Bankenaufsicht: Kontrolleure außer Kontrolle
12.01.2014 | Manfred Gburek
In meinem heutigen Beitrag beschäftige ich mich fast ausschließlich mit der europäischen Bankenkrise und -kontrolle, ihren merkwürdigen Begleiterscheinungen und wahrscheinlichen Folgen. Womöglich sind Sie dieses Themas längst überdrüssig. Doch halt, es hat allein schon durch die Entscheidung, in Frankfurt am Main die europäische Bankenaufsicht zu etablieren, an Zündstoff gewonnen.
Man stelle sich nur vor, da sollen nach aktuellen Hochrechnungen schätzungsweise vom Herbst dieses Jahres an etwa 130 - zum Teil solide, zum Teil mit allerlei Problemen behaftete, zum Teil sogar marode - Banken aus dem Euroraum auf ihre Überlebensfähigkeit geprüft werden. Hinzu können auf Antrag Banken aus EU-Ländern kommen, die nicht zum Euroraum gehören. Allein schon dadurch, man denke etwa an den außerhalb des Euroraums agierenden bedeutenden Finanzplatz London, können sich Komplikationen ergeben, über deren Ausmaß wir im Lauf der nächsten Jahre ständig etwas Neues erfahren werden - mit erheblichen Konsequenzen auch für Ihre ganz persönliche Geldanlage.
Aber nun der Reihe nach. Noch zehn Jahre, so lange werde es dauern, bis die Schuldenkrise der Staaten aufgearbeitet sei. Das ist eine gewichtige Aussage, zumal sie aus dem erst kürzlich geführten Handelsblatt-Interview mit Friedrich von Metzler stammt, einem der wenigen noch verbliebenen aktiven Bankiers der alten Schule. Was bedeutet seine Aussage? Ganz einfach: Dass wir sehr weit davon entfernt sind, die Staatsschulden in den Griff zu bekommen. Und weil es immer zwei Seiten gibt, wenn es sich um Schulden handelt, nämlich neben den Schuldnern auch die Gläubiger, ist davon auszugehen, dass die Krise der Gläubiger, sprich Banken, ebenfalls noch zehn Jahre anhalten wird. Insofern erscheint eine europäische Bankenaufsicht sinnvoll.
Indes, der Teufel steckt im Detail. Deshalb habe ich für Recherchen Frankfurt zu meiner Lieblingsstadt auserkoren, weil einem hier im flächenmäßig kleinen Bankenviertel die Informanten geradezu auf offener Straße begegnen. Man höre und staune: Die Bankenaufsicht soll aus der für den Eurorum zuständigen Europäischen Zentralbank, kurz EZB genannt, aus den national zuständigen Behörden der EU-Länder (also auch der nicht zum Euroraum gehörenden) und aus Behörden solcher Länder bestehen, die laut EZB "eine andere Währung besitzen, sich aber zur engen Zusammenarbeit mit dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus entschlossen haben".
Die EZB will dafür sorgen, "dass der einheitliche Aufsichtsmechanismus effektiv und konsistent funktioniert". Dazu stelle ich mir vor, wie zwei Alphatiere, EZB-Präsident Mario Draghi und Mark Carney, aus Kanada stammender Gouverneur der Bank von England, bei den zu erwartenden Meinungsverschiedenheiten aufeinander losgehen könnten. Allerdings dürfte Carney von vornherein Distanz zu Draghi vorziehen - allein schon deshalb, weil Angelsachsen seit Jahrhunderten der festen Überzeugung sind, dass Zentraleuropäer von Finanzen keine Ahnung haben.
Auch auf den Hierarchieebenen darunter dürfte es kräftig menscheln, konkret: Die Mitarbeiter in 18 nationalen Aufsichtsbehörden der Euroländer werden um ihre Jobs kämpfen, ganz egal, ob sie nur noch wenig zu tun haben oder ganz überflüssig sind. Irgendeinen Posten dürften sie schon ergattern. Erschwerend kommen nationale Besonderheiten hinzu. So soll in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Verbindung zu den neuen europäischen Bankenaufsehern herstellen, bei unseren Lieblingsnachbarn im Westen De Nederlandsche Bank und beim Angstgegner der deutschen Fußballnationalmannschaft die Banca d'Italia. Dazu gesellen sich Kompetenz- und Sprachprobleme. Im ersten Fall, weil die nationalen Aufseher darum kämpfen werden, in der Hierarchie der neuen Superbehörde möglichst weit nach oben zu kommen, im zweiten Fall, weil Englisch als gemeinsame Sprache längst noch nicht so weit verbreitet ist, dass jeder jeden wirklich versteht.
