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Keith Weiner: Die Folgen der negativen Einlagenzinsen in Europa

18.06.2014  |  Johannes Müller
Die Europäische Zentralbank kündigte vor einigen Tagen eine weitere Senkung dreier Leitzinsen an. Seit dem Beginn der globalen Finanzkrise ist dies nichts Ungewöhnliches – wir sind an verzweifelte Reaktionen der Zentralbank gewöhnt. Die Zinsen sind seit Jahrzehnten rückläufig, und der Trend setzt sich fort. Für eine Zentralbank ist es jedoch ungewöhnlich und sogar beispiellos, den Einlagenzins unter null zu senken.

Negative Einlagenzinsen bedeuten, dass Banken für ihre Einlagen bei der Notenbank nicht nur keine Zinsen bekommen, sondern welche zahlen müssen. Es ist als würde man sagen, Liquidität wäre für die Banken ein mit Gebühren behaftetes Privileg. Dies klingt ziemlich verrückt und das ist es auch. Betrachten wir zuerst das, was die EZB zu tun gedenkt. Dann können wir uns damit näher beschäftigen und das wahrscheinlichste Ergebnis herausschälen.

Mario Draghi, Präsident der EZB, erklärte, "diese Maßnahmen zielten darauf ab, die Inflationsrate 2% anzunähern." Die Zentralbank liess letzthin viel über Deflation verlauten. Sie hofft, die Todesspirale von sinkenden Preisen zu vermeiden, indem mehr Euro in Umlauf bringt, sie will, dass die Preise steigen, die Gehälter an Kaufkraft und die Ersparnisse an Wert verlieren.

In einem Papiergeldsystem steigen die Preise unaufhörlich. Dies schadet besonders denjenigen, die an der Armutsgrenze leben und sich Nahrung und Unterkunft kaum leisten können. Steigende Lebenshaltungskosten verringern unsere Kaufkraft, für die Besitzlosen jedoch sind sie tödlich -man muss ein Zentralbanker sein, um Inflation zu wollen.

Durch eine Senkung des Zinses, den Banken für ihre Einlagen bei der EZB erhalten, soll der Anreiz geschaffen werden, dieses Geld lieber als Kredit an Unternehmen zu vergeben, als es bei der Notenbank zu parken. Indem die Banken nun für ihre Einlagen bei der Notenbank sogar negative Zinsen zahlen müssen, sollen diese Sicherheit und die schleppende Kreditvergabe für die Banken zu teuer werden. Dadurch würde mehr Geld in der Wirtschaft geschleust, die Preise würden steigen, der Euro würde geschwächt und die Wirtschaft angekurbelt.

Wird diese Rechnung aufgehen? Eher nicht. Um zu verstehen warum, nehmen wir die Deutsche Bank als Beispiel.

Diese Bank besitzt etwa 16 Milliarden € an Liquidität. Angenommen, sie verleiht eine Milliarde an Volkswagen zur Finanzierung der Übernahme von Scania. Volkswagen zahlt das Geld an die Aktionäre der Scania, welche wiederum das Geld in den Banken deponieren, darunter die Deutsche Bank. Unter der Annahme, dass die Deutsche Bank keine Marktanteile verliert, landet die gleiche Menge an Geld also genau dort, wo es vorher lag. Die Deutsche Bank nimmt es entgegen und platziert es wieder bei der Notenbank - sie kann den negativen Einlagenzinsen nicht entgehen.

Die Liquidität verlässt nie das Bankensystem. Es ist ein geschlossener Kreislauf - das Geld fliesst von einer Partei zur anderen und bleibt doch immer bei einer Bank liegen. Die erneute Kreditvergabe kann nicht vermeiden, dass Liquidität in Europa bei der EZB, oder in den USA bei der Federal Reserve "geparkt" wird.

Es gibt jedoch einen Weg für die Banken, ihre Einlagen bei der EZB zu reduzieren: Sie können von der Notenbank Staatsanleihen und Schuldverschreibungen von Staaten kaufen, denn die EZB muss keine Euros bei einer Handelsbank hinterlegen. Wird diese Liquidität für die Handelsbanken zu „teuer“, werden sie sich dieser daher durch den Kauf von Staatsanleihen entledigen.

Der tatsächliche Effekt der neuen EZB-Politik wird deshalb nicht mehr Kredite an Unternehmen oder höhere Verbraucherpreise zur Folge haben - dafür werden die Zinsen der Staatsanleihen weiter sinken. Vor der Ankündigung der Notenbank lag die Rendite für 10-jährige irische Staatsanleihen schon niedriger als die der 10-jährigen US-Staatsanleihen; die Preise für spanische Staatsanleihen lagen kaum darüber. Durch die neue Regelung werden diese Zinsen weiter fallen, so dass sich Europas zahlungsunfähige Regierungen noch mehr verschulden können.

Die EZB sieht sich erheblichen politischen Hürden gegenüber, die sie davon abhalten, direkt Staatsanleihen in Milliardenhöhe zu kaufen, wie es die FED seit Jahren in den USA tut. Aber der Deflationsfalle auf diese Weise entkommen zu wollen, führt genau zu diesem Ergebnis.


© Keith Weiner

Exklusiv übersetzt von Johannes Müller (www.verlag-jm.ch)



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