Amerikaner tricksen, Russen handeln
30.03.2014 | Manfred Gburek
Es gibt Begriffe aus der Wirtschaft, die eindeutig sind, wie Euro oder Dollar. Und es gibt welche, die zwei- oder sogar mehrdeutig sind und hinter denen sich etwas verbirgt. Zur zweiten Sorte gehört: Freihandelsabkommen, für US-Präsident Barack Obama neben der Krise rund um die Ukraine, neben Putins Machtdemonstration einschließlich Nato-Reaktion ein wichtiger Anlass, sich länger als üblich in Europa aufzuhalten. Das Überstülpen der Interessen amerikanischer Konzerne mithilfe des Präsidenten als Freihandelsabkommen zu bezeichnen, ist eine Gedankenlosigkeit, oder treffender formuliert: eine Frechheit.
Weil Obama sich von Beginn an dessen bewusst war, ließ er jetzt in Brüssel geradezu Schalmeientöne erklingen: Er werde das Abkommen nicht unterschreiben, falls es sich gegen den Verbraucherschutz oder den Umweltschutz richte. Eine von mehreren netten Phrasen, aber ohne Bedeutung. Denn das Abkommen wird - falls überhaupt - unterschriftsreif sein, wenn Obama längst kein Präsident mehr ist. Derweil laufen hinter verschlossenen Türen europäisch-amerikanische Geheimverhandlungen jenseits der demokratischen Legitimation weiter.
Darum geht es im Kern: Das amerikanische Rechtssystem soll ein Stück weiter auf Europa ausgedehnt werden. Dazu gehören nicht allein Paragrafen, sondern auch bestimmte Standards. Die Japaner hielten es schon in den 80er Jahren ähnlich: Deutsche Autos durften nur importiert werden, wenn sie so und so konstruiert waren, natürlich nach japanischen Vorgaben und unter Einbeziehung von strengen Reglements beim Zoll.
Die jetzt zur Debatte stehenden amerikanischen Standards sollen natürlich auch jenseits der Autoindustrie gelten, etwa für Lebensmittel- und Pharmakonzerne, für den Umweltschutz, für Banken und Versicherer, Eigentums- und weitere Rechte. Dabei kommt den USA, außer dass sie über die Abhörexperten der NSA verfügen, auch entgegen, dass die weltweit führenden Internetkonzerne amerikanisch sind. Das geht dann so weit, dass ein Großteil der modernen Kommunikation ohne diese Spezialisten aus dem Silicon Valley gar nicht mehr funktionieren kann. Es gibt in Europa allerdings schon erste Bestrebungen, eine Internet-Gegenmacht nach dem Vorbild Airbus gegen Boeing zu etablieren. Das braucht allerdings viel Zeit.
Amerikanische Anwälte sind Meister im Verklagen. Dabei schöpfen sie weitgehend das Recht ihres Landes aus, indem sie es soweit wie möglich ins europäische Recht einzubringen versuchen, und machen obendrein Druck, auch mithilfe der - zum Teil sogar europäischen – Medien. Die Streitwerte, zumal bei Sammelklagen, erreichen nicht selten astronomische Höhen. Obendrein besteht ein beliebter Trick darin, Streitigkeiten auf ein Schiedsgericht zu schieben, gegen dessen Entscheidungen, wenn sie erst einmal von beiden Streitgegnern akzeptiert sind, kein juristisches Kraut mehr gewachsen ist.
Warum Obama sich für die Mission zum sogenannten Freihandelsabkommen hergegeben hat, ist auch damit zu begründen, dass es in Europa wegen eines denkbaren russischen Gasembargos vorübergehend zu Engpässen in der Energieversorgung kommen könnte. Ob US-Konzerne ihr mit dem umstrittenen, weil die Umwelt belastenden Fracking-Verfahren gewonnenes Gas allerdings in größerem Umfang nach Europa transportieren werden, bleibt derweil offen. Denn derzeit gibt es noch keine Indizien dafür, dass Russland den Gashahn in Richtung Europa zudrehen könnte.
Eine - wenn nicht sogar die wichtigste - Mission Obamas aus Anlass seines Europa-Besuchs bestand darin, die Finanzierung der Nato zulasten europäischer Länder neu zu verteilen. Wie jetzt aus Insiderkreisen durchsickert, geht es zum einen darum, für mögliche Scharmützel auf europäischem Boden die Europäer selbst zahlen zu lassen. Zum anderen soll das Defizit in der US-Leistungsbilanz endlich ausgeglichen werden. So ist auch die unterschwellige Drohung aus der amerikanischen Delegation zu verstehen, wonach die USA den Dollar gegenüber dem Euro weiter fallen lassen würden, um ihrem Export endlich den nötigen Schub zu geben. Darunter dürfte dann die europäische Wirtschaft leiden, die deutsche wegen ihrer hohen Exportüberschüsse möglicherweise sogar ganz besonders.
