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Gefangen im Boom-and-Bust

19.04.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Weltwirtschaft hat sich im "Boom-and-Bust"-Zyklus verfangen: einer Abfolge von Konjunkturaufschwung ("Boom") und Konjunkturabschwung („Bust“). Die entwickelten Volkswirtschaften haben bereits in 2008 und 2009 einen ersten Kontakt gehabt mit einem Bust. Jetzt hat er viele Schwellenländer erreicht. Was ist der Grund für die chronischen Störungen im Wirtschaftsablauf? Die Antwort lautet: das Kreditgeldsystem.

Im heute international verbreiteten Kreditgeldsystem weiten Zentralbanken in Zusammenarbeit mit den Geschäftsbanken die Geldmenge per Kreditvergabe aus, und zwar ohne dass dafür eine echte Ersparnis (also nicht konsumiertes Einkommen) verfügbar wäre. Die per Kredit neu geschaffene Geldmenge senkt die Marktzinsen künstlich ab - und zwar unter das Zinsniveau, das bestehen würde, wenn die Kredit- und Geldmengenausweitung nicht erfolgt wäre. Das Absenken des Zinses löst eine wirtschaftliche "Scheinblüte" aus. Früher oder später tritt jedoch die Täuschung zutage, zerplatzt der Traum, er endet in Unternehmenspleiten, Arbeitslosigkeit, und Überschuldung.

Es war vor allem die Tiefzinspolitik der Zentralbanken in den entwickelten Volkswirtschaften, die in den letzten Jahren Auslandskapital in die Schwellenländer strömen lies. Angesichts sehr niedriger Zinsen in den heimischen Märkten begannen Investoren, auf Renditejagd zu gehen. In den Schwellenländern wurden sie fündig. Handelsbilanzdefizite, überdehnte Investitionsprojekte und staatliche Ausgaben in den Schwellenländern wurden so problemlos finanziert. Doch nun ist damit vorerst Schluss.

In der Erwartung, die Zinsen in den Vereinigten Staaten von Amerika könnten weiter steigen, verabschieden sich viele Investoren aus den Schwellenländern. Die Kapitalflucht wertet die Wechselkurse ihrer Währungen ab. Vertrauensverluste in die wirtschaftliche und politische Stabilität bringen die ehemals boomenden Volkswirtschaften ins Schlingern. Unternehmen und Banken, die bislang auf zinsgünstige Kredite zurückgreifen konnten, sehen sich vor ernste Finanzierungsprobleme gestellt.

Die Entwicklungen in den Schwellenländern geben einen Vorgeschmack der Folgen, die ein Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik in den entwickelten Volkswirtschaften hätte. Denn es ist vor allem die Nullzins- und Geldmengenvermehrungspolitik, die hier seit Anfang 2009 Produktion und Be-schäftigung anschiebt. Eine gesunde Erholung ist das nicht, vielmehr deu-tet es auf eine neuerliche zinsgetriebene Scheinblüte hin, die früher oder später in einem Bust enden wird.

Die Erschütterungen in den Schwellenländern könnten ein weitreichendes Nachspiel haben. Sie werden vermutlich zu einer noch engeren Kooperation zwischen den nationalen Zentralbanken unter der Führung der amerikanischen Zentralbank (Fed) führen. Schon heute haben sich Zentralbanken der großen Volkswirtschaften untereinander unbegrenzte Kreditlinien in ihren Heimatwährungen eingeräumt, um Banken liquide zu halten. Diese Kreditlinien sind unter dem Begriff "Liquiditäts-Swap-Abkommen" bekannt. (2)

Der unbegrenzten Kredit- und Geldvermehrungspolitik, die zwischen den großen Zentralbanken bereits weltweit etabliert wurde, könnten bald auch die Zentralbanken in den aufstrebenden Volkswirtschaften beitreten. Ein solches Weltkartell der Zentralbanken kann Zahlungsausfälle von strauchelnden Staaten und Banken in allen Währungen, wenn es denn will, vollständig abwenden. Dadurch würden absehbar die Boomphasen, für die das Kreditgeldsystem sorgt, verlängert, weil eine frühzeitige Korrektur von aufgelaufenen Fehlentwicklungen verhindert wird.

Dadurch dürfte jedoch auch die Wucht des kommenden Bust zunehmen. Wenn nun die Aktienmärkte weiter ansteigen und die Zinsen fallen, sollte das bei Anlegern keine Jubelrufe auslösen, sondern Anlass zur Sorge bereiten. Die Zentralbanken sind nicht "Retter aus der Not", sie sind die Verursacher der Boom-and-Bust-Zyklen.


Mit den US-Schulden geht es aufwärts

Mittlerweile haben die amerikanischen Staatsschulden 17,3 Billionen US-Dollar erreicht. Am 13. Februar 2014 hat nun der US-Senat beschlossen, die "Schuldengrenze" des Staates auszusetzen. Die US-Regierung kann sich nun bis März 2015 weiter verschulden. Die unten stehende Graphik zeigt die Entwicklung der US-Staatsschulden und die Schuldengrenze von 1980 bis heute. Die Schuldengrenze hat den Weg in die Verschuldung(sfalle) nicht stoppen können: Nicht die Schuldengrenze hat die Verschuldungspolitik bestimmt, sondern umgekehrt: die Verschuldungspolitik die Schuldengrenze. Dieser "Trend" setzt sich ungemindert fort.

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Quelle: Washington Post, 7. Februar 2014


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



(2) Siehe hierzu auch unseren Aufsatz "Grenzüberschreitendes Geldmengenvermehren" im Degussa Marktreport, 8. November 2013.



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