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"QE" im Euroraum - das Delirium der Milliarden

21.04.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Europäische Zentralbank (EZB) liebäugelt mit Anleihekäufen in Höhe von einer Billion Euro pro Jahr. Kein kleiner Betrag: Wenn die EZB in diesem Umfang Anleihen kauft, die von Nichtbanken gehalten werden, erhöht sie die Geldmenge M3 um etwa zehn Prozent; etwas, was in der Folge die Endverbraucherpreise stark anheben könnte. EZB-Anleihekäufe könnten zudem zu einer beträchtlichen Vermögensumverteilung zwischen den Euro-Nationen führen. Und aus einer Billion Euro können natürlich rasch mehr werden - und damit mehr Geldentwertung und Umverteilung.

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Bislang ist von einem EZB-Anleiheaufkaufvolumen in Höhe von einer Billion Euro innerhalb eines Jahres die Rede. Dies wären etwa elf Prozent der Kreditmarktschulden aller Euro-Staaten. Eine Billion Euro entspräche zudem einer 18,3 prozentigen Erhöhung der Geldmenge M1 und einer 10,1 prozentigen Erhöhung der Geldmenge M3.

Eine Idee ist, dass die EZB den Euro-Banken Kredite abkauft. Dadurch können die Bankbilanzen saniert und die Kreditvergabefähigkeit der Geldhäuser wiederhergestellt werden. Doch Bankkredite sind meist Buch-kredite. Sie müssten erst verbrieft werden und könnten dann als gedeckte Anleihen (als Asset Backed Securities kurz: "ABS") gehandelt und von der EZB zum "Marktpreis" aufgekauft werden.

Von entscheidender Bedeutung wird sein, von wem die EZB Anleihen kauft: von Euro-Banken oder Nichtbanken. Im Januar 2014 wiesen die Euro-Banken Staatskredite (Buchkredite und Anleihen) in Höhe von etwa 3.451 Mrd. Euro in ihren Bilanzen aus. Der Rest der Euro-Staatsschulden (es dürfte sich schätzungsweise um 5.391 Mrd. Euro handeln) liegt bei inländischen Nichtbanken sowie ausländischen Banken und Nichtbanken.

Wenn die EZB Anleihen von Euro-Banken kauft, kommt es "nur" zu einer Erhöhung der Basisgeldmenge in den Händen der Banken ("Aktivtausch" in der Bankbilanz). Die Überschussreserven der Banken steigen, und die Banken können sie nachfolgend zur zusätzlichen Kredit- und Geldschöpfung verwenden.

Kauft die EZB hingegen Nichtbanken (Versicherungen, Pensionskassen und privaten Sparern) Anleihen ab, so überweist sie den Kaufpreis direkt auf die Konten der Verkäufer. Dadurch steigt die für Käufe verfügbare Geldmengen M1 und M3 an; durch die Überweisung steigt auch die Basisgeldmenge in den Händen der Banken. Was sind die Preiswirkungen?

Würde die EZB beispielsweise Nichtbanken Staatsanleihen in Höhe von einer Billion Euro abkaufen, so würde dadurch die Geldmenge M3 um etwa zehn Prozent ansteigen. Das wiederum könnte die Endverbraucherpreise stark anheben; denkbar wäre dabei ein Anstieg von etwa sieben Pro-zentpunkten.

Der Zusammenlauf von Geldmengenausweitung und Aktienkursen war im Euroraum bislang positiv: Ein Ansteigen der Geldmenge um zehn Prozent ging einher mit einem Ansteigen der Aktienkurse um durchschnittlich gut sechs Prozent. Die Aussicht auf eine QE-Politik, die die Geldmenge M3 ausweitet, könnte daher für Kursauftrieb auf dem Aktienmarkt sorgen.

EZB-Anleihekäufe werden eine Reihe weiterer Konsequenzen haben. Die Politik der niedrigen Zinsen mindert zwar die Gefahr, dass strauchelnde Staaten und Banken zahlungsunfähig werden. Jedoch arbeitet die Politik der tiefen Zinsen dem Reformeifer der Regierungen entgegen, und sie untergräbt vor allem auch die Auslesefunktion des Marktes: Misswirtschaften-de Regierungen und Banken werden künstlich über Wasser gehalten. Besseren Anbietern wird verwehrt, schlechte Anbieter aus dem Markt drängen zu können. Die Wachstumskräfte der Volkswirtschaft werden geschwächt.

Die Politik der tiefen Zinsen beraubt die Volkswirtschaften ihres wohl wichtigsten Kompasses: dem Zinssignal. Sparen, Konsum und Investieren geraten so zum Blindflug. Es kommt zu Fehleinschätzungen ("Spekulationsblasen") und Fehlinvestitionen auf breiter Front. Aus künstlich tief gedrückten Zinsen folgt bestenfalls ein konjunktureller "Scheinaufschwung", der jedoch früher oder später wieder in sich zusammenbricht.

EZB-Anleihekäufe könnten beträchtliche Umverteilungswirkungen nach sich ziehen. Nehmen wir an, die EZB kauft Staatsanleihen von Peripherie-Staaten. Dadurch erspart sie den Steuerbürgern in diesen Staaten, für die Misswirtschaft, die sie verantworten, geradezustehen: Die Zinslasten, die sie mit ihren Steuermitteln eigentlich tragen müssten, werden künstlich vermindert. Zudem würden die Käufer von Anleihen, die diese Staaten begeben haben, vor Verlusten bewahrt (und noch mit Kursgewinnen belohnt).

Die Steuerbürger in den Ländern, die besser gewirtschaftet haben, zahlen dafür die Zeche, wenn die EZB ihre Staatsanleihen nicht kauft. Die Zinslast, für die sie mit ihren Steuerzahlungen aufzukommen haben, wird nicht künstlich gesenkt. Zudem müssen sie die Kosten tragen, die aus der Verminderung der Kaufkraft des Geldes folgt (und die sich notwendigerweise einstellt, wenn die EZB durch Anleihekäufe die Geldmenge ausweiten wird).

Vor allem aber könnte die EZB zusehends Gläubiger von schlechten Kreditnehmern und damit von ihnen abhängig werden. Je größer der Anteil von schlechten Schuldnern ist, der sich im EZB-Portfolio wiederfindet, desto stärker wird die EZB ihre Politik an den Belangen schlechter Schuldner ausrichten müssen: und die haben - der Blick in die leidvolle Geschichte des Papiergeldes legt das nahe - meist nichts dagegen, wenn die Schulden mit inflationärem Geld entwertet werden.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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