Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Die Verlagerung der Umsätze an den Goldmarkt in Tokio und seine möglichen Folgen

21.12.2005  |  Dr. Dietmar Siebholz
Meine Meinung zum Thema: "Was sagt uns die Verlagerung der Umsätze an den Goldmarkt in Tokio über den Goldmarkt selbst und über den US-Dollar?


Die meisten Marktteilnehmer haben sich - nachdem sie sich jahrelang an der Bindung und der Relation zwischen Dollar und Gold für ihre Kauf- bzw. Verkaufsentscheidungen orientiert hatten - von dieser Bindung/Relation abgewendet. Offenbar haben sie sich überzeugen lassen, dass dies nur eine vorübergehende Erscheinung oder nur eine solche von sekundärer Bedeutung war.

Diese Zeitgenossen - so ist meine Meinung - befinden sich schon wieder zwar in der Main Streamalso der Mehrheitsmeinung, liegen aber falsch. Meine Meinung ist hier schon seit meinen Jugendjahren (meine armen Eltern haben es oft genug beklagt!) die der leicht verballhornten lateinischen Phrase "vox populi - vox Rindvieh" (also locker übersetzt: "Die Stimme des Volkes ist die Stimme des Rindviehs") oder seriös ausgedrückt: Wenn sich die Masse der Anleger dazu bequemt, eine neue Meinung zu bilden und zu vertreten, ist es in der Regel schon wieder zu spät.

Wie ich in einem früheren Essay ("Warum Gold als Nenner für alle Wirtschaftsdaten und Indices gilt") dargestellt, brauchen alle Menschen eine Orientierung, die ihnen eine Positionierung über ihre aktuelle Lage oder zur Einschätzung möglicher künftiger Entwicklungen gibt. Diese "Eckwerte" werden heute durch die Regierungen in Form von Statistiken und Grunddaten vorgegeben. Die Menschen orientieren sich gern an solchen Werten, weil sie ja sonst die Relation der Zustände nicht bewerten können.

Einige Beispiele aus der nicht manipulierbaren Physik verdeutlichen dies: Wasser kocht bei 100 Grad Celsius und das Urmeter in Sevres bei Paris ist halt genau 100 cm lang und gilt weltweit als Maßstab für Längenangaben.

Für die Finanzwelt war für Jahrhunderte lang der Wert des Goldes eine Orientierung; natürlich gab es viele Aktivitäten, die genau diesen Maßstab außer Kraft setzen wollten, weil er ja disziplinierte und damit behinderte. Eines der übelsten Beispiele war im beginnenden 18. Jahrhundert John Law, der die französischen Könige zur Finanzierung ihrer Amerika-Abenteuer und ihres unkontrollierten Konsums zu den Papiergeld-Abenteuern veranlasste; aber letztendlich hat die Französische Revolution alles verändert und nach ihr griff Napoleon wieder auf die alten und verlässlichen Relationen und Wertmaßstäbe ("Gold Napoleon") zurück.

Wie ist die Lage heute? Der heutige Bourbone heißt George Bush, der seine Abenteuer in Afghanistan und im Irak (vielleicht auch bald im Iran, wenn diese ihre Ölbörse in Teheran im kommenden Frühjahr auf Yen-, Euro und/oder Yuan-Basis eröffnen) mit seinen Getreuen Greenspan und Bernanke über die Geld-Druckmaschine finanziert. Die Zwänge, die die Welt-Exportmeister wie Deutschland, China, Japan, Brasilien, Russland und der Euro-Raum spüren, ihre Erlöse wieder in den USA anzulegen, versperren dabei aber den klaren Blick auf die langfristigen volkswirtschaftlichen Realitäten: Man legt seine Liquidität in US-Bonds an (oder sollte ich sagen: Man muss seinen Erlös gleich wieder in den USA anlegen?).

Wenn eines der Exportländer beginnt, sich diesen Wiederanlage-Zwängen für die aus den Exporten erlösten US-Dollars zu entziehen und eine Alternative zu wählen, dann beginnt der Count-Down für den Dollar. Warum betone ich diese Möglichkeit so sehr?


Sehen Sie nach Tokio

Von dort geht seit mehr als drei Wochen eine extreme Nachfrage nach Gold aus, die teilweise höher ist als die an der COMEX; eine lohnende Arbeit könnte jetzt die Analyse der Bewegungen am Goldmarkt in den letzten 6 Wochen ergeben, vor allem der direkte Vergleich zwischen dem Marktverhalten an der New Yorker COMEX und an der Tokioter Edelmetallbörse. Ich vermute, dass es sich dabei herausstellen wird, dass derzeit der Hauptimpetus für Gold sich aus der asiatischen Nachfrage über den Marktplatz in Tokio ergibt. Ob es nun chinesische Privat- oder Regierungskäufe oder japanische Privat- oder Regierungskäufe sind, wie überall vermutet - tut nichts zur Sache. Große Kauforders für Termingold und physisches Gold werden derzeit über Tokio abgewickelt. In Tokio wird aktuell in großen Umfang Währung gegen Edelmetall umgeschichtet.