Manchmal sind es auch scheinbare Kleinigkeiten, die offenbaren, womit wir noch zu rechnen haben. Dazu nur das folgende Beispiel: Bereits heute steht fest, dass das neue EZB-Hochhaus im Frankfurter Osten viel mehr Geld verschlingen wird als ursprünglich geplant; das ist nun mal so bei Großprojekten und bringt erfahrungsgemäß auch Verzögerungen beim Einzug mit sich. Das Jahr des EZB-Umzugs vom jetzigen provisorischen Eurotower in das neue Hochhaus sollte ursprünglich zwar 2014 sein. Aber wie vom Großmakler Jones Lang LaSalle zu erfahren ist, hat die europäische Aufsichtsbehörde ihr vorläufiges Domizil im Bankenviertel, das Japan-Center, sicherheitshalber bis 2016 gemietet. Daraus lässt sich schließen, dass das EZB-Provisorium Eurotower Draghi & Co. auch noch über 2014 hinaus beherbergen dürfte. Irgendwann werden dann auch die ausgeuferten Kosten des neuen EZB-Hochhauses zum Aufreger in den Medien.
Falls Ihnen die bis hierher beschriebenen Zusammenhänge nicht aufregend genug erscheinen, sollten Sie sich wenigstens über diese Zugabe Gedanken machen: die Umtriebe der kaum zu bändigenden, von den Aufsichtsbehörden nur marginal kontollierbaren sogenannten Schattenbanken. Damit werden üblicherweise vor allem Hedgefonds in Verbindung gebracht. Immerhin, Bernard Madoff, der größte Finanzbetrüger aller Zeiten, wurde zu 150 symbolischen Jahren Knast verurteilt, nachdem er seine Anleger mithilfe von Hedgefonds um 65 Milliarden Dollar geprellt hatte. Seine Hausbank JP Morgan musste einen Teil der Anleger entschädigen. Doch was sind schon 1,7 Milliarden Dollar Entschädigungssumme gegen 65 Milliarden? Und wer kontrolliert die unzähligen anderen Hedgefonds? Im Grunde niemand wirklich.
Hedgefonds bilden nur einen Teil der Schattenbanken. Auch andere Fonds lassen sich dieser Rubrik zuordnen, zumal wenn sie durch sogenannte Strukturvertriebe (auf den Verkauf gedrillte Organisationen) unters Volk gebracht werden. Oder wenn Sie demnächst wieder einmal lesen, eine Private Equity-Firma habe sich von dem und dem deutschen Aktienpaket getrennt, dann ist das ebenfalls eine Schattenbank-Transaktion. Noch schattiger, weil abenteuerlicher geht es beim Venture Capital zu. Oder wenn Werbespots im Fernsehsender n-tv Ihnen Renditen bis 8 Prozent verheißen, ohne dass eine Aufsicht dagegen einschreitet. Ob Leasing, Factoring, die im Zuge der Finanzkrise hops gegangenen Zweckgesellschaften oder die Goldleihe, die Dimitri Speck in seinem Buch "Geheime Goldpolitik" als eines der Instrumente zur Manipulation des Goldpreises beschreibt, immer mangelt es an effizienter Kontrolle durch Aufsichtsbehörden.
