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Wie Brennpunkte sich auf die Geldanlage auswirken

29.06.2014  |  Manfred Gburek
Es gibt weltweit so viele Brennpunkte, die Ihre Geldanlage betreffen können, dass man sich mit den wichtigsten von ihnen immer wieder beschäftigen sollte. Brennpunkte können politisch wie wirtschaftlich oder finanziell bedingt sein. Sie sind nicht isoliert zu betrachten, sondern meistens verzahnt, wobei die Politik auf Wirtschaft und Finanzen ebenso einwirken kann, wie umgekehrt schon so manche wirtschaftliche oder finanzielle Katastrophe die Politiker überhaupt erst auf den Plan gerufen hat. Man erinnere sich nur an die Ereignisse im Superkrisenjahr 2008, als die Bundeskanzlerin zusammen mit ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück geradezu gezwungen war, den Sparern die - vermeintliche - Sicherheit ihrer Konten zu garantieren.

Beginnen wir mit dem nächstliegenden Brennpunkt: Ukraine. Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), bezeichnet die dortigen Verhältnisse unumwunden als "ein neues Risiko für die Weltwirtschaft" und als "Krise, die man nur sehr schwer messen oder deren Ansteckungsgefahr für andere Länder man kaum vorhersehen kann". Lagarde äußert sich zu allen erdenklichen Facetten der Ukraine-Krise, und zwar so, als handle es sich um den Nabel der Welt.

Obendrein will der IWF dem Land 17 Milliarden Dollar spendieren. Warum? Auf eine kurze Formel gebracht: Weil die USA, die den IWF wegen ihrer Sperrminorität dominieren, das größte Interesse daran haben, dass die Ukraine sich der EU statt Russland zuneigt - ein Strategiespiel mit drei Machtzentren und kaum vorhersehbarem Ausgang. Geschieht dort etwas Unerwartetes, kommt es unweigerlich zu Konsequenzen auch an den Finanzmärkten.

Das lässt sich nicht minder vom Konflikt der Chinesen mit den Japanern im dazwischen liegenden Meer behaupten. Auch hier sind wieder die USA wegen ihrer globalstrategischen Interessen im Spiel, indem sie Japan, im Zweiten Weltkrieg immerhin noch ihr Erzfeind, kräftig unterstützen. Das Ganze wird sich im Fall des Falles auch auf Deutschland auswirken, und zwar so: Deutschland und China sind wirtschaftlich eng verbunden. Das gilt insbesondere für die Autoindustrie. Folglich bleiben wir von keinem Ereignis im Land der Mitte unberührt.

Dort gibt es einen ungesunden Immobilienboom, dessen jähes Ende sich ähnlich katastrophal auf die chinesische Börse auswirken kann, wie das Ende des amerikanischen Häuserbooms 2006 die US-Börse und in ihrem Gefolge auch andere Börsenplätze erschüttert hat. Jetzt braucht man sich nur noch vorzustellen, wie irgendein größerer Konflikt zwischen China und Japan auf die Stimmung an den asiatischen Börsen drückt, und schon sind auch die Kurse deutscher Aktien stark betroffen.

Was das Desaster im Irak und in den benachbarten Ländern betrifft, sei hier Folker Hellmeyer zitiert, Chefanalyst der Bremer Landesbank. Seine folgende Bemerkung sagt besonders viel aus: "Die Demokratie und Freiheit, die die USA mit der Koalition der Willigen dort losgelöst von dem kulturellen Hintergrund eingepflanzt haben, um sich ökonomisch an den Ölvorkommen durch höchst lesenswerte Verträge zu bedienen, ist vollständig gescheitert." Die aktuelle Entwicklung verheißt nichts Gutes.

Fragt man sich, welche finanzielle Schieflage außerhalb Chinas zu gravierenden Konsequenzen für die Aktien weltweit führen könnte, ist eine naheliegende Antwort: irgendein Missgeschick im amerikanischen Hochfrequenzhandel. Dieser zieht mittlerweile fast zwei Drittel des Aktienhandels in den USA auf sich und heißt so, weil er mit einer irren Geschwindigkeit vonstatten geht. Seine Spezialität: Wer Informationen am schnellsten erhält, und sei es nur mit einem Vorsprung von Sekundenbruchteilen, kann sichere Gewinne einstreichen.

