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Geschönter Konjunkturaufschwung, mysteriöse Bankenaufsicht

11.05.2014  |  Manfred Gburek
Warum werden unwichtige Nachrichten von den Medien in angeblich wichtige Scoops verwandelt, die dann in den Mainstream-Zeitungen und -Internetforen oder zur besten Sendezeit im Fernsehen so erscheinen, als hänge die ganze Welt von ihnen ab? Zu verdanken haben wir das dem Zusammenwirken von Ereignissen, ihrer Interpretation durch Journalisten, der zunehmenden Einflussnahme von Manipulanten (auch Spindoktoren genannt) und dem Streben nach hohen Auflagen, Quoten oder Klickzahlen.

Ein besonders unappetitliches Beispiel dafür ist das Ausrufen des Aufschwungs in der Eurozone durch die EU-Kommission. Als "non event" würde man das auf Englisch bezeichnen. Ersparen Sie mir, hier alle zugehörigen Zahlen und ihr seltsames Zustandekommen zu nennen. Sie werden einfach von der EU-Kommission verkündet, obwohl sie alles andere als einen Konjunkturaufschwung in allen Euroländern signalisieren. Nur so viel: Die Europawahl geht in ihre heiße Phase über, da nimmt man es mit den Zahlen nicht so genau.

Ohnehin bestimmt zunehmend EZB-Chef Mario Draghi, was in Europa gehen soll und was nicht. Sein Mandat bzw. das der EZB ist zwar auf die Geldpolitik ausgerichtet, aber es erstreckt sich de facto immer mehr auch auf die Politik in Berlin, Paris, Rom usw. Insofern war die Entscheidung des EZB-Rats vom vergangenen Donnerstag, den Leitzins bei 0,25 Prozent zu belassen und den Beginn der ultralockeren Geldpolitik erst einmal in die nächste Zukunft zu verschieben, ein Signal an alle Regierungen der Eurozone: Seht her, im Zweifel werden wir euch alle Anleihen abnehmen, doch wann wir damit beginnen, bestimmen wir selbst.

Wenn es doch nur bei der Einmischung der EZB in Regierungsgeschäfte bliebe. Bleibt es aber nicht. Die Aufdeckung des jüngsten Einmischungsfalls haben wir einem Artikel in der englischen "Financial Times" vom 18. März dieses Jahres zu verdanken, der "von der deutschen Finanzpresse fast vollständig ignoriert wurde", wie der seit Jahrzehnten im Finanzwesen bestens vernetzte deutsche Journalist Klaus C. Engelen am 4. Mai in einem auf Englisch veröffentlichten Beitrag für den Spezialdinest "Banking Union Watch" hervorhob. Diesem Beitrag folgte am 8. Mai ein weiterer von Joachim Jahnke, zu finden im Internet unter deutsche-wirtschafts-nachrichten.de in deutscher Sprache.

Worum geht es? Auf einen Nenner gebracht: um die Aufgabe des umstrittenen amerikanischen Beratungsunternehmens Oliver Wyman, einer Tochter von Marsh&McLennan, Europas Banken neu zu ordnen. "Wie kann es sein, dass die EZB einen großen Teil ihrer neuen Autorität an eine einzelne Beratungstochter eines US-Finanzdienstleistungs-Konglomerats in einer Zeit weggegeben hat, während amerikanische und britische Meisterspione die neue Cyberwelt im Interesse ihrer kommerziellen und finanziellen Belange regeln?" Das fragt sich Engelen zu Beginn seines Artikels.

Eine Antwort hat er zwar nicht, aber dafür fallen ihm einige Verdachtsmomente ein. Zum Beispiel könnte Oliver Wyman die Eurozone gegen die Londoner City ausspielen und umgekehrt. Auch sei nicht von der Hand zu weisen, dass Oliver Wyman die Möglichkeit hätte, Insiderinformationen zu Banken der Eurozone an angelsächsische Investmentbanken und Hedgefonds weiterzugeben.

