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Gold kontra Zinsen: Komplex, aber mit einem klaren Sieger

23.03.2014  |  Manfred Gburek
Wenn es um die Geldanlage geht, hilft oft nochmaliges Nachdenken, damit man Fehler vermeidet und nicht in irgendwelche Fallen tappt. Daran habe ich gedacht, nachdem Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Fed, am vergangenen Mittwoch ihren ersten großen Auftritt in der Öffentlichkeit hatte und die Börsen mit Abschlägen bei Aktien wie auch beim Goldpreis reagierten. Sofort waren Kommentatoren mit der Behauptung zur Stelle, höhere Zinsen würden sich negativ auf das zinslose Gold auswirken, weil der Zinsabstand dadurch ja steige.

Das klingt zunächst schlüssig. Aber ist der Zusammenhang wirklich so einfach? Denken wir lieber noch einmal nach. Steigen die Zinsen für Geld auf dem Tages- oder Sparkonto, vergrößert sich der Zinsabstand rein rechnerisch. Aber verkaufen dann Anleger schlagartig ihr ganzes Gold, das sie ursprünglich aufgrund von Motiven wie Schutz vor Geldentwertung, Versicherung gegen Notfälle oder einfach nur Spekulation auf einen Preisanstieg erworben hatten? Sicher nicht, zumal die Motive für die Geldanlage in Gold - wie gerade genannt – und auf einem Tages- oder Sparkonto – Barreserve, Vorhalten für Gelegenheitskäufe von Aktien u.a. - Gegenpole bilden. Das eine hat also wenig mit dem anderen zu tun.

Darüber hinaus gibt es noch ein Argument, das gegen die Vereinfachung der Formel von Zinsen und Gold spricht: Mit den Zinsen steigen die Renditen der Anleihen und fallen demzufolge die Anleihenkurse. Dieser Zusammenhang ist unstrittig, weil finanzmathematisch vorgegeben. Das heißt, der Zinsvorteil wird durch den Kursrückgang kompensiert. In welchem Umfang, hängt von Faktoren wie Zinskupon, Anleihenlaufzeit, Schuldnerbonität und einigen weiteren ab. Folglich ist es möglich, dass Anleihen unter dem Strich einen Verlust bringen, falls der Kursrückgang stärker zu Buche schlägt als die laufende Verzinsung. Gold würde dann trotz Zinslosigkeit besser abschneiden, vorausgesetzt, sein Preis fällt nicht.

Denkt man weiter nach, drängt sich die Frage auf: Warum steigen Zinsen überhaupt? Etwa weil die Fed-Chefin in einem Anfall von Konzentrationsschwäche den Anstieg leichtsinnig für Mitte 2015 vorhergesagt hat? Bestimmt nicht, denn über diese Vorhersage hinaus hat sie sich noch so manches Hintertürchen offen gelassen. Ein Anstieg der Zinsen ist ebenso wie deren Rückgang im Wesentlichen das Ergebnis von Konjunktur-, Inflations- und sonstigen Erwartungen auf Seiten der Geldpolitiker, Konzernchefs, der Kreditgeber und -nehmer sowie der Anleger. Wer an dieser Materie interessiert ist, sei auf das herausragende Buch „Eigentum, Zins und Geld“ von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger hingewiesen.

Erwartungen spielen also eine große Rolle - und damit Imponderabilien, denn es geht um die Zukunft, und die bleibt nun mal ungewiss; zudem können sich Erwartungen von einem Tag auf den nächsten ändern. Das bedeutet: Auch die Formel, wonach ein Zinsanstieg angeblich negativ für den Goldpreis ist, stimmt in dieser Einfachheit nicht.

Im Übrigen kommt es darauf an, wer was erwartet. Janet Yellen und ihr Fed-Komitee, Yellens europäisches Pendant Mario Draghi mit dem EZB-Rat, außerdem einige Spitzenpolitiker, okay. Doch darüber hinaus gibt es noch die nicht zu unterschätzenden Anleger mit ihren Erwartungen. Sie können allemal Massenpsychosen auslösen, und die finden an den Börsen bekanntlich oft statt. Dann schießen die Kurse entweder von Gier getrieben nach oben oder von Angst getrieben nach unten. Alle Anleger wollen auf einmal möglichst viele Aktien oder kiloweise Gold besitzen oder im umgekehrten Fall am liebsten nur noch Bares auf dem Konto. Niemand kann sie bremsen, weder auf dem Weg nach oben noch nach unten, bis es zu einer scharfen Reaktion in die Gegenrichtung kommt. Ob die Zinsen in solchen Fällen steigen oder fallen, interessiert kaum noch jemanden.

