Wie wir in die Irre geleitet werden
06.04.2014 | Manfred Gburek
"Wir sind die Guten", prangte es Spaziergängern und Autofahrern in den vergangenen Tagen von Plakaten auf Litfaßsäulen entgegen. Die "Guten" wurden von überlebensgroßen Feuerwehrleuten repräsentiert. Es hätten auch andere "Gute" sein können, etwa Krankenschwestern oder Polizisten. Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi hatten sich allerdings längst auf höhere Gehälter geeinigt. Die Plakataktion war also überflüssig, rausgeworfenes Geld. Und was die "Guten" betrifft: Sie sind eine klitzekleine Minderheit unter den öffentlich Bediensteten. Aber weil sie Gutes tun, indem sie manchmal sogar ihr Leben aufs Spiel setzen, genießen sie große Sympathien - was man sicher nicht von der Mehrheit der Angestellten im öffentlichen Dienst behaupten kann.
Oder stellen Sie sich statt der Feuerwehrleute nur die große Schar der Bundestagsabgeordneten mit hohen Nebeneinkünften vor. Diener des Volkes? Fehlanzeige. So werden wir auch in Zukunft stets daran erinnert, dass allen Menschen ihr eigenes Wohl am nächsten ist, den Staatsdienern ebenso wie den Bankern oder Konzernlenkern.
Ein weiteres eklatantes Beispiel dafür liefert die Rentenreform. Kaum zu fassen: Erst allmählich melden sich Kritiker zu Wort, denen manches an dieser gigantischen Umverteilungsaktion nicht passt. Wie die Anerkennung der Arbeitslosenzeit für die spätere Rente. Oder wie die Rente mit 63, sodass die ehedem nach langen Verhandlungen zustande gekommene Rente mit 67 schon wieder kassiert wird. Die vermeintlichen Staatsdiener betreiben Klientelpolitik. Ganz gleich, welche Wahl - wie die nächste zum Europaparlament im Mai - gerade ansteht, Hauptsache, man bekommt ein Mandat, um abzukassieren und sich wichtig zu tun. Volksvertretung? Überwiegend Nebensache.
Kein Wunder also, dass allmählich auch solche Bevölkerungskreise, die sich traditionell weniger für Finanzthemen interessieren, mehr und mehr auf EZB-Chef Mario Draghi achten. Er ist der eigentliche Herrscher über Europa, auch deshalb, weil der Kontinent keine wirkliche politische Führung hat, sondern nur einzelne Staats- und Regierungschefs mit geografisch begrenztem Mandat. Am vergangenen Donnerstag hingen folglich mehr Europäer als sonst an Draghis Lippen, als er verkündete, der EZB-Rat sei übereingekommen, auch unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer länger andauernden Zeit mit niedrigen Inflationsraten zu meiden.
Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: niedrige Inflation als Risiko. Um zu bekräftigen, wie unkonventionell der EZB-Rat im Zweifel entscheiden werde, ließ Draghi sogar die Bemerkung fallen, auch Wertpapierkäufe in größerem Umfang gehörten zum Programm. Das waren zwar nur Worte, aber sie saßen. Die Botschaft dahinter: Quantitative Easing QE), also Wertpapierkäufe in größerem Umfang nach dem Muster der US-Notenbank Fed, diese Geldpolitik kann im Euroraum als so gut wie beschlossen gelten.
Nachdem ich mich zum Thema Inflation (einschließlich Deflation) bereits in der letzten Kolumne auf wiwo.de geäußert habe, die Sie dort nachlesen können, hier nur so viel: Die EZB wie auch die Fed haben ihre konventionellen geldpolitischen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft. Allerdings mit dem Unterschied, dass QE für die Amerikaner konventionell bedeutet, während QE für die Europäer noch nicht konventionell ist. Was beide Notenbanken im Einzelnen folgen lassen, steht zwar noch nicht fest, wohl aber, was sie seit längerer Zeit anstreben: eine Inflationsrate knapp unter 2 Prozent (EZB) bzw. 2 Prozent (Fed), die sie dann am liebsten einmauern würden - ein Wunsch, der in dieser Form nie und nimmer in Erfüllung gehen kann, weil die Inflationsrate bei knapp unter oder genau 2 Prozent nicht einfach halt machen wird.
