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Ein Blech namens Gold und die Inflation

13.01.2006  |  Klaus Singer
Gold befindet sich in seit 2002 einem stabilen Aufwärtstrend - keine Frage. Und ein Ende ist noch nicht absehbar.

Unter den Gold-Käufern befinden sich neben kühlen Rechnern ("The Trend is your friend") viele, schon fast religiös angehauchte Gold-Fans, die zum Futter für die erste Gruppe zu werden drohen, wenn dieser Trend eines zukünftigen Tages zu Ende geht ("... is your friend, until its end."). Zwischen diesen Extrempositionen finden sich ausgemachte Wirtschafts-Bären. Allerdings ist der Gold-Markt beileibe nicht die Heimat aller, gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung pessimistisch eingestellten Akteure. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Spezies, sozusagen eine Untergruppe. Panda, Grizzly oder was? Nennen wir sie einfach Golbären.

Keine Frage: Gold ist ein edles Metall, umgeben von einem Jahrtausende alten Mythos. Bis zum Ende des Systems von Bretton Woods spielte es nicht nur als Edelmetall für Schmuck und industrielle Spezialzwecke, sondern auch monetär eine wichtige Rolle. Mit der endgültigen Aufgabe der Währungsbindung an das Gold in den frühen 1970er Jahren wurde die Tür aufgestoßen für die gigantische Entwicklung des Finanzkapitals, das nun -etwas übertrieben gesprochen- aus dem Nichts Macht schöpfen konnte. Damals wurde der Grundstein gelegt für die Globalisierung, der finanziellen folgte die industrielle Weltherrschaft des Kapitals. Seitdem ist die Geldmenge vor allem in den industriell entwickelten Ländern der Erde explodiert.

Die Bärengattung, die sich für die Positionierung in Gold entschieden hat, folgt einem einfachen Strickmuster: Aus der Beobachtung einer ausufernden Geldmenge wird auf eine (demnächst) galoppierende Inflation geschlossen, gegen die nur (physisches) Gold Schutz bietet. Die Kette klingt logisch. Gleichzeitig ist eine stark inflationäre Entwicklung der einzige, systemkonforme Weg aus der übermäßigen Verschuldung von Staat, Konsumenten und Wirtschaft. Bill Gross von Pimco hat vor Jahren bereits die Alternative aus der Schuldenfalle aufgestellt: "Inflation oder Pleite gehen." Inflation sei der leichtere Weg, sagte er, aber es sei nicht sicher, ob er am Ende nicht auch beim Bankrott herauskommt.

Da die offiziellen Inflationsdaten für die Phantasie der Golbären nicht viel hergeben, werden die Konzepte hinter den Preisindices kritisiert. Sie gäben den wirklichen Preisauftrieb nicht richtig wider und nicht wenige vermuten sogar Verschwörungen. Da ist etwas dran, aber unsere Pelztiere halten sich gewöhnlich nicht lange in den Niederungen der Vergangenheit und Gegenwart auf. Was nicht ist, kann (muss) ja noch werden, irgendwann muss sich die ungeheure Geldvermehrung auf die Preise niederschlagen und kein noch so trickreicher Preisindex wird das dann unter der Decke halten können, so der gängige Glaube.

Der Begründer des Monetarismus, M. Friedman, hat einmal das Wort vom Hubschrauber geprägt, aus dem die Fed im Notfall Geld abwerfen sollte, um einer Krise (sprich Deflation) entgegen zu wirken. Wenn die Geldvermehrung auf diesem Wege stattfinden würde, wäre ihre unmittelbar preistreibende Wirkung naheliegend, wenn auch dann nicht zwingend. Aber aktuell wurde und wird zusätzliche Liquidität über das Finanzsystem eingeschleust. Erst wenn diese auf den Gütermärkten ankommt, könnte sie dort die Preise treiben. Ein großer Teil der Liquidität erreicht die Gütermärkte jedoch nicht. Er bleibt im Finanzbereich hängen und macht dort genau das, was zu erwarten ist. Er treibt die Preise hoch - von Aktien, Anleihen und all den anderen „Assets“. Auf diese Weise treibt es auch den Goldpreis an und trägt über die Aktivitäten entsprechend ausgerichteter Kapitalanlagegesellschaften mit dazu zur Hausse der anderen Rohstoffe bei.

Viel ist gesprochen und geschrieben worden über den Immobilienmarkt in den USA. Private haben sich über die Beleihung ihrer Häuser billiges
Geld besorgt und konsumieren diese Extraprofite. Es scheint, als ob dieser Weg der aktuell einzige, in größerem Stil funktionierende ist, um Zentralbankgeld in die Gütermärkte zu pumpen.

