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Die Kapitalflucht

23.01.2006  |  Walter K. Eichelburg
Im meinem Artikel "Das Märchen von den Deflation" Ende 2005 habe ich beschrieben, wie eine "Deflation" wirklich aussieht, nämlich ein Deflation der Vermögenswerte bei gleichzeitiger Inflation der Lebenshaltungskosten. Dieser Artikel geht auf die Ursachen von solchen Währungskrisen ein, nämlich die Kapitalflucht. Im Moment findet eine Flucht aus Geldwerten und Währungen in Rohstoffe sowie Gold/Silber statt. Irgendwann werden die Zentralbanken gezwungen werden, die Zinsen massiv anzuheben, was eine Wirtschaftskrise auslöst.


Bestandsaufnahme

Im Moment (Mitte Januar 2006) steigen die Aktienkurse, unter anderem verursacht durch eine gewaltige Ausdehnung der Geldmengen weltweit. Die amerkikanische Fed hat zwar die Zinsen inzwischen auf 4,25% erhöht, die EZB dagegen kann sich nicht durchringen ihre eigenen Leitzinsen auf über 2,25% zu erhöhen. Die Bank of Japan hat seit Jahren praktisch einen Null-Zins und monetisiert derzeit 42% des japanischen Budget-Defizits!

Das Ergebnis sieht man in der Zunahme der M3-Geldmenge in 2005:

Kein Wunder, dass die Banken in Amerika und Europa übereinander herfallen, um Kredite vergeben zu können. Wir leben weltweit in einer absoluten Kredit-Bubble.

In China nimmt die Geldmenge sogar um 16% jährlich zu.
In den USA nimmt M3 derzeit annualisiert um über 15% zu.

Quelle: Puru Saxena, Red Alert - Monetary Flood!


Warum diese Niedrigzinsen?

Nach kontinuierlichem Kreditwachstum seit Anfang dieses Kondratieff-Zyklus seit ca. 1950 hat mit dem Aktien-Crash im Jahr 2000 die Deflations-Phase eingesetzt, in der der übermässige Kredit abgebaut wird. Nach einem "Abstieg" der Aktienkurse mit einigen Großpleiten in den Jahren 2000 bis 2002 haben die Zentralbanken weltweit mit Niedrigstzinsen eine mächtige Reflation eingeleitet. Als Ergebnis sind zwar verschiedene Assets wie Immobilien weltweit im Preis gestiegen, jedoch hat keine gesunde Wirtschaftserholung eingesetzt, da die riesige Verschuldung von Staate, Firmen und Privatpersonen nicht abgebaut wurde. Speziell in den USA und in Grossbritannien hat man die Privatverschuldung über eine "Housing-Bubble" noch mächtig gesteigert. Das ist jetzt vorbei.

Wenn man sich den Euro-Raum ansieht, dann stellt sich die Lage so dar:
  • die EU erweitert sich zwar, verliert aber den inneren Zusammenhalt
  • nach Außen hin versucht man sich mit "Geldspenden" für alle möglichen Zwecke von realen Entscheidungen freizukaufen
  • die Politiker haben den Sinn für die Realität verloren, sie wollen etwa nicht akzeptieren, daß die Europäer die Türkei nicht in der EU haben wollen
  • die "Masstricht-Kriterien" mit der 3% Neuverschuldungsgrenze werden fast nirgends eingehalten
  • die inneren wirtschaftlichen Spannungen nehmen zu (Boom in Irland, Spanien; Flaute in Deutschland, Italien)
  • Italien droht bei einer weiteren Verschlechterung der Wirtschaftslage aus dem Euro auszusteigen
  • Mit hohen Budgetdefiziten und niedrigen Zinsen versucht man den Euro runterzuinflationieren


Die "Qualität" des Euro

Ursprünglich war der Euro eine französische Idee um dem US-Dollar etwas gleichwertiges als Reservewährung entgegensetzen zu können. In der Literatur gibt es unzählige Beweise dafür, dass die Aufgabe der "harten" D-Mark zugunsten einer Gemeinschaftswährung der französische Preis für die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 war. Darum wollte man auch unbedingt einen Franzosen als EZB-Präsdenten haben.