Mit solchen Zahlenspielen werden wir ebenso in die Irre geleitet wie mit Feuerwehrleuten auf Litfaßsäulen oder mit der Rentenreform der Marke Nahles. Am Ende setzen sich, weitgehend an der Bevölkerung vorbei, immer die Mächtigen durch: Verdi-Gewerkschafter, gegen die Arbeitgeber der öffentlichen Hand keine Chance haben, Nebeneinkünfte-Optimierer unter den Bundestagsabgeordneten, Rentenpolitiker, die vor allem wiedergewählt werden wollen, und Geldpolitiker, die uns mit ihren Prozentspielen ein X für ein U vormachen, weil ihnen vorerst nichts Besseres einfällt.
Wie Sie sich vor allem dem schützen, habe ich umfangreich in meinem Buch beschrieben: https://www.epubli.de/shop/buch/35351 Heute möchte ich Sie noch auf ein paar Punkte aufmerksam machen, die mir im Zusammenhang mit der Geldanlage aktuell besonders wichtig erscheinen. Es knistert ja kräftig im finanziellen Gebälk. Denken Sie daran, wenn Sie es mit Begriffen zu tun bekommen wie Bankenunion, Trennbanken, SSM (Bankenaufsichtsmechanismus), Schattenbanken, Stresstest, Rettungspaket für Griechenland (das so und so vielte), bail in, bail out u.a. Dahinter verbergen sich lauter Baustellen. Das alles zu einer Zeit, in der die Nato und Russland abwechselnd die Muskeln spielen lassen und dadurch zusätzlich für Unruhe an den Finanzmärkten sorgen. Die Konsequenz für Sie sollte sein: Legen Sie sich, abgesehen von Ihrer Basisinvestition in Gold, mit einem für Ihre Verhältnisse relativ hohen Tagesgeldbetrag auf die Lauer, um im Fall des Falles, also etwa bei einem plötzlichen Kurseinbruch am Aktienmarkt, beherzt zuzugreifen.
Ich komme in solchen Fällen gern auf einen meiner liebsten Ratschläge zurück: Widmen Sie soweit wie möglich täglich eine halbe bis ganze Stunde der Beobachtung von Aktienkursen, Edelmetallpreisen und -aktien, Indizes, Devisen und Zinsen. Seit Charts in Hülle und Fülle über das Internet gratis angeboten werden, haben Sie es relativ leicht, die Finanzmärkte zu verfolgen. Das Beobachten ersetzt zwar nicht das Anlegen, aber es bewahrt Sie davor, zur Unzeit einzusteigen.
Wie steht es um Interviews mit Börsenexperten und um Börsenkommentare? Ich genieße zwar beide mit Vorsicht, nehme aber gern Anregungen auf, die mich auf neue Ideen bringen. Wobei es recht nützlich sein kann, die aus solchen Anlässen aufgestellten Behauptungen und Prognosen nach einem Jahr auf ihren Gehalt zu überprüfen. Im Übrigen sollten Sie sich immer darüber im Klaren sein, dass Börsenexperten wie beispielsweise Fondsmanager oder Vermögensverwalter Interviews und Kommentare gern zum Anlass nehmen, um Werbung für sich zu betreiben, aber nicht, um Ihnen die besten Tipps zu geben.
Außerdem denken und handeln diese Profis institutionell. Das heißt, sie gehen mit viel höheren Beträgen um als private Anleger, sie müssen auf Vorgaben ihrer Kunden achten, Liquidität anders vorhalten als diese, sie orientieren sich häufig an einer Benchmark (zum Beispiel Index oder Fondsgruppe) und streben nach Auszeichnungen als bester, zweit- oder drittbester Fonds des Jahres, der vergangenen drei, fünf oder zehn Jahre.