Zwei Dinge sollten dabei zu denken geben:

Erstens ist die Inflationsrate auch durch diesen Transfer nicht übermäßig angesprungen. So hat die Geldmenge in den USA im Jahre 2004 um rund 20 Prozent zugelegt, im selben Zeitraum ist der CPI jedoch nur um gut 3 Prozent angewachsen. Wenn sich der CPI kurzfristig beschleunigt, so ist stets ein enger Zusammenhang zu der Entwicklung der Energiepreise zu konstatieren. Steigende Energiepreise sind zwar die Hoffnung vieler Golbären; aber wenn diese nachhaltig steigen und gleichzeitig das Extraeinkommen aus Immobilien allmählich versiegt, wie es gerade jetzt den Anschein hat, so dürften rasch Substitutionseffekte einsetzen. Höheren Energiepreisen können die Verbraucher nur begrenzt ausweichen, also sparen sie an anderen Ecken. Schlechte Aussichten für die Inflation!

Aktuell rücken die Preise für Rohwaren ins Blickfeld, allgemein werden für dieses Jahr ordentliche Steigerungen erwartet, nachdem dieser Bereich den Rohstoffpreisen bisher noch nicht recht gefolgt war. Aber hier gilt dasselbe - weitere Substitution ist wahrscheinlich - der Verbraucher dürfte dann besonders dort sparen, wo er bereits Produkte hat, nämlich bei der Elektronik und bei den Autos.

Zweitens muss immer wieder nach den Transmissionsmechanismen gefragt werden, die eine steigende Geldmenge in steigende Güterpreise auf den Endmärkten übersetzt. Hierzu ist zwingend erforderlich, dass die kaufkräftige Nachfrage steigt und die den Schlüssel unserer gegenwärtigen Wirtschaft darstellenden Endmärkte noch nicht gesättigt sind. Der Entwicklung der kaufkräftigen Nachfrage sind angesichts der hohen Massen- und Dauerarbeitslosigkeit enge Grenzen gesetzt. Selbst der ob seiner Flexibilität viel gerühmte Arbeitsmarkt in den USA scheint nicht mehr viel herzugeben, wie jüngste Daten zeigen. Und die wichtigen Endmärkte der Elektronik und der Kfz-Industrie befinden sich seit längerem in der Sättigung. Beides zusammen birgt das Potenzial, wovor den Zentralbankern dieser Welt (und nicht nur denen) am meisten graut: Deflation.

Hier, in Massen- und Dauerarbeitslosigkeit sowie in den Sättigungseffekten, liegt der bedeutende Unterschied zur Situation in den 1970er und 1980er Jahren, die den Statistik-Gläubigen unter den Golbären immer wieder gerne als Parallele dient. Heute fehlt das belebende Element beider Effekte und die globalisierte Billig-Produktion setzt noch eins drauf.

Der russische Ökonom Kondratieff, dessen Theorien wir in unserem Buch "Weltsichten - Weitsichten" zusammen mit den anderen, hier gestreiften Themen breiten Raum einräumen, hat im Rahmen seiner langen Wirtschaftswellen der aktuellen Phase die treffende Bezeichnung "Winter" gegeben. Im Winter zieht sich bei uns alles zusammen, wenn wir draußen sind, so auch bei der Wirtschaft: Die Wirtschaftstätigkeit erlahmt, die Preisentwicklung mit ihr. Mancher Goldbär möchte davon nichts wissen und propagiert unverdrossen Hyperinflation im Kondratieff-Winter. Aber das ändert nichts daran, dass die Devise nach dieser Theorie Deflation heißt. Genau diese Perspektive halte ich für zutreffend, auch wenn die Inflation immer einmal wieder kurzfristig aufzuflammen scheint.

In diesem Zusammenhang darf man auf die heute anstehende Veröffentlichen des PPI gespannt sein. Der Erzeugerpreisindex gibt u.a. Aufschluss über die Entwicklung der Marktmacht der Anbieter.

Damit sind wir bei der aktuellen Situation angelangt: Die Bullen kommen auf den Aktienmärkten einstweilen nicht weiter, der erste Schub ist zu Ende. Die Angst vor dem unkontrollierten Platzen der Immobilienblase ist verschwunden, die Phantasie gegenüber den Playern nun aber anscheinend auch, zunächst zumindest. Nun drängt sich das Thema Quartalsberichte in den Vordergrund. Hier scheint man gemessen am Verlauf des NDX und des SOXX darauf zu wetten, dass es in der Technologie vermehrt positive Überraschungen gibt. Außerdem schieben sich natürlich Bedenken hinsichtlich der Entwicklung im Nahen Osten nach vorne. Da liegen Gewinnmitnahmen vor dem langem Wochenende nahe (in den USA "Martin-Luther-King-Day").

Unabhängig davon mahnen bestimmte Indikatoren zur Vorsicht. So steht der TRIN auf der Kippe, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Bullen bald wieder Tempo machen, hoch ist. Anders ausgedrückt, die Zeit für die Übernahme des Regimes durch die Bären ist noch nicht da, selbst wenn es einige "nervige" Tage geben könnte.


© Klaus G. Singer

www.timepatternanalysis.de







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