Es kommt allerdings darauf an, um welche Informationen es sich handelt, wichtige oder unwichtige. Eine Besonderheit: Es sind überwiegend solche, die ebenfalls der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Nur dass die Börsenhändler sie schneller haben - und dass sie der Versuchung erliegen können, sie zu manipulieren. Auch wenn es beim Crash am 19. Oktober 1987 noch keinen Hochfrequenzhandel in der heutigen Form gab - gewisse Parallelen zwischen damals und heute sind da. Aufschluss gibt das seinerzeit erschienene Sammelwerk von Christine Hirszowicz mit dem Titel "Der Oktober-Crash 1987".

Bei der Suche nach weiteren finanziellen Brennpunkten bin ich auf einige neuere Aussagen von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gestoßen, der bekanntlich auch Mitglied des EZB-Rats ist. Er vertritt die Ansicht, dass Unternehmen sich von den Banken emanzipieren, und meint: "Sie tun das nicht immer freiwillig, weil einige Banken ihre Bilanzen verkürzen müssen." Darüber hinaus sieht Weidmann bei den Anleihen einiger Euroländer die Gefahr, "dass die Marktbewertung den Anpassungsprozessen vorausläuft. Dadurch entsteht ein hohes Rückschlagspotenzial."

Dazu braucht man sich nur vorzustellen, dass dieses Potenzial ja nichts anderes bedeutet, als dass die Renditen französischer, italienischer, spanischer, portugiesischer Anleihen usw. steigen und damit den finanziellen Genesungsprozess dieser Euroländer infrage stellen oder sogar ganz zunichte machen. Die Auswirkungen wären fatal, auch für Deutschland.

Bis zum 4. November soll der sogenannte europäische Bankenaufsichtsmechanismus starten, ein ehrgeiziges Projekt, dem ein Bilanztest vorausgeht. Klingt zunächst gut, ist aber alles andere als das. Denn zwischen der deutschen Finanzaufsicht BaFin und der EZB ist über die Modalitäten ein Streit ausgebrochen. Zusätzlich dürfte der Streit zwischen der EZB, den nationalen Aufsichtsbehörden und der European Banking Authority so gut wie programmiert sein.

Wie man es schaffen will, dass der Termin 4. November eingehalten wird, steht einstweilen in den Sternen. Wobei es ja um eine besonders wichtige Branche geht, die einer Metapher zufolge das Blut für den Wirtschaftskreislauf zur Verfügung stellt. Hoffen wir, dass sie nach den turbulenten Jahren seit Ausbruch der Finanzkrise nicht noch mehr verblutet, sondern endlich ihrer ursprünglichen Funktion gerecht wird, nämlich der Wirtschaft genug Kredite zur Verfügung zu stellen. Mehr als Hoffnung ist derzeit allerdings nicht drin.

Als Anleger darf man die hier kurz skizzierten - und natürlich noch einige andere - Brennpunkte nicht ignorieren. Fatal daran ist, dass ihre Auswirkungen auf die Geldanlage wegen der Kettenreaktionen kaum absehbar sind. Dazu nur ein Beispiel: Angenommen, die von IWF-Chefin Lagarde befürchtete Eskalation der Ukraine-Krise ist unvermeidbar. Dann wird Russland noch näher an China rücken, um ein Bollwerk gegen die EU und die USA zu bilden. Daraufhin hagelt es Sanktionen nach beiden Seiten: hier ein Lieferstopp, da ein Sonderzoll, dort ein Ausfuhrverbot. Dann zeigt sich die negative Seite der Globalisierung: Ganze Lieferketten brechen zusammen, die Wirtschaft erlahmt, aus der Rezession wird eine heftige Krise.

Anschließend schreiten Notenbanken und Regierungen mit massiven Geldspritzen bzw. neuen Schulden ein. Und weil das Ende von Kettenreaktionen wegen ihrer vielen Dimensionen nie absehbar ist, können Anleger sich vor dem hier beschriebenen Ungemach nur durch die Streuung ihres Geldes schützen.

Den Rest kennen Sie als Leser dieser Kolumne ja schon: ein Viertel auf dem Tagesgeldkonto, ergänzt um Bares zu Hause, ein Viertel in Gold, das Sie am besten in Form von Anlagemünzen und Barren an einem sicheren Ort lagern (nicht im Bankschließfach), ein Viertel in Aktien mit antizyklischem Timing und ein Viertel - sofern kein Klumpenrisiko damit verbunden ist - in einem selbst genutzten Haus (alternativ: Eigentumswohnung) einschließlich etwas Land.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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