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Was die Aktienkurse treibt - und warum eine Kurskorrektur fällig ist

01.12.2013  |  Manfred Gburek
Die Rekordjagd der Aktienkurse hat etwas Unheimliches an sich. Jedenfalls für diejenigen, die nicht von ihnen profitieren. Also die weit überwiegende Mehrheit der Deutschen. Politisch eher links orientierte Kreise beklagen sogar die scheinbar schreiende Ungerechtigkeit, wonach die reiche Minderheit der Anleger durch den Kursanstieg noch reicher geworden sei, während die arme Mehrheit mit realen Minuszinsen abgespeist werde. Dabei lassen sie allerdings unter den Tisch fallen, dass in den vergangenen Jahren alle Anleger gleichermaßen die Chance hatten, vom Aktienboom zu profitieren. Zumindest prozentual, aber das ist ja schon mal etwas. Die vermeintliche Ungerechtigkeit entpuppt sich also als dummes Zeug.

Das umso mehr, als die Zahl der Boom-Profiteure mit vier- bis fünfstelligem Einsatz die Zahl der Gewinner mit Anlagen von einer Million Euro an aufwärts um ein Mehrfaches übertreffen dürfte. Dieses Fazit ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass reiche Anleger ihr Vermögen umso breiter streuen, je mehr sie besitzen. Zum anderen - und in erster Linie - daraus, dass sie unter den Aktien solche bevorzugen, die ihnen nicht den Schlaf rauben: Deren Kurse im Zweifel weniger nach oben (und nach unten) ausschlagen, das heißt, sich im Aufwärtstrend unterdurchschnittlich entwickeln. Also Deutsche Telekom statt Deutsche Bank, Nestlé statt Nokia.

Aktienkurse entwickeln sich bekanntlich in mehr oder weniger langen Zyklen aufwärts, zwischenzeitlich unterbrochen von meist kräftigen Abwärtskorrekturen. Der jetzige Aufwärtszyklus in Deutschland und in den USA begann Anfang 2009 und setzte sich nach einer Unterbrechung im Sommer 2011 bis heute fort. Demgegenüber enttäuschten die meisten chinesischen Aktien nach dem kurzen Aufbäumen der Kurse im Jahr 2009, während japanische zunächst überwiegend einen mehrfachen Boden bildeten und erst seit dem vierten Quartal 2012 insgesamt kräftig nach oben schießen.

Im Nachhinein lässt sich vieles davon erklären. Aber wenn ich in meinem Archiv blättere, stelle ich immer wieder fest, dass nur eine verschwindend kleine Minderheit das ganze Ausmaß der Entwicklung seit 2009 rechtzeitig erkannt und bis heute an der positiven Meinung zu Aktien festgehalten hat. Ich gebe zu, nicht zu dieser Minderheit gehört zu haben und nur mit relativ wenigen Aktienkäufen und -verkäufen dabei gewesen zu sein. Diesbezüglich befinde mich in einer Reihe mit bekannten Vermögensverwaltern, Fondsmanagern, Bankern und Analysten. Doch was soll's, jede Fehleinschätzung - auch wenn sie nur einen entgangenen Gewinn und nicht etwa einen Verlust betrifft - sollte auf dem Konto Erfahrung verbucht werden. Erfahrung, die in diesem Fall zwar überwiegend aus frustrierender Beobachtung besteht, sich aber später noch als lehrreich erweisen dürfte.

Wer sich von diesen Zeilen nicht angesprochen fühlt, weil er/sie den bisherigen Aufwärtstrend der Aktien weitgehend ausgeschöpft hat, braucht hier eigentlich nicht mehr weiter zu lesen. Glückwunsch zu Ihren Gewinnen! Auch ich hatte im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte solche Glücksmomente. Das Timing bei den Gewinnmitnahmen scheint dann recht einfach zu sein, weil es auf das Abwägen des restlichen Kurspotenzials mit den Chancen hinausläuft, die anderswo winken.

