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Geldpolitische Betäubung - Goldpreis zu niedrig

09.06.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Geldpolitische Betäubung

Zum einen hat das Interesse der institutionellen Investoren an Rohstoff-Investments generell abgenommen. Das beeinflusst sicherlich auch die Goldnachfrage negativ.

Zum anderen haben die Zentralbanken mit ihrer Geldpolitik die Risikowahrnehmung der Marktakteure erfolgreich eingeschläfert. Sie halten strauchelnde Staaten und Banken mit neu geschaffenem Geld, bereitgestellt zu Tiefstzinsen, über Wasser.

Die Tiefzinspolitik hat die akuten Kreditausfallsorgen aus den Finanzmärkten vertrieben, für eine (Schein-)Besserung der Konjunkturlage gesorgt und die Kurse auf den Aktienmärkten in die Höhe befördert. Gleichzeitig ist die Sorge vor steigender Inflation bislang ausgeblieben. Diese beiden Entwicklungen - der Rückgang der Kreditausfallsorgen und das Ausbleiben von Inflationssorgen - dürften dazu beitragen, dass sich die Nachfrage nach Gold zu Absicherungszwecken vermindert hat.

Es ist jedoch nicht überzogen, wenn man mit Blick auf das Konjunktur- und Finanzmarktgeschehen von einer geldpolitischen Betäubung spricht: Die künstlich tiefen Zinsen und die Garantieversprechen geben ein falsches Bild von den tatsächlichen Verhältnissen.

In diesem Sinne schrieb etwa auch der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, am 3. Juni 2014 in einem Gastbeitrag der F.A.Z. das Folgende: 1 "Die Finanzmärkte sind durch die Zentralbankinterventionen und die gegebenen Garantien völlig verzerrt. Risiken werden nicht mehr richtig abgebildet. Mit anderen Worten: Die Finanzmärkte sind abhängig vom Handeln der Zentralbanken."

Die tiefen Zinsen und das Geldmengenausweiten überdecken nicht nur die Krisensymptome, sondern sie sorgen auch für neue Fehlentwicklungen, die sich in Finanzmarkt- und Wirtschaftsstörungen zeigen werden.

Es wird ein Erwachen aus der geldpolitischen Betäubung geben. Mit der gebotenen Vorsicht geurteilt, liegt es nahe, dass der aktuelle Goldpreis die wachsenden Risiken im weltweiten Geld- und Konjunkturgebäude nicht adäquat wiederspiegelt, dass er derzeit zu niedrig ist.

Legt man den Zeitraum Januar 2006 bis heute zugrunde, so würde ein Realzins für 10-jährige US-Staatsanleiherenditen in Höhe von derzeit etwa 0,2 Prozent einen Goldpreis in Höhe von mehr als 1.400 USD/oz nahelegen.

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Exkurs: Wie sich Inflationserwartungen ermitteln lassen und was man bei ihrer Interpretation beachten sollte

Die "herkömmlichen Inflationserwartungen" in den Märkten lassen sich ermitteln. Um daszu erklären, sei vorausgeschickt, dass die Verzinsung einer Anleihe sich zusammensetzt aus einer realen Verzinsung plus einer Inflationsentschädigung.

Seit einigen Jahren bieten Staaten zwei Arten von Anleihen an, die jeweils die gleiche Laufzeit haben: (1) eine Anleihe, die einen nominalen Zinscoupon hat und (2) eine Anleihe, die eine reale Verzinsung zusichert.

Der Zinsunterschied zwischen diesen beiden Anleihen, die jeweils im Finanzmarkt gehandelt werden, zeigt die Inflationserwartung auf. Um das zu zeigen, ermittelt sich der Nominalzins einer Anleihe (mit zum Beispiel 10 Jahre Laufzeit) wie folgt:

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wobei i nom = Nominalzins, i real = Realzins und π erw = Inflationserwartung sind.

Beträgt zum Beispiel der Nominalzins der Anleihe 5 Prozent und der Realzins 3 Prozent, so beläuft sich die Inflationserwartung auf 2 Prozent. Durch Umstellen der obigen Formel lässt sich die Inflationserwartung ermitteln als:

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Würde zum Beispiel der Nominalzins, wie er sich im Finanzmarkt bildet, auf acht Prozent steigen, so wäre die Inflationserwartung (ungefähr) fünf Prozent.

Allerdings ist bei dieser Betrachtung Vorsicht geboten:
(1) Die Inflationsmessung bezieht sich lediglich auf den Konsumentenpreisindex. Die Inflation von Bestandsgüterpreisen (Aktien, Häuser etc.) bleibt hingegen unberücksichtigt.

(2) Zudem unterliegen die Konsumentenpreise dem statistischen Zugriff der staatlichen Ämter, so dass die Inflationsbilanz geschönt werden kann. In einem solchen Falle wäre natürlich auch die mittels inflationsindexierter Anleihen ermittelte Inflation geschönt; die tatsächliche, für den Sparer relevante Geldentwertungsrate läge höher.

Insgesamt betrachtet sind die aus den Anleiherenditen ermittelbaren Inflationserwartungen mit Vorsicht zu interpretieren. Es ist sicherlich nicht abwegig, den Schluss zu ziehen, dass sie vermutlich die tatsächliche Geldentwertungsrate erheblich unterschätzen


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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