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Zahlmeister Deutschland: Der Kern des Euro-Übels und seine Konsequenzen

19.01.2014  |  Manfred Gburek
Falls Sie sich wundern, dass ich in dieser Ausgabe (bis auf einen Satz zum Schluss) das Thema Gold und Silber trotz des Preisanstiegs in der abgelaufenen Woche unkommentiert lasse: Ich habe es vor allem im Dezember, als außer den eingefleischten Edelmetallfans kaum jemand Notiz von ihm nahm, mehrfach nach allen Seiten ausgeleuchtet und Kaufempfehlungen ohne Wenn und Aber abgegeben. Das heutige Euro-Thema ist nicht minder spannend.

Komisch, als am vergangenen Mittwoch die deutsche Inflationsrate von 1,5 Prozent für 2013 veröffentlicht wurde, hatten die meisten Kommentatoren die einige Tage zuvor bekanntgegebene Inflationsrate der Eurozone in Höhe von 0,8 Prozent offenbar schon wieder vergessen. Dabei spiegelt der Vergleich der beiden Zahlen etwas wider, was uns 2014 noch mehr beschäftigen wird als in den vergangenen Jahren: die Eurokrise, seit Beginn ihrer turbulenten Phase Anfang 2010 vier Jahre alt, seit Einführung der ersten Euro-Tranche Anfang 1999 nicht weniger als 15 Jahre alt, seit Unterzeichnung des für den Euro maßgebenden Maastricht-Vertrags am 7. Februar 1992 fast schon 22 Jahre alt.

Warum der Euro uns stärker beschäftigen wird, könnte man salopp mit der vom 22. bis 25. Mai anstehenden Europawahl beantworten, weil dann die Euro-Gegner, zuvorderst die deutsche AfD-Partei, gehörig viele Stimmen auf sich vereinigen und danach kraft ihres Mandats der EU-Kommission einheizen dürften. Doch es geht auch weniger salopp, womit wir zum Kern des Euro-Übels und zu seinen Konsequenzen kommen. Die Eurozone ist und bleibt in sich gespalten: hier Deutschland, möglicherweise flankiert von anderen relativ starken Euroländern, dort Frankreich und der Rest der schwachen Euroländer.

Die Konsequenzen aus der Spaltung sind bereits erkennbar. Dazu vier markante Beispiele:

  • 1. Unlängst forderte der Internationale Währungsfonds Deutschland auf, im Sinn der europäischen Harmonie weniger zu exportieren. Was wie ein Dummejungenstreich anmutete, wurde anschließend tatsächlich ernsthaft diskutiert.

  • 2. Weniger deutsche Exporte verlangten auch einige Euroländer, an vorderster Stelle Frankreich. Sie verbanden ihre Aufforderung sogar mit dem Druck auf Deutschland, doch endlich Mindestlöhne einzuführen. Die werden - in welcher Form, muss sich noch zeigen - auf Initiative der Großen Koalition und speziell der Arbeitsministerin kommen.

  • 3. Der Appell an Deutschland, mehr Zuwanderer aufzunehmen, wird von Tag zu Tag drängender. Da mischt sogar die EU-Kommission kräftig mit. Das Motiv ist klar: Wenn die Deutschen das Gros der dadurch entstehenden sozialen Lasten übernehmen, passen sie sich den anderen Euroländern nach unten an, nicht umgekehrt die Franzosen, Italiener oder Griechen den Deutschen nach oben. Ein Nebeneffekt bestünde dann darin, dass diese Länder die ihnen von der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds auferlegten Reformen lascher angehen würden.

  • 4. Im Großen und Ganzen ist die deutsche Wirtschaft modern und kostengünstig, die französische oder italienische dagegen weniger modern und dadurch kostenträchtig. Das zeigt sich besonders deutlich an der weit auseinanderklaffenden Wettbewerbsfähigkeit der Autoindustrie. Also erscheint der Euro für Deutschland unterbewertet, für Frankreich, Italien und weitere Euroländer im Mittelmeerraum überbewertet. Daraus folgt, dass die deutsche Wirtschaft munter weiter wächst, wohingegen die der schwachen Euroländer schrumpft oder bestenfalls stagniert.