Also wiederhole ich hier abschließend meinen Rat: Investieren Sie Ihre Zeit lieber in eigene Beobachtungen und Gedankenspiele. Wenn Sie gleichgesinnte private Anleger treffen: Umso besser, dann diskutieren Sie mit ihnen über alles, was das Geld bewegt - nicht zuletzt auch darüber, wie man von mehreren Seiten versucht, Sie in die Irre zu führen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Oder stellen Sie sich statt der Feuerwehrleute nur die große Schar der Bundestagsabgeordneten mit hohen Nebeneinkünften vor. Diener des Volkes? Fehlanzeige. So werden wir auch in Zukunft stets daran erinnert, dass allen Menschen ihr eigenes Wohl am nächsten ist, den Staatsdienern ebenso wie den Bankern oder Konzernlenkern.
Ein weiteres eklatantes Beispiel dafür liefert die Rentenreform. Kaum zu fassen: Erst allmählich melden sich Kritiker zu Wort, denen manches an dieser gigantischen Umverteilungsaktion nicht passt. Wie die Anerkennung der Arbeitslosenzeit für die spätere Rente. Oder wie die Rente mit 63, sodass die ehedem nach langen Verhandlungen zustande gekommene Rente mit 67 schon wieder kassiert wird. Die vermeintlichen Staatsdiener betreiben Klientelpolitik. Ganz gleich, welche Wahl - wie die nächste zum Europaparlament im Mai - gerade ansteht, Hauptsache, man bekommt ein Mandat, um abzukassieren und sich wichtig zu tun. Volksvertretung? Überwiegend Nebensache.
Kein Wunder also, dass allmählich auch solche Bevölkerungskreise, die sich traditionell weniger für Finanzthemen interessieren, mehr und mehr auf EZB-Chef Mario Draghi achten. Er ist der eigentliche Herrscher über Europa, auch deshalb, weil der Kontinent keine wirkliche politische Führung hat, sondern nur einzelne Staats- und Regierungschefs mit geografisch begrenztem Mandat. Am vergangenen Donnerstag hingen folglich mehr Europäer als sonst an Draghis Lippen, als er verkündete, der EZB-Rat sei übereingekommen, auch unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer länger andauernden Zeit mit niedrigen Inflationsraten zu meiden.
Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: niedrige Inflation als Risiko. Um zu bekräftigen, wie unkonventionell der EZB-Rat im Zweifel entscheiden werde, ließ Draghi sogar die Bemerkung fallen, auch Wertpapierkäufe in größerem Umfang gehörten zum Programm. Das waren zwar nur Worte, aber sie saßen. Die Botschaft dahinter: Quantitative Easing QE), also Wertpapierkäufe in größerem Umfang nach dem Muster der US-Notenbank Fed, diese Geldpolitik kann im Euroraum als so gut wie beschlossen gelten.
Nachdem ich mich zum Thema Inflation (einschließlich Deflation) bereits in der letzten Kolumne auf wiwo.de geäußert habe, die Sie dort nachlesen können, hier nur so viel: Die EZB wie auch die Fed haben ihre konventionellen geldpolitischen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft. Allerdings mit dem Unterschied, dass QE für die Amerikaner konventionell bedeutet, während QE für die Europäer noch nicht konventionell ist. Was beide Notenbanken im Einzelnen folgen lassen, steht zwar noch nicht fest, wohl aber, was sie seit längerer Zeit anstreben: eine Inflationsrate knapp unter 2 Prozent (EZB) bzw. 2 Prozent (Fed), die sie dann am liebsten einmauern würden - ein Wunsch, der in dieser Form nie und nimmer in Erfüllung gehen kann, weil die Inflationsrate bei knapp unter oder genau 2 Prozent nicht einfach halt machen wird.