Zu den Aktienbörsen: Hier herrscht seit Monaten eine stabile Aufwärtsentwicklung, die den Aktien hohe Gewinne beschert haben; der Optimismus herrscht vor und die Fantasie der Anlageberater und der Investoren treibt große Blüten. Wie aber sieht das ganze unter dem Nenner Gold aus?

Steve Saville, ein international bekannter Analyst veröffentlichte am 08.12.2005 einen Aufsatz, der Beachtung finden sollte und der diese in der internen Szene auch schon gefunden hat. Der Aufsatz unter dem Tiltel "The most important chart in the financial world" ("Das wichtigste Kursbild der gesamten Finanz-Welt") beschreibt die Wichtigkeit eines unabhängigen Maßes für die Finanzwelt im Allgemeinen und die Aussagekraft der Relation DowJones-Index zu Gold im Besonderen. Gemessen am Goldpreis findet seit Jahren ein Abstieg des US-Aktienmarktes statt, den jedoch niemand in dieser Klarheit analysiert hat, weil die absoluten Indexzahlen ja ansteigen, nicht jedoch am Denominator Gold gemessen.

Die gleiche Feststellung trifft auch mein Freund in den USA, Franklin Sanders aus Westpoint/Tennessee in seinem jüngsten Tagesbericht. Franklin zeigt auf, dass sein Maßstab "Dow Jones in Gold-Dollars" von einem Höchstwert weit über 500 Anfang des Jahres 2000 nunmehr auf den Wert von ca. 423 gefallen ist, also Gold relativ zum DJ-Index erheblich gewonnen hat. Inzwischen hat dieser Maßstab den bisherigen Tiefststand vom April 1997 (bei damals 422,79) unterschritten.

Was können wir daraus schlußfolgern? Gemessen an von Menschen - und damit auch von Regierungshand nicht oder nicht dauerhaft zu beeinflussenden Faktoren (das ist der Goldpreis ohne Zweifel, denn man kann Gold nicht aus buntem Papier herstellen, man muss investieren, riskieren und steigende Kosten akzeptieren) fallen seit Jahren die Aktien. Weitere Abschwünge, die sich bei oberflächlicher Betrachtung noch gar nicht aufdrängen - es geht der Wirtschaft ja so gut - wären charttechnisch gesehen, der letzte Schritt vor dem Abgrund. Gemessen am Goldpreis steht der Einbruch kurz bevor.

Vielleicht kann ein nochmaliger Einfluss der Politik auf den Goldpreis diese Entwicklung noch verzögern, aber aufhalten kann sie diese nicht. Bleiben Sie wachsam und nutzen Sie jede Chance, bei günstigeren Preisen in die Edelmetalle zu kommen, aus. Viele Chancen, mit immer mehr "zur Wirtschaftsstabilisierung" neu kreiertem Papier- oder elektronischem Geld werthaltige Anlagen wie die Edelmetalle und Minenaktien auf preisberuhigtem Niveau zu erwerben, werden sich uns nicht mehr oder nicht mehr lange bieten.


Nun zum US-Dollar

Die unerwartete Stärke, das sehr günstige Chartbild - eine Menge von Analysten sehen eine bedeutende Kopf-Schulter-Wende nach Überschreiten des US$-Index von 93 (das entspräche etwa einem Kurs von 1,13 US$ pro €) regt die Finanzwelt an, das Ende des Dollarverfalls zu vermuten. Ich sehe die Lage gänzlich anders. Ist das Interesse aus Asien - derzeit am Tokioter Goldmarkt deutlich zu verfolgen - nachhaltig und zurückzuführen auf Umschichtungen von Privaten und asiatischen Regierungen, dann stehen uns lebhafte, ja sogar dramatische Monate bevor.

Unterstellt, dass Teheran seine Drohung, im Frühjahr die iranische Ölbörse zusammen mit Russland, China und Indien zu eröffnen, wahr macht, dann wird dem US-Dollar ein wichtiges Standbein amputiert. Dieses Standbein heißt: Fakturierung aller Öl-Lieferungen in US-Dollars, und damit den Zwang, US-Dollars für Ölkäufe anschaffen zu müssen. Das wäre ein fataler Angriff auf den Dollar: Ein großer Teil der Nachfrage nach dem US-Dollar wäre von einem Tage auf den nächsten hinfällig.

