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Vor 90 Jahren: Das Ende der deutschen Hyperinflation

15.11.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Reichskanzler Gustav Stresemann (1878 - 1929) hatte den "Ruhrkampf" bereits am 26. September 1923 beendet. Angesichts der untragbaren Situation begann die Regierung mit der "Stabilisierung" der Währung. Am 15. Oktober 1923 wurde die "Deutsche Rentenbank" gegründet. Sie sollte Rentenmark ausgeben, die durch (im Grunde fiktive) Hypotheken- und Grundschulden auf Immobilien von Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe im deutschen Reich gedeckt war. Die Rentenmark hatte, anders als die Papiermark, eine sachliche Deckung. Die Rentenmark war kein gesetzliches Zahlungsmittel, sie war eine Inhaberschuldverschreibung. Ihr wurde der Wert einer Goldmark zugewiesen. Dieser Wert rührte aus dem Versprechen der Rentenbank, dass der Halter von 500 Rentenmark sie jederzeit in eine Anleihe mit einem Wert von 500 Goldmark eintauschen könne.

Das zentrale Problem war nun die Reichsbank. Ihr unkündbarer Präsident Rudolf E. A. Havenstein (1857 - 1923) war im wahrsten Sinne des Wortes nicht zu stoppen: Er ließ angesichts der Finanzierungsprobleme des Reiches die Reichsbank immer mehr Papiermark in Umlauf bringen. Endlich, am 15. November 1923, hörte die Reichsbank auf, Staatsschulden aufzukaufen und dadurch die Geldmenge auszuweiten. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass eine Billion Papiermark einer Rentenmark entsprachen. Am 20. November 1923 verstarb Havenstein plötzlich an Herzversagen.

Und an genau diesem Tag schreitet Hjalmar Schacht (1877 - 1970), der bereits am 12. November 1923 von Stresemann zum Währungskommissar bestellt worden war und am 22. Dezember 1923 zum Reichsbankpräsidenten ernannt werden sollte, zur Tat. Er stabilisierte die Papiermark gegenüber dem US-Dollar: Die Reichsbank intervenierte in den Devisenmärkten, setzte durch, dass 4,2 Billionen Papiermark einem US-Dollar entsprachen. Und da eine Billion Papiermark einer Rentenmark gleichgesetzt waren, betrug nun das Austauschverhältnis zwischen Rentenmark zu US-Dollar 4,2. Also galt genau die Wertrelation wieder, die vor Ausbruch des Krieges zwischen Reichsmark und US-Dollar gegolten hatte. Das "Wunder der Rentenmark" ist zugleich das Ende der Hyperinflation. Um die internationale Glaubwürdigkeit des deutschen Geldes wiederherzustellen, waren allerdings weitere Maßnahmen notwendig wie zum Beispiel die Gründung der "Golddiskontbank" mit Hilfe britischer Kredite im April 1924.

Wie konnte es dazu kommen, dass das Geld eines hoch entwickelten und kultivierten Gemeinwesens vollends zerstört wurde? Viele Erklärungen sind vorgebracht worden. So seien es die Reparationszahlungen gewesen, die dem Deutsche Reich auferlegt wurden; auch wird häufig auf die Zahlungsbilanzdefizite der Weimarer Republik verwiesen oder auf die Abwertung der Reichsmark gegenüber anderen Währungen, die die Importpreise für die Deutschen und damit auch die heimischen Preise in die Höhe getrieben und den Geldwert zerstört hätten. Doch all diese Erklärungen laufen ins Leere, wie der deutsche Ökonom Hans F. Sennholz (1922 - 2007) unmissverständlich aufzeigt. Denn jede Papiermark, so Sennholz, wurde von Deutschen gedruckt und ausgegeben, und zwar von einer Zentralbank, die geführt wurde von Deutschen, und die unter der Aufsicht einer Regierung von deutschen Politikern stand. Die Hyperinflation, die Zerstö-rung des deutschen Geldes, war das Werk deutscher Politiker und Technokraten. Sie war die Folge einer bewusst, von Menschenhand herbeigeführten grenzenlosen Geldmengenvermehrung.

Was sind die Lehren, die aus der deutschen Hyperinflation zu ziehen sind? Die erste Lehre ist, dass selbst eine politisch unabhängige Zentralbank keinen verlässlichen Schutz vor Geldwertzerstörung bietet. Die Reichsbank wurde per Gesetz bereits im Jahr 1922 - und zwar auf Drängen der Alliierten, quasi als Gegenleistung für eine vorübergehende Aussetzung der Reparationszahlungen - politisch unabhängig gemacht. Und dennoch wählte die Reichsbankführung den Weg in die Hyperinflation. Als die Geldpolitiker der Reichsbank nämlich sahen, dass die junge demokratische Republik immer stärker auf Reichsbankkredite zurückgreifen musste, um nicht zahlungsunfähig zu werden, gab sie, weil es sich aus Sicht der Zentralbankführung um eine Existenzfrage des deutschen Reiches handelte, immer mehr Geld aus, um die letztlich leider unstillbaren Finanzansprüche der (Tages-)Politiker zu erfüllen. Das Ergebnis der Staatstreue der Zentralbankräte war die totale Zerstörung der Reichs- beziehungsweis Papiermark.

Die zweite Lehre ist, dass ungedecktes Papiergeld nicht funktionieren kann. Hjalmar Schacht, in seiner 1953 erschienen Autobiographie, deutet diese Erkenntnis an: "Die Banknote oder das Staatspapiergeld haben sich nur dadurch einführen können, daß der Staat oder die Notenbank versprachen, den ausgegebenen Papiergeldschein jederzeit in Gold umzutauschen. Diese Möglichkeit der Einlösung in Gold jederzeit sicherzustellen, muss also das Bestreben aller Papiergeldherausgeber sein. Ein Staat oder eine Notenbank, die diese Möglichkeit durch Fahrlässigkeit oder Willkür verscherzen, versündigen sich gegen die Staatsbürger." Hinter Schachts Worten versteckt sich letztlich jedoch eine zentrale ökonomische Einsicht: ungedecktes (Papier-)Geld ist politisches Geld, das sich als ein Störfaktor im System der freien Märkte erweist. Dass ungedecktes (Papier-)Geld immer und überall politisiertes Geld ist sich damit als ein Störfaktor im System der freien Märkte erweist. Die Vertreter der "Österreichischen Schule der Nationalökonomie" hatten das bereits frühzeitig, im Grunde bereits 1912, abschließend erkannt und erklärt.

Das Papiergeld, das durch Bankkreditvergabe aus dem Nichts geschaffen wird, ist nicht nur chronisch inflationär, es führt vor allem auch zu Fehlentwicklungen, "Boom-und-Bust"-Zyklen und vor allem einer Überschuldung der Volkswirtschaft. Und ist eine solche Situation erst einmal entstanden, vor allem eine Überschuldung von Staaten und Banken, erscheint das Ausweiten der Geldmenge als die Politik des vergleichbar kleinsten Übels um den aufgelaufenen Problemen zu entkommen. Im Grunde ist der Problemaufriss, denen sich die entwickelten Volkswirtschaften gegenübersehen, nicht viel anders als der in der Weimarer Republik: Heute, angesichts der Überschuldung von Staaten und Banken, ist die Versuchung wieder groß, dass die Drehzahl der - diesmal elektronischen - Notenpresse immer weiter erhöht wird, um den Problemen, die das Papiergeld gebracht hat, zu entkommen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
www.thorsten-polleit.com



Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form in der Börsen-Zeitung bereits am 14. November 2013 veröffentlicht.



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