor, Oktober 2013, S. 49


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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