Man hat vor einigen Jahren mit allen Mitteln versucht, Wim Duisenberg durch Jean-Claude Trichet zu ersetzen und war damit erfolgreich. Nur hat sich Trichet leider vom Paulus zum Saulus gewandelt. Als früherer französischer Zentralbankpräsident ist er für einen "harten" Franc und eine Bindung an die D-Mark eingetreten, als EZB-Präsident vertritt er eine "weiche" Linie.

Obwohl viele Euro-Länder seit vielen Jahren das 3% Maastricht-Kriterium verletzen, gibt es keine Sanktionen, wie im Vertrag vorgesehen. Sogar eklatante Schwindeleien (Italien, Griechenland - 6%) werde de fakto nicht geahndet. Als "Strafe" müssten dann eigentlich die Zinsen im Euro-Raum auf ein Mass angehoben werden, das nach Aussen eine Stabilität der Währung verspricht.

Die derzeitige EZB-Währungspolitik kann also kurz so umrissen werden: "Die EZB sieht es als ihre eigentliche Aufgabe an, die bestehenden EU-Regierungen und besonders die französische Regierung unter Chirac im Amt zu halten."

Der Euro ist also eine typische Weichwährung geworden. Er ist zwar durch den Handelsbilanz-Überschuss etwas besser als der Dollar. Aber ansonst unterscheidet ihn zusammen mit dem Yen wenig.


No place to hide?

Also, kann man sich nirgends vor dieser "Competitive Devaluation" Politik der Zentralbanken verstecken? Volkmar Hable schreibt in "No Place To Hide?", dass die USA versuchen könnten, den Euro durch Stärkung "zu vernichten", d.h. zum Zerfall zu bringen. Der starke Euro-Anstieg im Jahr 2004 hat den EU-Politikern auf jeden Fall weh getan.

Er schreibt weiter: "In fact, I would argue that for monetary policies the "Mother of all Monetary Tests" is unfolding right now, as it may be that monetary stimulus is no longer going to boost the economy, but inflation alone, which would lead in a benign scenario to stagflation and in a worst case scenario to a inflationary depression á la 1980s in Latin America."

Übersetzung: "Ich meine, dass die "Mutter aller monetären Tests" sich gerade entfaltet. Die monetäre Stimulierung stimuliert nicht mehr die Wirtschaft sondern nur noch die Inflation. In einem "einfachen" Szenario führt das zu Stagflation und im einem "harten" Szenario zu einer (hyper-) inflationären Depression wie in den 80er Jahren in Lateinamerika."

Er fügt dann hinzu dass er ein deflationäres Szenario nicht ausschliesst, aber beim "Track Record" von Greenspan und Bernanke das hyperinflationäre Szenario wahrscheinlicher ist. Jim Puplava und Marc Faber sehen es ähnlich.

Wie es aussieht, wollen alle anderen Währungen und damit auch der Euro diesem Weg folgen. Für den Investor heisst das, dass eigentlich keine Fiat-Währung vor einer solchen Abwertung sicher ist.


Die Angst der Politiker

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der letzten Jahre haben offenbar alle Politiker zermürbt. Überall wird nicht mehr vom Sparen, sondern von Wirtschaftsankurbelung und Arbeitsbeschaffung gesprochen. Das gilt nicht nur für westliche Demokratien sondern auch für das "kommunistische" Regime in China, das eine Revolution fürchet. Bei der Asienkrise 1997 sind dort viele Regime gefallen. Daher gibt man den Amerikanern und jedem anderen, der die Exporte kauft, unbegrenzt Kredit.

Es genügt, sich die Reaktionen auf den Baby-Zinsschritt der EZB auf 2,25% anzusehen. Der Protest der Euro-Politiker war so groß, dass man bei der nächsten Gelegenheit auf eine weitere Anhebung verzichtet hat. Nicht nur hat man auf den nächsten Zinschritt verzichtet, man hat auch Anfang Januar 2006 bereits über 10 Tonnen Euro-Zentralbankgold auf den Markt geworfen um den Goldpreis zu drücken.