Auf der Suche nach Argumenten, warum diese Zusammenhänge, die ja nicht nur seit heute bekannt sind und schon seit einiger Zeit als Vermutungen im Raume stehen, sich noch nicht im Dollarkurs niedergeschlagen haben, verweisen meine US-Freunde auf die im Oktober des Jahres 1987 (anlässlich des Beinahe-GAU in der US- und Weltfinanzwirtschaft) von der US-Regierung ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe für den Finanzmarkt, in den USA spöttisch "Plunge Protection Team" genannt - was so viel wie "Team zur Verhinderung großer Abstürze" oder "The Nice Governmental Men" ("die netten Herren von der Regierung") heißen soll. Diese Gruppe ist nach sorgfältigen Analysen darauf spezialisierter Marktbeobachter jederzeit bereit und mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet, bei ungewollten Marktentwicklungen "glättend" einzugreifen.

Wie ich in einem früheren Essay spöttisch anmerkte, "es hilft nichts wenn man Kinder mit Windpocken schminkt, damit man den Kindern die Krankheit nicht ansehen kann: Die Krankheit setzt sich dennoch durch, dann leider aber viel stärker als normal", so gilt dies auch für die Marktbeeinflussungen dieser "netten Herren von der Regierung".

Seit etwa einem Jahr ist zu beobachten, dass die asiatischen Länder, allen voran Japan, nicht mehr die Hauptmasse ihrer Dollars aus den Exporten in die USA in den US-Anleihen investieren. Auch der direkte Kauf von US-Anleihen durch die Mittel-Ost-Länder hat sich abgeflacht; Marktbeobachter vermuten, dass die Käufe jetzt über London stattfinden, weil sich die Käufe "britischer Anleger" im letzten Jahr steil nach oben entwickelt haben, ebenso die Käufe von Anlegern von den Karibischen Inseln. Nun haben diese Inseln ja wohl keinen so großen wirtschaftlichen Aufschwung genommen, um mehr als 180 Mrd. $-Anleihen kaufen zu können. Es werden wohl umgeleitete internationale Investoren sein, die die Risiekn der neuen im Rahmen der Anti-Terror-Bekämpfung geschaffenen Maßnahmen gegen ausländische Investoren in den USA auf diesem Wege zu vermeiden suchen.


Welche Entwicklungen stützen aktuell noch den US-Dollar?

Da wäre in erster Linie die steuerliche Vergünstigung zu nennen, die die US-Unternehmen bei der Repatriierung von im Ausland erzielten Gewinnen in Anspruch nehmen können; glaubt man den US-Statistiken, so waren es allein im Jahre 2005 ca. 280 Mrd. US-Dollars, die von den international tätigen US-Unternehmen zu einem Vorzugssteuersatz von 3,5% "repatriiert" d.h. "heim ins Reich" geholt wurden (man verziehe mir meinen Spott). Selbst wenn die Geltung dieses Gesetzes über den derzeitigen Ablauftermin vom 31.12.2005 hinaus verlängert würde, ist zu bezweifeln, dass US-Dollar-Rückführungen in ähnlichem Umfange auch im neuen Jahr möglich sein könnten.

Wenn also im neuen Jahr die Ölbörse in Teheran eröffnet wird, wird sich die Zahlungsabwicklung Schritt für Schritt vom Dollar lösen und teilweise auch in den Euro abwandern. Wenn die EZB die vorsichtigen Schritte zur Zinserhöhung analog zu den kleinen Zinsschritten der FED vollzieht, vermindert sich die derzeitige Zinsdifferenz und verstärkt den Druck auf den Dollar. Auf keinen Fall rechne ich damit, dass sich das Handelsbilanzdefizit der USA wesentlich verringern wird; dieses und das Haushaltsdefizit werden dafür sorgen, dass der ungewollte "Nachschub" an frisch geschaffenen Dollars die Märkte auch künftig überschwemmt und alle international tätigen Akteure zu Überlegungen bringt, wie man sich den Nachteilen dieser Dollarflut entziehen kann.

Zum Schluss noch einen alten Börsenwitz, den mir mein damaligen Chef, der Düsseldorfer Börsenfreimakler Walter Beiler (dem ich viel verdanke, weil er mich in die Geheimnisse der Börsenwelt einweihte) ganz zu Anfang meiner Tätigkeit als Maklerassistent im Parkett erzählte:

Vater und Sohn besuchen die Düsseldorfer Aktienbörse und beobachten das wilde und laute Treiben auf dem Parkett; der Sohn fragt den Vater: "Papa, warum schreien die Menschen da unten so"? Der Vater versucht, dies mit einem einfachen Beispiel wie folgt zu erklären: "Sieh mal, mein Sohn, das da unten ist so ähnlich, wie wenn wir eine heiße Pellkartoffel aus dem Topf nehmen würden; jeder schreit, weil diese Kartoffel heiß ist, und jeder versucht, diese heiße Kartoffel so schnell wie möglich weiterzugeben ..."

Ist der US-Dollar diese "heiße Kartoffel"? Wir werden es bald wissen, das erste Halbjahr 2006 wird uns zeigen, ob meine Vermutungen gänzlich unberechtigt waren.


© Dietmar Siebholz



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"