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Von Blasenbildern und Goldignoranten

20.04.2014  |  Manfred Gburek
Die Kommentare zur Krise in der Ukraine, auch die der Reporter vor Ort, enden zunehmend mit dem Stoßseufzer: Wir wissen nicht wirklich, was passiert. Das ist nur allzu verständlich, handelt es sich doch um ein komplexes Problem, bestehend aus wirren politischen Verflechtungen in der Ukraine selbst, aus dem Hegemonialanspruch der USA, aus Putins Gegenhalten, aus Europas tiefer Zerstrittenheit und nicht zuletzt auch aus drohenden wirtschaftlichen Sanktionen von beiden Seiten. Wobei die Seiten nicht klar abzugrenzen sind, was besonders die deutschen Interessen angeht: Als Mitglied der Nato muss Deutschland den Amerikanern gehorchen, als Geschäftspartner Russlands dagegen muss Deutschland die eigenen volkswirtschaftlichen Interessen vertreten, etwa eine möglichst ununterbrochene Gaseinfuhr, und zusätzlich dafür sorgen, dass deutsche Unternehmen nicht eines Tages zur Abschreibung ihrer Russland-Investitionen gezwungen sind.

Bisher hat die Ukraine-Krise an der deutschen Börse noch keine nennenswerten Spuren hinterlassen. Zudem bleibt ihr Einfluss auf den Goldpreis bescheiden. Beide Phänomene lassen sich so erklären: Das viele in Umlauf befindliche Geld geht in Anlagen, die eine im Vergleich zu Bundesanleihen oder US-Staatsanleihen überdurchschnittliche Verzinsung versprechen. Davon haben zuletzt nicht nur Aktien profitiert, sondern sogar die in der vorangegangenen Woche emittierte Griechenland-Anleihe. Dagegen ist das zinslose Gold vorübergehend aus der Mode gekommen, und seine Funktion als Anti-Krisen-Metall wird von breiten Anlegerschichten derzeit nicht hoch genug eingeschätzt.

So weit die Momentaufnahme. Denkt man allerdings über den Moment hinaus, ergibt sich eine völlig andere Konstellation: EZB-Chef Mario Draghi und seine Partnerin im Geist, Janet Yellen von der US-Notenbank Fed, werden alles unternehmen, um ihre Inflationsziele von etwas unter 2 bzw. von 2 Prozent zu erreichen. Ich habe dazu alle verfügbaren Stellungnahmen von EZB und Fed noch einmal gründlich durchgelesen, bevor ich zu diesem Fazit gekommen bin - das reinste Gruselkabinett, wenn man die Konsequenzen bedenkt: Notenbanken (nicht nur die beiden genannten, sondern auch die anderen, etwa die englische und die japanische) und private Geschäftsbanken (zuletzt in einer sauberen Analyse der Bank of England enthüllt) wetteifern darum, die Welt mit Papiergeld zuzuschütten. Abgemachte Sache: Es gibt kein Zurück.

Die Konsequenz: Solange diese Geldpolitik (ein schmeichelhafter Ausdruck) vorherrscht, wird es immer wieder zu Blasenbildungen kommen. Da drängt sich die Frage auf: Warum machen Noten- und Geschäftsbanken einfach wie bisher weiter, obwohl sie wissen müssten, dass das Ganze eines Tages - im übertragenen Sinn - mit einem lauten Knall enden wird? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil es aus ihrer Sicht keine Alternative gibt.

Bis zum Knall schalten die Banker auf stur. Dabei ignorieren sie allesamt, so als hätten sie sich abgesprochen, die Gefahr der Blasenbildung im Großen ebenso wie die geradezu perverse Lust auf die neue Griechenland-Anleihe im Kleinen. Nebenbei akzeptieren sie einfach, dass die Zinskonvergenz, also das Aneinanderrücken der Renditen von Anleihen starker und schwacher Euroländer, einfach weiter geht, obwohl die von Ratingagenturen vergebenen Bonitätsnoten für die Länder weit auseinanderklaffen.