Dollar-Abwertungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die amerikanische Wirtschaftspolitik. Schon John Connolly, zu Beginn der 70er Jahre für relativ kurze Zeit Finanzminister unter US-Präsident Richard Nixon, fasste dieses Phänomen, besonders nach Europa und speziell Deutschland gerichtet, in einem einzigen Satz treffend so zusammen: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem."
Heute sind die Sticheleien meistens subtiler. Dafür geben sich sogar amerikanische Professoren her. Zum größten Teil, indem sie den Europäern Ratschläge erteilen. Klaus Regling, Chef des europäischen Rettungsfonds ESM, hat sich dazu vor Kurzem wie folgt geäußert: "Amerikanische Ökonomen haben so viel behauptet, und alles ist nicht eingetreten. Wenn sie dann falsch liegen, tun sie so, als wäre da nichts gewesen, und wenden sich dem nächsten Thema zu." Noch drastischer hat sich Loys-Fondsmanager Christoph Bruns bereits vor Jahresfrist geäußert: "Das Urteil der Amerikaner über Europa ist wenig wert, denn sie wissen zu wenig über unseren Kontinent."
Ein Satz, dessen ersten Teil man indes so nicht stehen lassen kann. Denn was auch immer wichtige amerikanische Kreise über Europa wissen oder eben auch nicht wissen: Wenn es um die Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen wie auch politischen Interessen geht, entscheiden sie über uns. Und es gibt schon bald viel zu entscheiden, weil mit Putins Einschreiten in der Ukraine ein neues Zeitalter begonnen hat: Fast ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bekommen die USA und die mit ihnen in der Nato verbündeten Länder zu spüren, dass die Russen sich das Eindringen in ihre Sphäre nicht mehr weiter gefallen lassen.
In welchem Ausmaß die dadurch ausgelöste Unruhe auf die westliche Wirtschaft und insbesondere auf die Börsen wirken wird, bleibt einstweilen ungewiss. Fest steht allerdings, dass die Wirkung kaum positiv sein kann. Und dann gibt es ja noch das sogenannte Freihandelsabkommen, das man als Wirtschaftskrieg interpretieren kann. Ob es als Gesamtkomplex je zustande kommen wird, ist zwar offen. Sicher ist jedoch, dass die USA die für sie wichtigsten Teile aus dem Komplex herausnehmen und Europa wie auch Länder außerhalb Europas damit unter Druck setzen werden. Oder um einen Satz aus meinem Buch Ach du liebes Geld! https://www.epubli.de/shop/buch/35351
zu zitieren: "Da die USA außer einem hohen Haushalts- ein noch höheres Handelsbilanzdefizit haben, lassen sie andere Länder die Folgen tragen." Und falls die weitere Dollar-Abwertung in ihr Konzept passt, werden sie auch sie einsetzen. Spätestens dann dürfte der Goldpreis als Gegenpol zum Dollar nachhaltig anziehen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Weil Obama sich von Beginn an dessen bewusst war, ließ er jetzt in Brüssel geradezu Schalmeientöne erklingen: Er werde das Abkommen nicht unterschreiben, falls es sich gegen den Verbraucherschutz oder den Umweltschutz richte. Eine von mehreren netten Phrasen, aber ohne Bedeutung. Denn das Abkommen wird - falls überhaupt - unterschriftsreif sein, wenn Obama längst kein Präsident mehr ist. Derweil laufen hinter verschlossenen Türen europäisch-amerikanische Geheimverhandlungen jenseits der demokratischen Legitimation weiter.
Darum geht es im Kern: Das amerikanische Rechtssystem soll ein Stück weiter auf Europa ausgedehnt werden. Dazu gehören nicht allein Paragrafen, sondern auch bestimmte Standards. Die Japaner hielten es schon in den 80er Jahren ähnlich: Deutsche Autos durften nur importiert werden, wenn sie so und so konstruiert waren, natürlich nach japanischen Vorgaben und unter Einbeziehung von strengen Reglements beim Zoll.
Die jetzt zur Debatte stehenden amerikanischen Standards sollen natürlich auch jenseits der Autoindustrie gelten, etwa für Lebensmittel- und Pharmakonzerne, für den Umweltschutz, für Banken und Versicherer, Eigentums- und weitere Rechte. Dabei kommt den USA, außer dass sie über die Abhörexperten der NSA verfügen, auch entgegen, dass die weltweit führenden Internetkonzerne amerikanisch sind. Das geht dann so weit, dass ein Großteil der modernen Kommunikation ohne diese Spezialisten aus dem Silicon Valley gar nicht mehr funktionieren kann. Es gibt in Europa allerdings schon erste Bestrebungen, eine Internet-Gegenmacht nach dem Vorbild Airbus gegen Boeing zu etablieren. Das braucht allerdings viel Zeit.
