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Warum EZB und Fed auf Geldwertstabilität pfeifen

07.09.2014  |  Manfred Gburek
Es gehört zu den Grundprinzipien der Politik, Verluste zu sozialisieren. Das funktioniert so: Braucht der Finanzminister Geld, zapft er am liebsten, weil am effektivsten, die Masse der Bevölkerung an. Das geht problemlos über Verbrauchsteuern, wie Umsatz-, Mineralöl- oder Tabaksteuer. Was dem Bund recht ist, kann demzufolge den Ländern und Kommunen nur allzu billig sein. Folglich erhöhen sie die Grunderwerbsteuer bzw. die Grundsteuer. Hat ein Bundesland schlecht gewirtschaftet, holt es sich die Kohle dank Länderfinanzausgleich von einem anderen Bundesland, wobei von Fall zu Fall schon mal der Soli als beispielgebend herhalten muss.

Die Nutznießer dieser Bestrafung der Ahnungslosen und Tüchtigen sprechen dann gern von Solidarität. Die wird derzeit auch anderweitig bemüht: Weil Deutschland Nato-Mitglied ist, wirft die Bundesregierung bisherige Exportbeschränkungen für Waffen einfach über den Haufen und lässt sich durch die Lieferung von allerlei scharfem Gerät in den Irak-Krieg hineinziehen. So wird Solidarität, zumal noch getarnt als humanitäre Hilfe, einfach auf die internationale Ebene gehoben. Die Kanzlerin ist gegen die von den USA angeführte Nato-Phalanx machtlos. Und Exportrestriktionen, die früher dank Außenwirtschaftsgesetz oder Kriegswaffenkontrollgesetz zumindest das Schlimmste verhindert haben, nämlich direkte Lieferungen in Kriegsgebiete? Einfach weggewischt.

Ähnlich steht es um die Position Deutschlands in der Ukraine-Krise: Alles, was die Kanzlerin zur Beschwichtigung vorschlägt, wird von den Nato-Falken bestenfalls zur Kenntnis, aber keinesfalls so ernst genommen, dass daraus wirklich ein schneller Frieden erwachsen könnte. Den ihr von angelsächsischer Seite angehängten Titel, angeblich die mächtigste Frau der Welt zu sein, kann sie vergessen. Ukraine, das bedeutet: Machtkampf zwischen den USA und Russland; für deutsche - politische wie wirtschaftliche - Befindlichkeiten ist da kein Platz. Machen wir uns nichts vor, im Nahen Osten und rund um die Ukraine ist die symbolische rote Linie längst überschritten. Sie bedeutet, dass es kein Zurück gibt.

Obwohl der folgende Vergleich nicht auf Anhieb einleuchten mag: Auch EZB-Chef Mario Draghi hat die rote Linie hinter sich gelassen, und zwar nicht erst mit der Entscheidung vom vergangenen Donnerstag, den Leitzins auf lächerliche 0,05 Prozent zu senken, sondern mit einem längst in die Annalen eingegangenen Beschluss, die Inflation wuchern zu lassen. Wahrscheinlich fragen Sie sich jetzt: Wuchern, und das bei nur noch 0,3 Prozent Inflation in der Eurozone? Klar doch, denn Draghi hat Spuren hinterlassen, die keine andere Deutung erlauben: im Juli 2012, im Februar und August 2014, am besagten Donnerstag sowie hin und wieder auch zwischendurch. Damit hat er die Geldpolitik der EZB weitgehend an die der amerikanischen Notenbank Fed angeglichen.

Wenn Regierungen ohne Rücksicht auf mögliche schreckliche Folgen ihr ganzes Droh- und Machtpotenzial einsetzen, wie im Nahen Osten und in der Ukraine, und wenn es die führenden Notenbanken der Welt - nicht zu vergessen die völlig durchgeknallte japanische - auf unbegrenzt mehr Inflation ankommen lassen, dann liegt die Frage nahe: Wer sind die Verlierer, wer die Gewinner? Einen Teil der Antwort habe ich heute mit meinem ersten Satz gegeben: Verluste werden sozialisiert. Das geht bekanntlich über die genannten Steuern, über die von Regierungen erzwungene Solidarität im Allgemeinen und den Soli im Besonderen, und es geht über das ganze den Notenbanken zur Verfügung stehende Trickarsenal.