Denkbar sei auch, dass bereits der jüngste Bericht von Oliver Wyman an die Lobby der Londoner City solche Insiderinformationen enthält, die das Unternehmen in seiner Rolle als EZB-Berater gesammelt hat. Bleibt noch hinzuzufügen, dass Oliver Wyman sich in den vergangenen Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, als es um schief gegangene Beratungsmandate für die Großbanken Citigroup und UBS ging oder um ein Loblied auf die Anglo Irish Bank, die anschließend in Schwierigkeiten geriet und gerettet werden musste.

Dass ausgerechnet Oliver Wyman den Auftrag erhielt, die EZB zu beraten und womöglich den entscheidenden Beitrag zur Aufstellung der neuen europäischen Bankenaufsicht zu leisten, wirft ein schlechtes Licht besonders auf die EZB. Aber auch auf die Schlafmützen im Deutschen Bundestag, die es geschafft haben, das Aufsichtsmandat in einer Nach- und Nebelaktion mal eben an die EZB statt anderweitig zu vergeben. Damit ist der Interessenkonflikt zwischen der EZB als Aufseherin einerseits und als oberste für die Geldpolitik zuständige Instanz andererseits programmiert - mit einem amerikanischen Unternehmen im Hintergrund, das auch die mächtige Londoner City berät.

Jetzt können Sie sich in Ihrer ganzen Phantasie ausmalen, dass diese Konstellation auf Dauer nicht gut gehen kann. Zumal auf die Schnelle an die tausend Aufseher erst gefunden und dann eingearbeitet werden müssen. Da liegt der Gedanke nahe, sie aus London abzuwerben, auf dass der Informationsfluss in beide Richtungen noch intensiver werde. Wie es aussieht, wird die Londoner City ihre Vormachtstellung als Finanzplatz behalten oder sogar noch erweitern. Dies allein schon deshalb, weil die englische Wirtschaft, die sich längst von weiten Teilen der Industrie verabschiedet hat, auf diesen Finanzplatz etwa so angewiesen ist wie die deutsche Wirtschaft auf die Autoindustrie und ihr Zulieferer.

Und die Folgen für Sie als Anleger? Nun, die Briten - wie auch die Amerikaner - sind seit Jahrzehnten gewohnt, mit schwankenden Börsen zu leben, ja die Börsen auch in Spielplätze umzufunktionieren. Und sie verstehen es immer wieder, die Deutschen in ihr Investment Banking einzubeziehen.

Susanne Schmidt, jahrelang in der Bankbranche tätig und anschließend als Journalistin mit Affinität zu dieser Branche, hat dazu ein Buch mit dem bezeichnenden Titel "Markt ohne Moral" geschrieben. Kurzum, richten Sie sich darauf ein, dass die Kursschwankungen an den Börsen noch in diesem Jahr beginnen. Und zwar zunächst mit einem Kurseinbruch an den Aktienmärkten, weil die bisherige, auf der allzu lockeren Geldpolitik aufbauende Euphorie in London und New York, zum Teil aber auch in Deutschland und anderswo, bald einen Dämpfer erhalten dürfte. Auslöser könnten zum Beispiel negative fundamentale Daten nach der Europawahl sein (also schon im Mai), die das eingangs erwähnte Ausrufen des Aufschwungs in der Eurozone konterkarieren.

Auch wenn ich mich mit dem folgenden Rat wiederhole: Gegen drohende Kursschwankungen, die mit einer Abwärtstendenz beginnen, hilft am besten ein hoher Barbestand auf dem Tagesgeldkonto, flankiert von einem gehörigen Anteil Gold. Dazu eine Anmerkung in puncto Börsenpsychologie: Ihr persönliches Wohlbefinden, das durch den hohen Barbestand ausgelöst wird, während die Aktienkurse rechts und links purzeln, ist in etwa mit dem angenehmen Gefühl zu vergleichen, das Sie befällt, wenn Sie voll in Aktien engagiert sind und die Kurse steigen.

Ich betone: in etwa, aber nicht ganz, denn im ersten Fall verlieren Sie nur kein Geld, während Sie im zweiten Fall Geld verdienen. Aber immerhin: Wenn Sie solche Phasen an der Börse zwei oder drei Mal erfolgreich hinter sich gebracht haben, wird es Ihnen umso leichter fallen, nach dem Kursrückgang wieder zu günstigen Kursen einzusteigen und danach in den Genuss zu kommen, Geld zu verdienen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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