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Vermögensabgabe gegen Überschuldung

08.02.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
I.

Vermutlich ahnen viele Menschen, dass die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise noch längst nicht vorüber ist. Die Wirtschaftsdaten verbessern sich zwar. Aber handelt es sich dabei wirklich um einen "echten Aufschwung"? Oder ist es lediglich eine konjunkturelle "Scheinblüte", die neues, womöglich noch größeres Ungemach mit sich bringen könnte? Die Vorahnung ist vermutlich nicht unbegründet. Aufhorchen lassen sollte zumindest das Folgende: Es mehren sich die Vorschläge, die Staaten sollten eine "einmalige Vermögensabgabe" erheben, um damit ihre Schulden abzubauen. Mit anderen Worten: Private Sparer sollen für überzogene Staatsschulden aufkommen. Das könnte für viele eine böse Überraschung werden.

Der Staat genießt bekanntlich großes Vertrauen. Die Bürger haben ihm nahezu alles anvertraut. Kaum mehr ein Bereich des Gesellschafts- und Wirtschaftslebens, in dem der Staat nicht seine Finger im Spiel hat. Ob Erziehung, Bildung und Weiterbildung, Energie, Transport, Gesundheit, Altersvorsorge sowie vor allem das Kredit- und Geldsystem: Überall lenkt der Staat.

Die Bürger haben dem Staat vor allem auch ihre Lebensersparnisse anvertraut - und damit ihr künftiges Wohl und das ihrer Kinder in seine Hände gelegt. Viele Menschen investieren ihre Ersparnisse, wissentlich oder unwissentlich, in Staatsschuldpapiere. Und von denen produziert der Staat bekanntlich jede Menge, weil er chronisch mehr ausgibt aus als er einnimmt und die dabei entstehende Finanzierungslücke mit Schuldenaufnahme füllt.

Mit der Erwartung, seine Schuldpapiere seien sicher, leihen die Bürger dem Staat ihr Geld, vor allem auch, weil er ihnen die Zusage gibt, dass er es künftig einschließlich eines Zinses zurückzahlen wird. Für viele Sparer scheint das offensichtlich paradiesisch zu sein: eine Sicherheit, die sich auch noch verzinst! Doch spätestens seit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise dämmert es nun doch dem einen oder anderen, dass er sich vielleicht in einer Scheinsicherheit gewogen hat.


II.

Viele Staaten und vor allem auch die unter ihren Fittichen gedeihenden Banken sind mittlerweile nämlich überschuldet. Viele von ihnen können das Geld, das sie sich geliehen haben, nicht mehr zurückzahlen. Um sie vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren, haben die Zentralbanken die Zinsen künstlich abgesenkt. Und zudem versorgen sie strauchelnde Staaten und Banken mit jeder gewünschten Geldmenge, damit alle Verpflichtungen termingerecht beglichen werden können. Doch das ist nur der erste Schritt der Politik, um die Überschuldungskrise zu "lösen".

Der zweite Schritt zeichnet sich bereits ab. Zum Beispiel hat der Internationale Währungsfonds (IWF) jüngst eine Idee für den Euroraum ausgegeben (1): Es soll eine (einmalige) Abgabe/Steuer auf das Finanzvermögen der Privaten erhoben werden, und die damit erzielten Erträge sollten es erlauben, die Schuldenstände der Staaten auf das Vorkrisenniveau zu senken. Auch die Deutsche Bundesbank scheint einer solchen Politikempfehlung zuzustimmen.

In ihrem Monatsbericht Januar 2014, in dem die "einmalige Vermögensabgabe" zur Lösung von Schuldenkrisen diskutiert wird, heißt es: "Darüber hinaus [also neben üblichen Konsolidierungsmaßnahmen, A. d. V.] stellt sich aber die Frage, ob in außergewöhnlichen nationalen Notsituationen zusätzlich zu Privatisierungen und herkömmlichen Konsolidierungsmaßnahmen (…) auch vorhandenes privates Vermögen dazu beitragen kann, eine staatliche Insolvenz abzuwenden.“ (2) Das Motto, das sich hinter dieser Empfehlung verbirgt, lautet: Der Staatsbankrott muss mit allen Mitteln verhindert werden. Es ist besser, Private zu enteignen (und sie möglicherweise auch ins Elend zu stoßen), als dass der Staat zahlungsunfähig wird.


III.

Die Empfehlung, den Sparern (Teile) ihre Ersparnisse zu nehmen, dürfte nicht nur auf die "Euro-Peripherie-Länder" abzielen. Denn in nahezu allen Euro-Ländern sind die Schuldenstände von Staaten und Banken zu groß geworden, als dass man noch hoffen könnte, die nationalen Wirtschaften werden unter den Lasten "herauswachsen". Haltern von Staats- und Bankschuldpapiere drohen Verluste.

Ein "Modell" zum Abbau der Schulden ist, dass Staaten und Banken das Geld, das sie sich geliehen haben, nicht mehr in vollem Umfang zurückzahlen, ganz so, wie es die Ökonomen des IWF an- und durchgedacht haben. Derartige "Schuldenschnitte" können darin bestehen, dass die Laufzeit der ausstehenden Schulden zwangsverlängert wird, dass der Zins zwangsreduziert wird, und/oder dass der zurückzuzahlende Schuldenbetrag zwangsvermindert wird.

Ein anderes "Modell" zum Schuldenabbau ist das Anwerfen der elektronischen Notenpresse. Die Zentralbank produziert neues Geld ("aus dem Nichts"), stellt es Banken und Staaten zur Verfügung, und diese zahlen damit ihre Zins- und Tilgungsverpflichtungen an die Sparer. Das bedeutet natürlich Geldentwertung. Ob nun Einstellung oder Verringerung der Zahlungen: Der Sparer ist in beiden Fällen der Verlierer: durch Schuldenschnitt, Geldentwertung oder höhere Besteuerung, vermutlich aber durch eine Kombination aus allem. Die Rechnung für das Jahrzehnte währende Schuldenmachen im Zuge des staatlichen Papiergeldsystems könnte schon bald präsentiert werden.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



[1] IWF, Fiscal Monitor, "Taxing times", Oktober 2013, S. 49.
[2] Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Januar 2014, S. 52-53.




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