Die unschönen finanziellen Folgen mangelnder Kontrolle zeigen sich immer erst, nachdem etwas Unschönes passiert ist. Dann erfolgt in kurzer Zeit eine Kettenreaktion wie im Fall Madoff oder wie nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers. Investiertes Geld im Nachhinein erstattet zu bekommen, gelingt auch mithilfe spezialisierter Rechtsanwälte so gut wie nie. Ist das Geld erst einmal weg, lässt es sich nicht zurückholen. Prüfen Sie also vor jeder Anlage, ob Ihr Geld nicht Gefahr läuft, bei einer Schattenbank zu versickern. Und was die etablierten Banken angeht, die es demnächst mit der europäischen Bankenaufsicht zu tun haben werden: Rechnen Sie aufgrund des beschriebenen Wirrwarrs von Instanzen und Kompetenzen mit großen Unruhen auch an den Finanzmärkten. Das Gute daran: Sie werden danach viele gängige Aktien aus Dax, MDax usw. mit erheblichen Abschlägen im Vergleich zu den heutigen Kurse kaufen können.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Man stelle sich nur vor, da sollen nach aktuellen Hochrechnungen schätzungsweise vom Herbst dieses Jahres an etwa 130 - zum Teil solide, zum Teil mit allerlei Problemen behaftete, zum Teil sogar marode - Banken aus dem Euroraum auf ihre Überlebensfähigkeit geprüft werden. Hinzu können auf Antrag Banken aus EU-Ländern kommen, die nicht zum Euroraum gehören. Allein schon dadurch, man denke etwa an den außerhalb des Euroraums agierenden bedeutenden Finanzplatz London, können sich Komplikationen ergeben, über deren Ausmaß wir im Lauf der nächsten Jahre ständig etwas Neues erfahren werden - mit erheblichen Konsequenzen auch für Ihre ganz persönliche Geldanlage.
Aber nun der Reihe nach. Noch zehn Jahre, so lange werde es dauern, bis die Schuldenkrise der Staaten aufgearbeitet sei. Das ist eine gewichtige Aussage, zumal sie aus dem erst kürzlich geführten Handelsblatt-Interview mit Friedrich von Metzler stammt, einem der wenigen noch verbliebenen aktiven Bankiers der alten Schule. Was bedeutet seine Aussage? Ganz einfach: Dass wir sehr weit davon entfernt sind, die Staatsschulden in den Griff zu bekommen. Und weil es immer zwei Seiten gibt, wenn es sich um Schulden handelt, nämlich neben den Schuldnern auch die Gläubiger, ist davon auszugehen, dass die Krise der Gläubiger, sprich Banken, ebenfalls noch zehn Jahre anhalten wird. Insofern erscheint eine europäische Bankenaufsicht sinnvoll.
Indes, der Teufel steckt im Detail. Deshalb habe ich für Recherchen Frankfurt zu meiner Lieblingsstadt auserkoren, weil einem hier im flächenmäßig kleinen Bankenviertel die Informanten geradezu auf offener Straße begegnen. Man höre und staune: Die Bankenaufsicht soll aus der für den Eurorum zuständigen Europäischen Zentralbank, kurz EZB genannt, aus den national zuständigen Behörden der EU-Länder (also auch der nicht zum Euroraum gehörenden) und aus Behörden solcher Länder bestehen, die laut EZB "eine andere Währung besitzen, sich aber zur engen Zusammenarbeit mit dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus entschlossen haben".
Die EZB will dafür sorgen, "dass der einheitliche Aufsichtsmechanismus effektiv und konsistent funktioniert". Dazu stelle ich mir vor, wie zwei Alphatiere, EZB-Präsident Mario Draghi und Mark Carney, aus Kanada stammender Gouverneur der Bank von England, bei den zu erwartenden Meinungsverschiedenheiten aufeinander losgehen könnten. Allerdings dürfte Carney von vornherein Distanz zu Draghi vorziehen - allein schon deshalb, weil Angelsachsen seit Jahrhunderten der festen Überzeugung sind, dass Zentraleuropäer von Finanzen keine Ahnung haben.
Auch auf den Hierarchieebenen darunter dürfte es kräftig menscheln, konkret: Die Mitarbeiter in 18 nationalen Aufsichtsbehörden der Euroländer werden um ihre Jobs kämpfen, ganz egal, ob sie nur noch wenig zu tun haben oder ganz überflüssig sind. Irgendeinen Posten dürften sie schon ergattern. Erschwerend kommen nationale Besonderheiten hinzu. So soll in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Verbindung zu den neuen europäischen Bankenaufsehern herstellen, bei unseren Lieblingsnachbarn im Westen De Nederlandsche Bank und beim Angstgegner der deutschen Fußballnationalmannschaft die Banca d'Italia. Dazu gesellen sich Kompetenz- und Sprachprobleme. Im ersten Fall, weil die nationalen Aufseher darum kämpfen werden, in der Hierarchie der neuen Superbehörde möglichst weit nach oben zu kommen, im zweiten Fall, weil Englisch als gemeinsame Sprache längst noch nicht so weit verbreitet ist, dass jeder jeden wirklich versteht.