Mit solchen Zahlenspielen werden wir ebenso in die Irre geleitet wie mit Feuerwehrleuten auf Litfaßsäulen oder mit der Rentenreform der Marke Nahles. Am Ende setzen sich, weitgehend an der Bevölkerung vorbei, immer die Mächtigen durch: Verdi-Gewerkschafter, gegen die Arbeitgeber der öffentlichen Hand keine Chance haben, Nebeneinkünfte-Optimierer unter den Bundestagsabgeordneten, Rentenpolitiker, die vor allem wiedergewählt werden wollen, und Geldpolitiker, die uns mit ihren Prozentspielen ein X für ein U vormachen, weil ihnen vorerst nichts Besseres einfällt.
Wie Sie sich vor allem dem schützen, habe ich umfangreich in meinem Buch beschrieben: https://www.epubli.de/shop/buch/35351 Heute möchte ich Sie noch auf ein paar Punkte aufmerksam machen, die mir im Zusammenhang mit der Geldanlage aktuell besonders wichtig erscheinen. Es knistert ja kräftig im finanziellen Gebälk. Denken Sie daran, wenn Sie es mit Begriffen zu tun bekommen wie Bankenunion, Trennbanken, SSM (Bankenaufsichtsmechanismus), Schattenbanken, Stresstest, Rettungspaket für Griechenland (das so und so vielte), bail in, bail out u.a. Dahinter verbergen sich lauter Baustellen. Das alles zu einer Zeit, in der die Nato und Russland abwechselnd die Muskeln spielen lassen und dadurch zusätzlich für Unruhe an den Finanzmärkten sorgen. Die Konsequenz für Sie sollte sein: Legen Sie sich, abgesehen von Ihrer Basisinvestition in Gold, mit einem für Ihre Verhältnisse relativ hohen Tagesgeldbetrag auf die Lauer, um im Fall des Falles, also etwa bei einem plötzlichen Kurseinbruch am Aktienmarkt, beherzt zuzugreifen.
Ich komme in solchen Fällen gern auf einen meiner liebsten Ratschläge zurück: Widmen Sie soweit wie möglich täglich eine halbe bis ganze Stunde der Beobachtung von Aktienkursen, Edelmetallpreisen und -aktien, Indizes, Devisen und Zinsen. Seit Charts in Hülle und Fülle über das Internet gratis angeboten werden, haben Sie es relativ leicht, die Finanzmärkte zu verfolgen. Das Beobachten ersetzt zwar nicht das Anlegen, aber es bewahrt Sie davor, zur Unzeit einzusteigen.
Wie steht es um Interviews mit Börsenexperten und um Börsenkommentare? Ich genieße zwar beide mit Vorsicht, nehme aber gern Anregungen auf, die mich auf neue Ideen bringen. Wobei es recht nützlich sein kann, die aus solchen Anlässen aufgestellten Behauptungen und Prognosen nach einem Jahr auf ihren Gehalt zu überprüfen. Im Übrigen sollten Sie sich immer darüber im Klaren sein, dass Börsenexperten wie beispielsweise Fondsmanager oder Vermögensverwalter Interviews und Kommentare gern zum Anlass nehmen, um Werbung für sich zu betreiben, aber nicht, um Ihnen die besten Tipps zu geben.
Außerdem denken und handeln diese Profis institutionell. Das heißt, sie gehen mit viel höheren Beträgen um als private Anleger, sie müssen auf Vorgaben ihrer Kunden achten, Liquidität anders vorhalten als diese, sie orientieren sich häufig an einer Benchmark (zum Beispiel Index oder Fondsgruppe) und streben nach Auszeichnungen als bester, zweit- oder drittbester Fonds des Jahres, der vergangenen drei, fünf oder zehn Jahre.
Also wiederhole ich hier abschließend meinen Rat: Investieren Sie Ihre Zeit lieber in eigene Beobachtungen und Gedankenspiele. Wenn Sie gleichgesinnte private Anleger treffen: Umso besser, dann diskutieren Sie mit ihnen über alles, was das Geld bewegt - nicht zuletzt auch darüber, wie man von mehreren Seiten versucht, Sie in die Irre zu führen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).