Dazu ist erstens festzuhalten, dass die agierenden Banker nicht dumm, sondern raffiniert agieren. Zweitens, dass sie darauf wetten, Deutschland werde, ja müsse den anderen Euroländern finanziell über die Runden helfen, weil es in der Eurozone quasi eine gemeinsame Kasse gibt (in den USA nicht, weshalb die Bürokraten in Washington über die Pleite Kaliforniens nur lachen können). Drittens schließlich tüftelt die EZB gerade an einem System, mit dem die Geschäftsbanken entlastet werden können, ohne dass sie faule Kredite abschreiben müssen.

Wer viel Gold, Silber und Edelmetallaktien besitzt, braucht also nur so lange zu warten, bis die Geldpolitik ihr Ziel erreicht hat, nämlich die Inflation um 2 Prozent. Wenn Mario Draghi mal einen guten Tag erwischt, spekuliert er sogar in aller Öffentlichkeit (wie zuletzt während der Pressekonferenz am 3. April) über die Zeit, in der die 2 stehen dürfte: Ende 2016.

Es bringt nicht viel, über die Wahrscheinlichkeit dieser Zeitrechnung nachzudenken. Draghi hat seine Bemerkung vorher ganz bestimmt wohl abgewogen. Briten und Amerikaner beschreiben so etwas mit einem Wort, das es im Deutschen nicht gibt: wording. Sinngemäß also: richtige Wortwahl. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie lange Draghi die Finanzwelt mit Worten bei Laune hält. Immerhin liegt sein bisher größter Wort-Volltreffer ("whatever it takes") schon ein Jahr und neun Monate zurück. So etwas nutzt sich ja im Lauf der Zeit immer mehr ab.

Der Zusammenhang von 2 Prozent Inflation und Goldpreis ist, wie an dieser Stelle schon häufiger betont, nur unter Einbeziehung der zeitlichen Komponente sinnvoll zu erklären. Das heißt, sobald in der Eurozone oder in den USA eine Inflationsrate um 2 Prozent erreicht ist, kann sie nicht einfach auf Kommando festgehalten werden. Vielmehr wird sie dann mit allergrößter Wahrscheinlichkeit weiter steigen - und dadurch die Notenbanker vor neue Aufgaben stellen, Ende offen.

Nehmen wir an, die von Draghi angepeilte Zeit bis Ende 2016 ist realistisch und gilt im Großen und Ganzen auch für die USA. Dann stellen goldaffine Anleger sich die Frage, was bis dahin mit dem Preis ihres Edelmetalls geschieht. Aktuell leidet er ja darunter, dass ein auskömmlicher Realzins, sprich Nominalzins abzüglich Inflationsrate, in der allgemeinen Wahrnehmung bei geschickter Anlagepolitik eher zu erzielen sei als ein Gewinn mit dem zinslosen Gold. Doch hinter dieser Wahrnehmung steckt sehr viel Ignoranz. Sie ist bezeichnend für so manche Börsenphase - bis das Blatt sich eines nicht allzu fernen Tages schlagartig wendet, im vorliegenden Fall mit Sicherheit weit vor Ende 2016. Gold- wie auch Silberanleger sind gut beraten, sich bis dahin in Geduld zu üben.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch ein kurzes Zitat aus meinem Buch "Ach du liebes Geld" https://www.epubli.de/shop/buch/35351, weil es um die Jahrtausendwende schon einmal eine Phase der Ignoranz im Hinblick auf Gold gab, die ich in dem Buch beschreibe:

"Als 15 Zentralbanken sich Ende September 1999 auf die Begrenzung von Goldverkäufen einigten, war die Initialzündung evident, zumal der zuvor bei etwas über 250 Dollar je Feinunze dümpelnde Goldpreis daraufhin - zunächst allerdings nur zwei Tage lang - ungewöhnlich heftig in die Höhe schoss, ein klares Signal für die anstehende Trendwende. Bis zum eigentlichen Beginn der Goldhausse dauerte es dann noch eineinhalb Jahre."


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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