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Die ausgeschaltete Marktwirtschaft

12.05.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
I.

Die Marktwirtschaft ist nicht nur die produktivste, sondern auch die humanste Organisationsform eines Gemeinwesens. Ludwig von Mises (1881 - 1973) hob die gegenseitig nutzbringende Wirkung von Markttransaktionen hervor: "Jeder handelt für sich, doch jedermanns Handeln ist mittelbar auch auf die Erfüllung der Zwecke der anderen Handelnden gerichtet. Jedes Handeln wird dadurch zu einem Mithandeln, jedermann dient handelnd seinen mithandelnden Genossen. Jeder gibt, um zu empfangen; jeder dient, um bedient und bedankt zu werden."

Der freie Markt lenkt die Handlungen der Einzelnen also dorthin, wo sie den Zwecken der Mitbürger am nützlichsten sind. Marxisten sprechen jedoch an dieser Stelle meist von der "Anarchie der Produktion". Und richtig: In einer Marktwirtschaft gibt es keine Zwangsherrschaft, die den Einzelnen unter die Knute eines anderen bringt. Der Einzelne ist frei. Und doch ist er am Wohle aller anderen interessiert: Denn der freie Markt sorgt dafür, dass der Einzelne sein Wohl nur verbessern kann, wenn er die Wünsche der anderen bestmöglich bedient.

Ein zentrales Prinzip der Marktwirtschaft ist das Haftungsprinzip: Jedem steht nicht nur der Erfolg seines Handelns zu, sondern er hat auch die Kosten seines Handelns zu tragen. Wenn etwa der Unternehmer Produkte anbietet, die von den Kunden als am besten angesehen werden, so wird er dafür mit Gewinn belohnt. Trifft er schlechte Entscheidungen, verliert er Kunden, sein Gewinn schwindet, möglicherweise muss er sogar aus dem Markt ausscheiden. Bessere Unternehmer treten an seine Stelle. Der Markt stellt so sicher, dass knappe Ressourcen zum besten Wirt geleitet werden.


II.

In einer Marktwirtschaft müssen Sparer und Investoren auf den Finanzmärkten sorgsam wirtschaften. Kaufen sie zum Beispiel Aktien von Unternehmen, die die Kundenbedürfnisse besser als andere befriedigen, werden sie mit Gewinnen (in Form von Kurssteigerungen und/oder Dividendenzahlungen) belohnt. Andernfalls erleiden sie Verluste.

Gleiches gilt für den Kauf von Schuldpapieren. Kaufen Sparer und Investoren Anleihen von guten Schuldnern, erhalten sie nicht nur Zinszahlungen, sondern am Ende der Laufzeit auch ihr Geld zurück. Erwerben sie hingegen Papiere schlechter Schuldner, kann das den Totalverlust des eingesetzten Kapitals bedeuten.

In einer Marktwirtschaft erhalten gute Unternehmen die notwendigen Mittel, um ihre Produktion, die den Kundenwünschen dient, ausbauen und weiter verbessern zu können. Der Markt stellt auch hier wieder einmal sicher, dass Unternehmen, Sparer und Investoren ihr Handeln in den Dienst der Produktion stellen, durch die die dringlichsten Wünsche der Verbraucher befriedigt werden.

Im Zuge ihrer "Rettungspolitiken" haben die Zentralbanken nun jedoch das Haftungsprinzip de facto ausgeschaltet. Denn sie halten Staaten und Banken, die unter "normalen" Marktbedingungen längst zahlungsunfähig wären, künstlich am Leben. Die Zentralbanken haben die Zinsen auf künstlich tiefe Niveaus gesenkt, und sie haben zudem in Aussicht gestellt, dass strauchelnde Schuldner bei Bedarf jede gewünschte Geldmenge erhalten.

Bei Sparern und Investoren ist die "Botschaft" angekommen. Sie setzen darauf, dass es keine politisch ungewollten Zahlungsausfälle mehr geben wird. Für sie lohnt es sich, Anleihen von strauchelnden Staaten und unwirtschaftlichen Banken zu kaufen. Sparer und Investoren haben damit geradezu den Anreiz, ihr Geld "schlechten Wirten" zu leihen, weil sie dafür einen attraktiven (risikolosen) Zins erhalten. Weil aber schlechte Wirte bekanntlich das Geld für unkluge und unproduktive Verwendungen einsetzen, wird das Abwenden von Zahlungsausfällen erkauft durch geringere Wachstums- und Beschäftigungszuwächse in der Zukunft.


III.

Vermutlich wird vielen dieser "Preis" gerechtfertigt erscheinen: Ist es nicht besser, geringere Wachstums- und Beschäftigungszuwächse in der Zukunft hinzunehmen als Zahlungsausfälle und Rezession und Massenarbeitslosigkeit in der Gegenwart zu akzeptieren? Doch das ist ein Abwägen von Alternativen, die so nicht existieren. Denn künstlich niedrig gehaltene Zinsen und das Vertreiben der Kreditausfallsorgen aus den Finanzmärkten "gesunden" nicht etwa die Volkswirtschaften, sondern sie setzen vielmehr neuerliche Fehlentwicklungen in Gang, die sich in Krisen entladen werden.

Die Auffassung, man könne durch politisch motivierte Veränderungen des Zinses und der Geldmenge Wachstum und Beschäftigung schaffen, entspringt dem Keynesianischen Denken, und damit einer Irrlehre. Denn der "Boom", für den das Zinssenken und das Ausgeben von ungedecktem Papiergeld sorgen, muss im "Bust" enden. Und um dem Bust zu entkommen, muss mehr gespart und weniger konsumiert werden: Knappe Ressourcen müssen verstärkt zum Aufbau des Kapitalstocks eingesetzt werden. Nur ein wachsender Kapitalstock erlaubt ein Ansteigen der Produktivität, die höhere reale Einkommen möglich macht.

Vermehrtes Sparen heißt nun aber nicht, dass Nachfrage ausfällt. Es bedeutet, dass knappe Ressourcen nicht verkonsumiert, sondern für produktive Zwecke eingesetzt werden. Insgesamt bleibt die Nachfrage dadurch unverändert! Nur durch vermehrtes Sparen und Investieren lassen sich die Produktions- und Beschäftigungsverluste, für die der vorangegangene Boom gesorgt hat, aufholen.

Damit aber "richtig" gespart und investiert werden kann, ist eine funktionierende Marktwirtschaft erforderlich. Nur wenn Preise und Zinsen sich im Markt frei bilden können, kann die Volkswirtschaft die notwendigen Anpassungen vollziehen. Sind die Zinsen künstlich gedrückt, und sind die Kreditausfallrisiken verfälscht, weil die Zentralbanken ein (nur scheinbar kostenloses) Garantienetz aufspannen, werden sich die Hoffnungen auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum nicht erfüllen.

Die Marktwirtschaft ist unverzichtbar für produktive friedvolle Kooperation der Menschen, national und international. Das, was sich entwickelt, wenn die Marktwirtschaft ausgeschaltet wird, und sei es "nur" in Teilbereichen, ist nichts Gutes, kann nichts Gutes sein - so sehr man diese Erkenntnis auch bestreiten mag. Es ist daher wichtig, dass die ausgeschaltete Marktwirtschaft in Europa und auch anderswo wieder eingeschaltet wird.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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