Das dicke Ende ist bereits unterwegs

Nachdem es für Investoren keine Ausweichmöglichkeiten in sichere, stabile Währungen mehr gibt, bleiben nur mehr 2 Möglichkeiten offen:
a.) man geht in die stark überbewerteten Aktienmärkte die jederzeit crashen können
b.) man geht in Rohstoffe und Gold

Der Ölpreis hat schon 2004 und 2005 stark angezogen, von ca. 10 US$/Barrel in 1999 auf über 70 US$/Barrel in 2005. Die Metalle und Gold folgen.

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Die Zunahme des Goldpreises in Euro von etwa 330 €/oz auf ca. 450 €/oz ist eindrucksvoll, aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.

Wirklich ausgebrochen ist der Goldpreis erst ab Juni 2005, wo er 350 €/oz erreicht hat. Seitdem haben alle Versuche, ihn zu drücken, versagt. Der Ausbruch in Euro war signifikanter als in USD, weil wegen der Niedrigzinsen im Euroraum der USD zugelegt hat.

Silber hat noch mehr zugelegt. Gary Dorsch schreibt in Global Stock Market Rallies are Optical Illusions, but Gold could Soar to $770 per ounce", dass in der 2. Jahreshälfte 2005, Gold eine der besten Assetklassen war. Während sich der Eurostoxx-600 Index im Jahr 2005 um 23% erhöht hat, ist der Goldpreis in Euro um 31% gestiegen. Physisches Gold war also eine bessere Anlage als europäische Aktien, die sich gegenüber US-Aktien hervorragend entwickelt haben.

Die Nominierung von Ben "Helicopter" Bernanke zum Fed-Chef hat wahrscheinlich diesen Goldanstieg ausgelöst. Aber man darf nicht vergessen, dass seine europäischen und japanischen "Kollegen" in Wirklichkeit nicht viel besser sind.

Schön langsam dämmert den Märkten diese Tatsache, daher auch die Flucht in die letzte Währung, die von diesen gegenseitigen Abwertungen nicht betroffen ist - Gold. Bisher kaufen nur einige Investoren und einige Zentralbanken wie in Russland oder Argentinien bereits Gold. Aber je höher der Goldpreis steigt, umso mehr Investoren werden einsteigen, bis irgendwann auch die grosse Masse von einem "Goldrausch" ergriffen wird.

Mike Hoy schreibt in seinem Artikel Percentages versus Multiples: "the fuse has been lit". Also, die Zündschnur der Bombe unter dem gegenwärtigen Finanzsystem ist angezündet worden. Er schreibt auch, dass wir uns später an die schönen Gewinne mit Edelmetallen in den Jahren 2006 und 2007 zurückerinnern werden.

Ich schätze, dass ab einem Goldpreis von etwa 1.000 $/oz die verschiedenen Zentralbanken mit ihren Währungen um das Überleben kämpfen werden. Dieser Fall kann schon im 1. Halbjahr 2006 eintreten, besonders wenn es zu einem Iran-Krieg kommt. "There is no rush like a gold rush".

"Überleben" können die Fiat-Währungen, hinter denen nur Kredit steckt, nur dann, wenn sie genügend Stabilität und Rendite versprechen. Stabilität bezieht sich sowohl auf den Wert als auch auf ein geringes Verlustrisiko (Bankpleiten).


Welche Zinsen sind angemessen?

Wenn ich als Investor mit der praktisch risikolosen Anlage Gold mehr verdienen kann als mit risikoreichen Aktien, dann gehe ich natürlich in das Gold. Risikolos ist Gold deshalb, da es im historischen Vergleich immer noch billig ist, wie Adam Hamilton in "Real Gold Highs?" (dt. Übersetzung: Reale Gold Hochs?) nachweist:

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Nach seinen Berechnungen ist 550 US$/oz immer noch billig, da der bisherige Spitzenwert von 850 US$ in 1980 nach Inflationsberechnung (CPI) heute ca. 2.200 US$ ausmachen würde und nach M3-Geldmengenberechung 3.570 US$. Der Mittelwert seit den 80er Jahren wäre inflationsbereinigt 1.250 US$.

Also, ein Anstieg des Goldpreises auf 1.250 US$ wäre nur eine Normalisierung, aber mehr als eine Verdoppelung zu heute.