Doch Vorsicht! Ein einfaches Beispiel: Angenommen, Sie haben sich in diesem Frühjahr für den Aktienverkauf entschieden, weil Ihre Aktien Ihnen schon hoch genug bewertet erschienen, und für den Goldkauf, weil der Preis des Edelmetalls auf ein Zwischentief gefallen war. Im Nachhinein betrachtet, haben Sie damit einen Fehler begangen: Das Timing ist Ihnen zumindest beim Aktienverkauf missglückt; ob auch beim Goldkauf, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Was nun? Ganz einfach: Statt sich über den entgangenen Restgewinn aus Aktien zu ärgern, sollten Sie sich über den realisierten Gewinn freuen. Ansonsten gilt: Frust unterdrücken, die Börsen weiter intensiv verfolgen, für besondere Gelegenheiten genug Cash zur Seite legen und bis auf Weiteres nichts darüber hinaus unternehmen.

Warum? Erst einmal allgemein formuliert: Weil jeder Kurs, der zustande kommt, das Ergebnis sehr vieler Fakten und Meinungen ist. Die wissenschaftliche Erforschung von Kursbestimmungsfaktoren steht immer noch erst am Anfang. Hier ist eine Auswahl: Geld- und Fiskalpolitik, Liquidität, Zinsen, Konjunktur, Inflation, Deflation, Währung, Substanz- oder Ertragsgewichtung durch Großanleger, Anlagealternativen, Gewinnmitnehmen, Kauf- und Verkaufsdruck, politische Trends, Krieg, Technologiesprünge, Gesetze, Steuern, Herdentrott, Manipulation, Gier, Angst.

Und nun konkret: Während jeder Börsenphase gibt es Fakten und Meinungen, die sich im Lauf der Zeit als ausschlaggebende Faktoren für die Kursentwicklung erweisen. Was speziell die deutschen Aktienkurse seit Sommer 2012 nach oben getrieben hat, ist aus heutiger leicht zu erklären: In erster Linie das Versprechen von EZB-Präsident Mario Draghi, alles Denkbare wie auch Undenkbare zu unternehmen, damit die europäische Schulden- und Bankenpyramide nicht zusammenkracht. Also eine Absichtserklärung zur kommenden Geldpolitik, die danach tatsächlich in einen riesigen Liquiditätsstrom einschließlich drastisch sinkender Leitzinsen mündete und vorerst weiter zu münden verspricht, gekoppelt mit finanzieller Repression, also kalter Enteignung der Besitzer von Geldvermögen. Aber war das alles auch schon im Sommer 2012 zu erklären? Wenn ja, dann auf keinen Fall in dem zutage getretenen Ausmaß.

Gehen wir einen Schritt weiter und fragen wir uns, welche Kursbestimmungsfaktoren in nächster Zeit ausschlaggebend sein könnten. Da ist an erster Stelle wieder die expansive Geldpolitik mit ihrer die Liquidität erhöhenden und das Zinsniveau senkenden Wirkung zu nennen. Allerdings abgeschwächt, weil sie den Aktienkursen bereits einen solchen Schub gegeben hat, dass ihre stimulierende Wirkung auf dem aktuellen Kursniveau nachlässt. Unter den übrigen erwähnten Faktoren kommen im Prinzip zwar alle infrage, aber auf drei von ihnen sei hier besonders hingewiesen: Anlagealternativen, Gewinnmitnahmen und politische Trends einschließlich Krieg.

Warum gerade diese drei? Zugegeben, die Aufzählung ist spekulativ. Doch die Erwartung steigender Aktienkurse nach Draghis Versprechen war ja nicht minder spekulativ. Als Alternativen zu den gängigen Aktien bieten sich Gold, Silber und Edelmetallaktien an, weil beide Edelmetalle umso mehr favorisiert sein werden, je stärker den Groß- und Kleinanlegern ins Bewusstsein rückt, dass sie mit ihren Anlagen auf Konten und in Anleihen negative Realzinsen schlucken müssen. Das Volumen der Gewinnmitnahmen steigt mit den Aktienkursen. Diese können weiter steigen oder abwärts reagieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in absehbarer Zeit unter Gewinnmitnahmen leiden werden, wächst mit den für sie ungünstigen politischen Trends. Dazu sei hier nur die Eskalation des Konflikts zwischen China und Japan im ostchinesischen Meer genannt. Dass China zuvor massiv Gold gekauft hat und wahrscheinlich auch weiterhin kaufen wird, spricht schließlich für das Edelmetall als Alternative oder zumindest als Ergänzung zu Aktien.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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