Manchmal sind es auch scheinbare Kleinigkeiten, die offenbaren, womit wir noch zu rechnen haben. Dazu nur das folgende Beispiel: Bereits heute steht fest, dass das neue EZB-Hochhaus im Frankfurter Osten viel mehr Geld verschlingen wird als ursprünglich geplant; das ist nun mal so bei Großprojekten und bringt erfahrungsgemäß auch Verzögerungen beim Einzug mit sich. Das Jahr des EZB-Umzugs vom jetzigen provisorischen Eurotower in das neue Hochhaus sollte ursprünglich zwar 2014 sein. Aber wie vom Großmakler Jones Lang LaSalle zu erfahren ist, hat die europäische Aufsichtsbehörde ihr vorläufiges Domizil im Bankenviertel, das Japan-Center, sicherheitshalber bis 2016 gemietet. Daraus lässt sich schließen, dass das EZB-Provisorium Eurotower Draghi & Co. auch noch über 2014 hinaus beherbergen dürfte. Irgendwann werden dann auch die ausgeuferten Kosten des neuen EZB-Hochhauses zum Aufreger in den Medien.
Falls Ihnen die bis hierher beschriebenen Zusammenhänge nicht aufregend genug erscheinen, sollten Sie sich wenigstens über diese Zugabe Gedanken machen: die Umtriebe der kaum zu bändigenden, von den Aufsichtsbehörden nur marginal kontollierbaren sogenannten Schattenbanken. Damit werden üblicherweise vor allem Hedgefonds in Verbindung gebracht. Immerhin, Bernard Madoff, der größte Finanzbetrüger aller Zeiten, wurde zu 150 symbolischen Jahren Knast verurteilt, nachdem er seine Anleger mithilfe von Hedgefonds um 65 Milliarden Dollar geprellt hatte. Seine Hausbank JP Morgan musste einen Teil der Anleger entschädigen. Doch was sind schon 1,7 Milliarden Dollar Entschädigungssumme gegen 65 Milliarden? Und wer kontrolliert die unzähligen anderen Hedgefonds? Im Grunde niemand wirklich.
Hedgefonds bilden nur einen Teil der Schattenbanken. Auch andere Fonds lassen sich dieser Rubrik zuordnen, zumal wenn sie durch sogenannte Strukturvertriebe (auf den Verkauf gedrillte Organisationen) unters Volk gebracht werden. Oder wenn Sie demnächst wieder einmal lesen, eine Private Equity-Firma habe sich von dem und dem deutschen Aktienpaket getrennt, dann ist das ebenfalls eine Schattenbank-Transaktion. Noch schattiger, weil abenteuerlicher geht es beim Venture Capital zu. Oder wenn Werbespots im Fernsehsender n-tv Ihnen Renditen bis 8 Prozent verheißen, ohne dass eine Aufsicht dagegen einschreitet. Ob Leasing, Factoring, die im Zuge der Finanzkrise hops gegangenen Zweckgesellschaften oder die Goldleihe, die Dimitri Speck in seinem Buch "Geheime Goldpolitik" als eines der Instrumente zur Manipulation des Goldpreises beschreibt, immer mangelt es an effizienter Kontrolle durch Aufsichtsbehörden.
Die unschönen finanziellen Folgen mangelnder Kontrolle zeigen sich immer erst, nachdem etwas Unschönes passiert ist. Dann erfolgt in kurzer Zeit eine Kettenreaktion wie im Fall Madoff oder wie nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers. Investiertes Geld im Nachhinein erstattet zu bekommen, gelingt auch mithilfe spezialisierter Rechtsanwälte so gut wie nie. Ist das Geld erst einmal weg, lässt es sich nicht zurückholen. Prüfen Sie also vor jeder Anlage, ob Ihr Geld nicht Gefahr läuft, bei einer Schattenbank zu versickern. Und was die etablierten Banken angeht, die es demnächst mit der europäischen Bankenaufsicht zu tun haben werden: Rechnen Sie aufgrund des beschriebenen Wirrwarrs von Instanzen und Kompetenzen mit großen Unruhen auch an den Finanzmärkten. Das Gute daran: Sie werden danach viele gängige Aktien aus Dax, MDax usw. mit erheblichen Abschlägen im Vergleich zu den heutigen Kurse kaufen können.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).