Welche Zinsen für risikoarme Geldanlagen wären daher angemessen? 15%, 25%, 50% oder gar 100% pro Jahr?

Alle diese Zinssätze führen bei der heutigen hohen Verschuldung selbstverständlich zum sofortigen Kollaps des Bankensystems, allein schon wegen der über 300 Trillionen $ Derivate.

Daher ist auch die Drückung des Goldpreises für die Zentralbanken ein Kampf auf Leben und Tod. Nur, der Gold-Geist ist inzwischen aus der Flasche entwichen und führt eine beachtliche Performance vor.


Unrealistisch?

Schauen wir uns einmal die letzte größere Wirtschaftskrise 1992 an. James D. Davidson und William Rees-Mogg sind in Ihrem Buch "The Great Reckoning" - 1992, davon ausgegangen, dass sich diese Krise in eine weltweite, deflationäre Depression verwandelt. Das ist nicht eingetreten, aber die Auswirkungen etwa in Skandinavien waren massiv. Schweden, Finnland und einige andere Staaten sind in eine echte Depression eingetreten und mußten ihre Währungen mit kurzfristigen, hohen Zinsen verteidigen:
  • Schweden 500%
  • Norwegen 600%
  • Portugal 1000%

Die Hauptursache waren Zweifel an der Qualität dieser Staatsanleihen, unter anderem durch hohe Sozialausgaben und permanente Defizite verursacht. Man musste sofort die Staatsausgaben massiv kürzen - und das in einer Krisensituation. Die betroffenen Währungen haben trotzdem massiv abgewertet. Nur damals war die Verschuldungssituation noch harmlos in Vergleich zu heute.

Sollte ein betroffener Staat in einer solchen Krise versuchen, die Staatsschulden und andere Schulden zu monetisieren, dann wird die Kapitalflucht noch stärker. Besonders betroffen wären hier die USA mit ihren riesigen Auslandsschulden in leicht verkaufbaren Bonds. Wenn die psychologischen Tricks plötzlich nicht mehr funktionieren, wird aus dem heutigen Vertrauen sofort Misstrauen. Aber wenn es die USA erwischt, wird das Vertrauen in andere Währungen auch weg sein, den sie sind eigentlich Derivate des US-Dollars.


Daher meine Prognose

Durch den weiter steigenden Goldpreis werden die Zentralbanken irgendwann gezwungen werden, die Zinsen massiv anzuheben. Das wird dann eine brutale Deflation auslösen. Derzeit geht es nur um das Hinausschieben dieses Zeitpunkts. "Inflate or Die", wie Richard Russel schreibt.

Die Masse der Finanzanlagen ist auf jeden Fall verloren, denn die heutigen Schulden können nie wieder zurückbezahlt werden. Egal, ob die Deflation früher oder später kommt.

Wann (auf viele Leseranfragen): Vielleicht noch 2006, sicher aber bis 2010.

Rechnen Sie mit einem Spitzen-Goldpreis von 5.000 $/oz bis 1 Million $/oz, je nachdem, wie weit man eine Hyperinflation voranbringt, bis diese schlussendlich zusammenkracht. Bei 5.000 $/oz müsste schon sehr viel Kapital und früh durch Bankrotte vernichtet werden. Der Euro wird bei einer solchen Belastung bereits zerbrochen sein, daher versuche ich gar nicht, einen Euro-Gold-Spitzenpreis anzugeben.


Zusammenfassung

Die Trickkiste der Zentralbanken wird zunehmend leerer. Man kann nur mehr mit weiteren Manipulationen wie der Nichtveröffentlichung und Verfälschung von Statistiken die Anleger im (Papier = Fiat) Geld halten. Mit dem seit Sommer 2005 stark steigenden Goldpreis ist ein mächtiger Konkurrent entstanden. Die Kapitalflucht in Rohstoffe und Gold hat bereits begonnen. Bereits heute müssten Zinsen von 25% oder mehr geboten werden, um mit dem Goldpreis einigermassen mithalten zu können. Das hält das hochverschuldete Finanzsystem aber nicht aus. Wenn das noch mehr Leute entdecken und sie werden es, dann heisst es: "Game Over".


© Von Walter K. Eichelburg



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