Amerikanische Anwälte sind Meister im Verklagen. Dabei schöpfen sie weitgehend das Recht ihres Landes aus, indem sie es soweit wie möglich ins europäische Recht einzubringen versuchen, und machen obendrein Druck, auch mithilfe der - zum Teil sogar europäischen – Medien. Die Streitwerte, zumal bei Sammelklagen, erreichen nicht selten astronomische Höhen. Obendrein besteht ein beliebter Trick darin, Streitigkeiten auf ein Schiedsgericht zu schieben, gegen dessen Entscheidungen, wenn sie erst einmal von beiden Streitgegnern akzeptiert sind, kein juristisches Kraut mehr gewachsen ist.
Warum Obama sich für die Mission zum sogenannten Freihandelsabkommen hergegeben hat, ist auch damit zu begründen, dass es in Europa wegen eines denkbaren russischen Gasembargos vorübergehend zu Engpässen in der Energieversorgung kommen könnte. Ob US-Konzerne ihr mit dem umstrittenen, weil die Umwelt belastenden Fracking-Verfahren gewonnenes Gas allerdings in größerem Umfang nach Europa transportieren werden, bleibt derweil offen. Denn derzeit gibt es noch keine Indizien dafür, dass Russland den Gashahn in Richtung Europa zudrehen könnte.
Eine - wenn nicht sogar die wichtigste - Mission Obamas aus Anlass seines Europa-Besuchs bestand darin, die Finanzierung der Nato zulasten europäischer Länder neu zu verteilen. Wie jetzt aus Insiderkreisen durchsickert, geht es zum einen darum, für mögliche Scharmützel auf europäischem Boden die Europäer selbst zahlen zu lassen. Zum anderen soll das Defizit in der US-Leistungsbilanz endlich ausgeglichen werden. So ist auch die unterschwellige Drohung aus der amerikanischen Delegation zu verstehen, wonach die USA den Dollar gegenüber dem Euro weiter fallen lassen würden, um ihrem Export endlich den nötigen Schub zu geben. Darunter dürfte dann die europäische Wirtschaft leiden, die deutsche wegen ihrer hohen Exportüberschüsse möglicherweise sogar ganz besonders.
Dollar-Abwertungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die amerikanische Wirtschaftspolitik. Schon John Connolly, zu Beginn der 70er Jahre für relativ kurze Zeit Finanzminister unter US-Präsident Richard Nixon, fasste dieses Phänomen, besonders nach Europa und speziell Deutschland gerichtet, in einem einzigen Satz treffend so zusammen: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem."
Heute sind die Sticheleien meistens subtiler. Dafür geben sich sogar amerikanische Professoren her. Zum größten Teil, indem sie den Europäern Ratschläge erteilen. Klaus Regling, Chef des europäischen Rettungsfonds ESM, hat sich dazu vor Kurzem wie folgt geäußert: "Amerikanische Ökonomen haben so viel behauptet, und alles ist nicht eingetreten. Wenn sie dann falsch liegen, tun sie so, als wäre da nichts gewesen, und wenden sich dem nächsten Thema zu." Noch drastischer hat sich Loys-Fondsmanager Christoph Bruns bereits vor Jahresfrist geäußert: "Das Urteil der Amerikaner über Europa ist wenig wert, denn sie wissen zu wenig über unseren Kontinent."
Ein Satz, dessen ersten Teil man indes so nicht stehen lassen kann. Denn was auch immer wichtige amerikanische Kreise über Europa wissen oder eben auch nicht wissen: Wenn es um die Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen wie auch politischen Interessen geht, entscheiden sie über uns. Und es gibt schon bald viel zu entscheiden, weil mit Putins Einschreiten in der Ukraine ein neues Zeitalter begonnen hat: Fast ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bekommen die USA und die mit ihnen in der Nato verbündeten Länder zu spüren, dass die Russen sich das Eindringen in ihre Sphäre nicht mehr weiter gefallen lassen.
In welchem Ausmaß die dadurch ausgelöste Unruhe auf die westliche Wirtschaft und insbesondere auf die Börsen wirken wird, bleibt einstweilen ungewiss. Fest steht allerdings, dass die Wirkung kaum positiv sein kann. Und dann gibt es ja noch das sogenannte Freihandelsabkommen, das man als Wirtschaftskrieg interpretieren kann. Ob es als Gesamtkomplex je zustande kommen wird, ist zwar offen. Sicher ist jedoch, dass die USA die für sie wichtigsten Teile aus dem Komplex herausnehmen und Europa wie auch Länder außerhalb Europas damit unter Druck setzen werden. Oder um einen Satz aus meinem Buch Ach du liebes Geld! https://www.epubli.de/shop/buch/35351
zu zitieren: "Da die USA außer einem hohen Haushalts- ein noch höheres Handelsbilanzdefizit haben, lassen sie andere Länder die Folgen tragen." Und falls die weitere Dollar-Abwertung in ihr Konzept passt, werden sie auch sie einsetzen. Spätestens dann dürfte der Goldpreis als Gegenpol zum Dollar nachhaltig anziehen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).