Einem fiskalpolitischen Grundsatz zufolge muss die Masse der Bevölkerung den größten Teil der finanziellen Opfer tragen, damit die Staatskasse ordentlich gefüllt bleibt. Das geht bekanntlich über Steuern, Abgaben und Schulden - nicht um Schulden der Bevölkerung, sondern um die des Staats, also etwa Staatsanleihen. Von daher gesehen erscheint die Geldbeschaffung besonders interessant, und zwar gerade im Euroraum, wo deutsche Anleger solidarisch - ohne sich allerdings darüber im Klaren zu sein - nicht allein Bundes- und sonstige Anleihen zuhauf horten, sondern auch die der anderen Euroländer.

Wie, Sie besitzen keine Anleihen? Doch, irgendwie schon, nämlich indirekt, zum Beispiel über Ihre Kapitallebensversicherung oder Ihren Anspruch auf eine Betriebsrente. Bisher entwickelten sich Anleihen, sieht man von fehlgeschlagenen Unternehmens- oder von Argentinien-Anleihen ab, ganz ordentlich: Ihre Kurse stiegen und stiegen, dem sinkenden Zinsniveau sei Dank. Aber neue Anleihen warfen immer weniger Zinsen ab, ein Kollateralschaden, der in Zukunft besonders die Besitzer von Versicherungspolicen, Rentenansprüchen, Rentenfonds, Sparbriefen und Konten aller Art treffen wird. Das ist zwar längst bekannt und an dieser Stelle schon vielfach kommentiert, aber zu den meisten Anlegern noch nicht durchgedrungen - oder vielleicht doch jetzt, da die jüngste Leitzinssenkung ganz Deutschland in Angst und Schrecken versetzt zu haben scheint.

So viel zu den Verlierern. Und die Gewinner? Lassen wir hoch verschuldete Länder und sogenannte systemrelevante Banken beiseite, weil sie für die private Geldanlage nur mittelbar von Interesse sind, so konzentriert sich die Antwort auf private Reiche, die ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht haben, auf Eigentümer von preislich hochgeschossenen Immobilien in begehrten Lagen, auf Besitzer von Aktien (sofern es sich nicht um Flops handelt), von Aktienfonds (falls der Fondsmanager gut war), von Anleihen hoher Bonität und von vergleichbaren Rentenfonds.

Anleger in Gold, Silber, anderen Edelmetallen, Rohstoffen, in entsprechenden Aktien und Fonds gehörten nur bis vor drei Jahren zu den Gewinnern, danach lief es für sie nur zeitweise positiv. Doch wir schreiben jetzt aus den hier skizzierten politischen und ökonomischen Gründen eine neue Zeitrechnung, und da ist die Frage berechtigt, was sich bei den Favoriten der Anleger - der privaten wie der institutionellen - ändern könnte.

Zweifellos werden sie noch mehr als bislang üblich auf die Gefahr negativer Realzinsen achten, also auf mögliche reale Verluste aus Anleihen oder anderen Geldwerten nach Abzug der Inflationsrate von den Nominalzinsen. Sie werden besonders die Geldpolitik der amerikanischen Fed ins Visier nehmen und einmal mehr feststellen, dass sie eher auf Wirtschaftswachstum als auf Geldwertstabilität ausgerichtet ist - und dass die EZB dabei ist, genau darin der Fed zu folgen. Kurzum, Fed und EZB werden auf einen stabilen Wert von Dollar bzw. Euro pfeifen, Hauptsache, der Wirtschaft und speziell den Banken geht es gut.

So gesehen drängt sich die Frage auf, ob Gold und Silber inzwischen nicht total unterbewertet sind. Wenn man allein die kommende Anti-Stabilitätspolitik von Fed und EZB in Betracht zieht, sind sie unterbewertet. Wägt man darüber hinaus ab, ob Aktien und Immobilien als Konkurrenten der Edelmetalle noch weiteres Gewinnpotenzial bergen und deshalb den nächsten Preisanstieg von Gold und Silber bremsen könnten, lautet die Antwort: Deren Unterbewertung reicht als Kaufmotiv, die einzige Kunst besteht jetzt nur noch im richtigen Timing.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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