Die Fed pumpt auch mit jetzt "nur" noch monatlich 55 Milliarden Dollar weiter viel Geld in die US-Wirtschaft. Das ist alles andere als ein Pappenstiel. Sie will ihr diesbezügliches Anleihen-Kaufprogramm (Quantitative Easing, kurz QE) mit sinkenden Beträgen bis Ende 2014 fortsetzen, weil ihr die Konjunktur offenkundig nicht rund genug läuft. Andere warnen allerdings schon genau davor. So zum Beispiel Axel Weber, als einstiger Bundesbank-Chef und seit geraumer Zeit Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS alles andere als ein Leichtgewicht. In einem aktuellen Interview mit der Börsen-Zeitung stört er sich daran, dass QE fortgesetzt wird, obwohl in den USA ein selbst tragender Konjunkturaufschwung mit 3 Prozent Wachstum einsetze und die Inflationsrate nur geringfügig unter 2 Prozent liege. Ähnliche Kommentare höre ich seit Wochen von meinen amerikanischen Freunden.

Denken wir also die QE-Folgen zu Ende. Das Anleihen-Kaufprogramm kann die Renditen amerikanischer Anleihen nicht mehr nachhaltig am Anstieg und dementsprechend deren Kurse nicht am Rückgang hindern. Das heißt, wir haben es bereits mit einem Zinsanstieg durch die Hintertür - über die Anleihenrenditen - zu tun. Er hat es nebenbei geschafft, die Aktienkurse nach deren langem Anstieg zu bremsen. Beide Entwicklungen - Anleihenkurse abwärts, Aktienkurse seitwärts - können noch eine Weile anhalten, sie können aber auch abrupt enden; das hängt weitgehend von den Erwartungen der Börsianer ab.

Was wird folgen? Yellen hat diese Frage am vergangenen Mittwoch scheinbar klar beantwortet: Sie denke erst dann an eine Zinserhöhung, wenn die Inflationsrate sich in Richtung ihres Ziels von 2 Prozent bewege und wenn die Vollbeschäftigung näher rücke. Indes, die Inflationsrate ist schon fast bei 2 Prozent. Und was die angestrebte Vollbeschäftigung betrifft, wagt Yellen einen Bruch mit der bisherigen Tradition: Eine Zinserhöhung soll nicht mehr davon abhängen, ob die Arbeitslosigkeit unter 6,5 Prozent fällt. Das war bisher ohnehin nur ein Spielchen zahlenverliebter Theoretiker.

Warum hat Yellen sich zu den Folgen nur scheinbar und nicht wirklich klar geäußert? Weil sie erstens die Antwort auf die Frage schuldig geblieben ist, was sie zu unternehmen gedenke, wenn die Inflationsrate über 2 Prozent steigt. Und weil sie zweitens für die Arbeitslosigkeit als Zielgröße keinen Ersatz vorgeschlagen hat. Daraus ist zu schließen, dass Yellen sich in den kommenden Monaten, wenn nicht sogar Jahren, in erster Linie auf das Gewicht ihrer Worte statt auf Zahlenspiele verlassen muss. Ich bin schon auf ihre Worte für den Fall gespannt, dass die amerikanische Inflationsrate die Hürde von 2 Prozent überspringt. Lange kann es bis dahin - im Gegensatz zum Euroraum - nicht mehr dauern.

Fazit: Der Zusammenhang von Zinsen und Goldpreis ist derart komplex, dass er sich nicht mit einem einfachen Dreisatz erfassen lässt. Entscheidend sind neben der Geldpolitik der Fed - und anderer Notenbanken - vor allem die Erwartungen der Anleger und weitere Imponderabilien. Die amerikanische Wirtschaft entwickelt sich robuster als allgemein angenommen, sodass die Inflationsrate in den USA früher als erwartet 2 Prozent überschreiten dürfte. Eine solche Entwicklung kann schnell dazu führen, dass der um die Inflation bereinigte reale Ertrag der Anleger aus Anleihen unter Berücksichtigung des Rückgangs der Anleihenkurse deutlich ins Minus rutscht. Das zinslose Gold wäre dann die weitaus bessere Anlage-Alternative. Dagegen wird sogar die Kraft der Worte von Fed-Chefin Yellen nur wenig ausrichten. Übrigens finden Sie zum Gold-Zinsen-Komplex auch in meinem neuen elektronischen Buch Ach du liebes Geld! eine ganze Reihe von Anregungen. Link: https://www.epubli.de/shop/buch/35351


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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