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An der Börse wird nicht geklingelt, auch nicht für Gold und Silber

29.12.2013  |  Manfred Gburek
In den nächsten Wochen wird es an den Börsen einige Überraschungen geben. Das vorherzusagen, erfordert keine prophetischen Gaben, denn es liegt an einem wiederkehrenden Phänomen: Die meisten Großanleger schließen zum Jahresende ihre Bücher; nur eine Minderheit bevorzugt dafür das Ende eines Quartals. Die Momentaufnahme ihrer Bestände an Aktien, Anleihen, Edelmetallen, Rohstoffen, Derivaten, Cash und was sie sonst noch in ihren Portfolios verwahren wird dann über kurz oder lang für alle sichtbar. Sind zum Beispiel, wie 2013 geschehen, Aktien gut gelaufen, macht es auf die Kunden der Großanleger einen entsprechenden Eindruck, wenn die Portfolios mit Aktien vollgestopft sind, am besten mit den Jahressiegern.

Umgekehrt dürfte der Eindruck alles andere als gut sein, falls ein hoher Anteil an Edelmetallen oder Rohstoffen und ihren Aktien ausgewiesen wird, die 2013 bekanntlich enttäuschend abgeschnitten haben. Also haben sich Portfoliomanager in den vergangenen Wochen von Restbeständen getrennt, die etwas mit Edelmetallen oder Rohstoffen zu tun haben, und reichlich mit gängigen Aktien versorgt. Das gehört zum Window Dressing und birgt nach der Jahreswende umso mehr positives Überraschungspotenzial, je radikaler die Manager vorgegangen sind. Denn auf einmal wird eine potente Verkäufergruppe ausbleiben. Dann bedarf es erfahrungsgemäß nur einer kleinen Initialzündung, und schon erholen sich die Preise der 2013 verschmähten Edelmetallanlagen.

Ob sie danach ohne Unterbrechung weiter steigen oder einen erneuten Anlauf benötigen werden, muss sich erst noch zeigen. Jedenfalls werden im Lauf der anschließenden Entwicklung immer mehr Anleger - institutionelle wie private - nach und nach zu der Überzeugung kommen, es handle sich um die Fortsetzung des 2001 begonnenen und von 2011 bis 2013 unterbrochenen Megatrends der Edelmetalle. Wenn dann 2015 oder 2016 bei Goldpreisen zwischen 2500 und 3000 Dollar und Silberpreisen nahe 100 Dollar die meisten Anleger Edelmetallanlagen besitzen und Portfoliomanager Window Dressing zu deren Gunsten betreiben werden, sollten Sie sich erst von Gold- und Silberaktien und kurz darauf zumindest von einem Teil Ihrer Edelmetallbestände trennen.

Was Sie gerade gelesen haben, ist keine Prognose, sondern eine Arbeitshypothese. Sie geht davon aus, dass die Inflation schneller kommen wird als allgemein erwartet und dass Anleger dies zeitlich vorwegnehmen dürften. An der Börse wird nicht geklingelt, lautet ein bekannter Spruch. In diesem Fall trifft er ganz besonders zu.

Doch wie das mit Hypothesen so ist: Sie müssen immer wieder überprüft und gegebenenfalls der Entwicklung angepasst werden. Die hier beschriebene besteht aus einer zeitlichen und einer quantitativen Komponente. Die erste bedeutet: Der für die Jahre 2015 bis 2016 angepeilte Gipfel der Edelmetallpreise kann sich zeitlich leicht nach vorn oder nach hinten verschieben. Und die zweite bedeutet: Die Ziele für die Preise von Gold und Silber dürften eher über- als unterschritten werden, weil die Inflation nicht mehr zu stoppen sein wird, sobald sie virulent geworden ist.

Kritiker dürften jetzt einwenden: Arbeitshypothese schön und gut, aber wie werden sich Anleger verhalten, wenn die Zinsen im Zuge der Inflationierung steigen und dadurch zu einer möglicherweise ernsten Gefahr für Edelmetallanlagen werden? Oder konkret gefragt: Wenn sich die Realzinsen, also die Differenz zwischen Nominalzinsen und Inflationsrate, über einen längeren Zeitraum positiv entwickeln, wofür taugen dann noch Gold und Silber? Und Aktienfans unter den Kritikern werden wahrscheinlich wie gehabt darauf hinweisen, im Gegensatz zu Aktien handle es sich bei den Edelmetallen weitgehend um totes Kapital.

