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Einmal QE, immer QE

22.05.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Überweist der Staat 105 an die Zentralbank, sinkt die Basisgeldmenge um 105 (auf 95), gleiches gilt für die Geldmenge M1. Die Zentralbankbilanz verkürzt sich entsprechend um 105 (auf 95). Mit anderen Worten: Die Zins- und Tilgungszahlungen, die der Schuldner leistet, wirken deflationär: Sie verringern die umlaufende Geldmenge M1 - und in der Folge vermutlich auch die Preise.

Die Zentralbank muss also, wenn sie ein Schrumpfen der Geldmenge M1 verhindern will, mit den erhaltenen Zins- und Tilgungszahlen neue Wertpapiere kaufen. Dabei reicht es nicht aus, wenn sie von Banken die Papiere kauft! Die Zentralbank muss Wertpapiere von Nichtbanken (Versicherungen, Pensionskassen etc.) kaufen. Nur wenn die Zentralbank von Nichtbanken kauft, kann sie die Geldmenge M1 direkt erhöhen.

Eine QE-Politik läuft daher letztlich darauf hinaus, dass die EZB die Neuemissionen der Staaten kauft: Den Staaten würde der Kaufpreis auf deren Konten überwiesen - und wenn die Staaten das neu geschaffene Geld ausgeben (für Lohn- und Auftragszahlungen), erreicht es die Konten der Nichtbanken. Die QE-Politik führt also in die monetäre Staatsfinanzierung. In der Währungshistorie ging das bekanntermaßen stets zu Lasten des Geldwertes.


Dauerhafter Abwärtsdruck auf die Zinsen

Sollte die EZB zu QE greifen, würde auch noch die letzte große Zentralbank der Welt zu einem bedeutenden Nachfrager auf den Anleihemärkten. Die Folge wäre ein dauerhafter Abwärtsdruck auf die Renditen, nicht nur im Euroraum, sondern weltweit.

Wenn die EZB in das QE einsteigt, wird es um sehr große Beträge gehen. Man bedenke nur: Der Euro-Bankenapparat - und den will die EZB mit QE "retten" - ist der weltweit größte mit einer Bilanzsumme von etwa 30.500 Mrd. Euro (zum Vergleich: Die Bilanzsumme des US-Bankenapparates beläuft sich umgerechnet auf nur 19.500 Mrd. Euro).

Sinkende Euro-Zinsen haben das Potenzial, die Zinsen in anderen Währungsräumen ebenfalls nach unten zu ziehen; etwa dadurch, dass Euro-Investoren ihre Nachfrage nach Anleihen in anderen Währungsräumen ausweiten (was dazu beitragen sollte, den Euro-Wechselkurs zu schwächen). Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich im Euroraum japanischen Zinsverhältnisse einstellen.

Übrigens: Selbst wenn zum Beispiel die amerikanische Zentralbank (Fed) ihre monatlichen Anleihekäufe weiter zurückführt, bedeutet das noch keinen Ausstieg aus den Anleihekäufen. Solange die Fed die gekauften Anleihen nicht wieder verkauft (was derzeit und auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist), wird sie die erhaltenen Zins- und Tilgungszahlungen zu neuen Wertpapierkäufen einsetzen müssen: Solange der Zins nicht null Prozent ist, wird sie ihre Netto-Anleihenachfrage sogar ausweiten müssen.


Schlussfolgerungen

Aus den voranstehenden Überlegungen lassen sich einige Schlussfolgerungen für die Geldanlage ziehen:

  • (1) Die Euro-Anleihe- und Aktienmärkte erhalten einen "Draghi-Put", sobald die EZB zu QE greift (vermutlich in der zweiten Jahreshälfte 2014); die "Crash"-Gefahr ist vermutlich heute schon begrenzt.

  • (2) Mit neuerlichen "Spekulationsblasen" ist zu rechnen; (Vermögenspreis)Inflation, nicht Deflation ist und bleibt die zentrale Bedrohung für das Geldvermögen.

  • (3) Anlegern in Festverzinslichen drohen reale Vermögensverluste, weil die Zinsen niedriger sein werden als die Inflation.

  • (4) Das Aufwertungspotential des Euro dürfte ausgeschöpft sein, mit einem wieder stärkeren US-Dollar kann gerechnet werden.


"Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ausgerechnet die erfolgreichste europäische Zentralbank nach dem Zweiten Weltkrieg - die Bundesbank - in Europa einmal in eine absolute Minderheitenposition geraten würde. Lange galt die Bundesbank als Leitbild für erfolgreiche Geldpolitik. Und darauf baut die heutige Währungsunion auf! Eine solche Institution nun so ins Abseits zu stellen und Positionen, die ihr jetziger Präsident vertritt, in Europa heute beinahe lächerlich zu machen - daß all das möglich ist, bedrückt mich sehr und ist kein gutes Zeichen für die Zukunft. Wir erleben einen Paradigmenwechsel."
Professor Dr. Jürgen Stark, Interview in: Junge Freiheit, 12. Oktober 2012.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Chefvolkswirt Degussa Goldhandel GmbH



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