Nun kommt der Clou: Falls der Euro als Gemeinschaftswährung starker und schwacher Länder erhalten bleiben soll (was ja eindeutig die politische Absicht ist), wird deren Konvergenz über kurz oder lang unausweichlich sein. Das heißt, entweder müssen sich die starken Länder nach unten an die schwachen anpassen oder die schwachen nach oben an die starken. Der Plan, den Euro in der heutigen Form um so gut wie jeden Preis zu erhalten, steht felsenfest. Folglich auch die Konvergenz.

Aber in welcher Richtung? Die Antwort liegt auf der Hand: Die schwachen Länder sind in der Mehrzahl und können allein schon deshalb punkten. Im Prinzip entscheidender ist indes, dass sie sich vor allem durch erst in ferner Zukunft wirksame Reformen den reichen Ländern anpassen können. Dagegen dürfte deren Anpassung an die armen Ländern durch direkte Transferzahlungen, aber auch durch die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen oder die Aufnahme von besonders vielen Zuwanderern viel schneller vonstatten gehen - mit dem unschönen Effekt, dass Deutschland zu Lasten der eigenen Steuerzahler und Sparer (sofern das Zinsniveau niedrig bleibt) sowie mit hoher Wahrscheinlichkeit unter Inkaufnahme höherer Inflationsraten zum Zahlmeister der ganzen Eurozone werden müsste.

Die Eurozone hat zwar einen gemeinsamen Leitzins, aber damit ist bereits alles zur Zins-Gemeinsamkeit gesagt. Durch die ökonomische Brille betrachtet, ist viel wichtiger, dass die schwachen Euroländer höhere Zinsen berappen müssen als die starken, wenn sie am Kapitalmarkt Anleihen emittieren. Daraus entsteht Divergenz, nicht Konvergenz. Da sagen sich Franzosen, Italiener oder Griechen: Wunderbar, dann soll doch Deutschland mehr an den Kapitalmarkt gehen, geringere Zinsen zahlen und uns das billig aufgenommene Geld einfach weiterleiten.

Diese Überlegung geht derzeit ebenso durch die Köpfe mancher Eurokraten wie die folgende besonders skurrile: Wenn Deutschland als führende Exportnation schon so sehr vom Wachstum der Weltwirtschaft profitiere, dann müsste das ja eigentlich auch daran liegen, dass der Euro im Vergleich zu anderen Währungen, speziell zum US-Dollar, unterbewertet sei. Von diesem Währungsvorteil sollte doch bitteschön nicht allein Deutschland, sondern die ganze Eurozone profitieren. Und weiter gesponnen: Die Europäische Zentralbank sei gut beraten, den Leitzins möglichst lange unten zu halten oder sogar noch weiter zu senken, um damit Abwertungsdruck auf den Euro auszulösen. Das ergäbe für die Exportnation Deutschland einen Wettbewerbsvorteil, von dem dann alle Euroländer etwas haben müssten. Wahrlich, noch skurriler geht es nicht.

Kehren wir noch kurz zu den einleitenden Bemerkungen zurück: Wenn die deutsche Inflationsrate mit 1,5 Prozent erheblich über der des Euroraums mit 0,8 Prozent liegt, besteht offenbar auch hier ein gewisser Spielraum für Konvergenz, theoretisch entweder von 1,5 Prozent nach unten oder von 0,8 Prozent nach oben. Zieht man jedoch praktischerweise die Aussagen von Zentralbankern und vor allem von Politikern aus den vergangenen Jahren, Monaten und Wochen heran, ist die Wahrscheinlichkeit für die zweite Alternative viel größer. Das liegt vor allem daran, dass der Euro als von vornherein politisch gewollte, ökonomisch jedoch völlig unsinnige Währung von Politikern durchgedrückt wurde und weiter wird. Höhere Inflationsraten nimmt man da billigend in Kauf. Konsequenz für Anleger: Nachdem Aktienkurse weitgehend gelaufen sind, spricht nach wie vor am meisten für Gold und Silber als Schutz vor den zu erwartenden Euro-Turbulenzen und letztlich vor Inflation.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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