Der Einwand mit den Zinsen ist in erster Linie auf die aktuelle Entwicklung amerikanischer Staatsanleihen (Treasuries) zurückzuführen, deren Renditen bei zehnjährigen wie auch bei noch längeren Laufzeiten über der offiziellen Inflationsrate liegen. Das bedeutet: Die Staatsanleihen werfen eine positive reale Rendite ab, wohingegen die Rendite von Gold und Silber null Prozent beträgt. Damit verknüpft ist die Erwartung, dass es auch auf absehbare Zeit so bleibt.

Die nominalen Renditen der Staatsanleihen sind in dem Maß gestiegen, wie deren Kurse gefallen sind. Das rüttelt zwar nicht an der Tatsache, dass die Staatsanleihen aktuell im Gegensatz zu den Edelmetallen real positive Renditen abwerfen. Aber wenn wir uns in die Lage von Anlegern versetzen, die ihre Staatsanleihen schon vor deren Kursrückgang gekauft haben, kommen wir zum Ergebnis, dass ihnen unter dem Strich nur eine Gesamtrendite von etwa plus/minus null übrig bleibt. Also ziemlich genau das, was ihnen Edelmetalle bringen, nämlich nichts - vorausgesetzt, deren Preise bewegen sich nicht von der Stelle.

Nun noch zum Thema Erwartungen. Anleger können mit steigenden, fallenden oder stagnierenden nominalen Renditen der Staatsanleihen rechnen. Im ersten Fall erwarten sie zwangsläufig auch fallende Kurse, folglich plus/minus null - nicht gerade eine Einladung zum Kauf. Im zweiten Fall setzen sie auf Kursgewinne und pfeifen auf Renditen. Solche Kursgewinne sind wegen der nach drei Jahrzehnten Abwärtstrend auf sehr niedrigem Niveau verharrenden nominalen Renditen allerdings von vornherein begrenzt, also auch nicht unbedingt eine Einladung zum Kauf. Die Alternative mit den stagnierenden Renditen schließlich liegt zwischen den beiden Extremen. Bei diesen Betrachtungen ist sogar außen vor geblieben, dass Staatsanleihen beliebig vermehrbares Papiergeld sind, während Gold und Silber nur begrenzt zur Verfügung stehen. Auf lange Sicht steigt der Goldpreis mit der Geldmenge; der Silberpreis folgt ihm zumindest im Trend.

Anlegergruppen, die Staatsanleihen bevorzugen, weil diese - wenn auch noch so geringe - nominale Renditen bringen, unterscheiden sich so gut wie total von Gold- und Silberanlegern. Deren Motiv besteht entweder in der Absicherung gegen den Wertverfall des Papiergeldes oder in der Spekulation auf steigende Preise (was aber zumindest langfristig identisch ist). Insofern ist der zuletzt viel diskutierte angebliche Zusammenhang zwischen steigenden nominalen Renditen amerikanischer Staatsanleihen und der Entwicklung des Goldpreises zum Großteil an den Haaren herbeigezogen.

Anders verhält es sich dagegen beim Vergleich der Edelmetalle mit Aktien, die in den beiden vergangenen Jahren eine beeindruckende Performance hingelegt haben. Hier herrscht in der Tat eine gewisse Konkurrenz. Sie hat sich darin bemerkbar gemacht, dass Gold und Silber als Substanzwerte in eben diesen beiden Jahren von Anlegern total vernachlässigt wurden, während Aktien als Substanz- und gleichzeitig Ertragswerte (wegen ihrer Dividendenrendite) neue Höchstkurse erzielten. Die gegenläufige Entwicklung war in dem hohen Ausmaß nicht vorhersehbar, zumal es in der Vergangenheit häufig auch Phasen mit gleichlaufender Entwicklung gab. Von daher müssten Gold und Silber gerade jetzt einen recht hohen Nachholbedarf haben. Dies umso mehr, als Aktien zunehmend unter Gewinnmitnahmen leiden dürften, zumal ihre Dividendenrenditen im Zuge der Kursgewinne erheblich abgeschmolzen sind.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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