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Gold und Silber für Geduldige

21.09.2014  |  Manfred Gburek
Unter Börsianern und Prognostikern macht schon mal der abgedroschene Jux-Satz die Runde: Prognosen sind besonders schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Der Satz muss neulich wohl auch EZB-Chef Mario Draghi in den Kopf gestiegen sein, als er sich mal wieder mit der möglichen Entwicklung der Inflation in den kommenden Jahren beschäftigte. Und kurz darauf dürfte auch die Fed-Vorsitzende Janet Yellen an den Jux mit den schwierigen Prognosen gedacht haben, als sie sich zum amerikanischen Leitzins bis 2017 äußerte.

Beide müssen quasi von Amts wegen so tun, als seien Inflationsraten und Zinsen prognostizierbar. Dabei geben sie nur Leitlinien vor, an denen sich die Finanzwelt orientiert, wissen aber ganz genau, dass die Zukunft im Dunkeln bleibt. Wozu also das alles? Damit überhaupt konkrete Zahlen im Raum stehen, mögen sie sich später als noch so falsch erweisen - schließlich wird wohl im Jahr 2017 kaum noch jemand nachforschen, was die beiden Zentralbanker 2014 gesagt haben.

Draghi hat gesagt, "dass die jährliche HVPI-Inflation im Jahr 2014 bei 0,6 Prozent, im Jahr 2015 bei 1,1 Prozent und im Jahr 2016 bei 1,4 Prozent liegen wird" (Originalton in offizieller Übersetzung). HVPI ist der harmonisierte Verbraucherpreisindex für den Euroraum. Er liegt aktuell, Stand August, bei 0,3 Prozent. Erste Stimmen sind zu hören, er könnte, Stand September, unter null Prozent rutschen. In genau acht Tagen wissen wir mehr.

Damit zusammenhängend macht wiederholt ein Wort die Runde, bei dem es den Zentralbankern mulmig wird: Deflation. Dass gleichzeitig Aktienkurse und Immobilienpreise auf Rekordhöhen verharren, nachdem sie jahrelang inflationiert haben, wird dann stillschweigend ausgeblendet. Deflation ist ein Gespenst, das - zum Teil mit Unterstützung von Professoren - an die Wand gemalt wird, damit Draghi mit einer noch expansiveren Geldpolitik als bisher ungehemmt weitermachen kann. Diese soll bekanntlich auch aus dem Kauf von Asset Backed Securities (Gemisch aus verschiedenen Finanztiteln und Forderungen) und aus Pfandbriefen bestehen. Der Startschuss ist schon für den 2. Oktober vorgesehen.

Widmen wir uns noch kurz der Prognose von Fed-Chefin Yellen zum amerikanischen Leitzins, weil seine kommende Entwicklung in den USA gerade jetzt heiß diskutiert wird. Er soll 2017 bei 3,75 Prozent liegen. Das wäre im Vergleich zu aktuell etwas über null Prozent ein gewaltiger Sprung. Eine entsprechende Prognose der EZB für den europäischen Leitzins gibt es noch nicht. Und so spekulieren Großanleger munter auf einen weiteren Dollar-Anstieg gegenüber dem Euro. Nicht nur das, auch den Schweizer Franken nehmen sie ins Visier, weil sie mit seiner Entkopplung vom Euro schon in absehbarer Zeit rechnen. Diese würde dazu führen, dass der Franken mal wieder in Richtung Parität strebte; derzeit pendelt er um 1,20 Franken je Euro.

Welche Rolle spielt in dem hier skizzierten Umfeld von Inflation, Zinsen und Währungen eigentlich das Gold? Diese Frage muss man sich in Anbetracht des Preisverfalls immer wieder aufs Neue stellen, weil es gilt, möglichst viel Gold und Goldaktien (einschließlich Silber und Silberaktien) zu besitzen, sobald sein Preis nachhaltig zu steigen beginnt. Das wird geschehen, wenn es zur folgenden Entwicklung kommt:

Das Zinsniveau in den USA steigt weniger als erwartet, die Konjunktur entwickelt sich dort enttäuschend, die internationale Geldschwemme bleibt oder wird sogar stärker, Anleger rechnen mit mehr Inflation, die Minen produzieren merklich weniger, die letzten Spekulanten steigen aus, Chinesen, Inder und weitere Asiaten räumen das verfügbare Goldangebot ab wie immer, wenn die Preise ihnen lukrativ erscheinen.

Dazu gehört auch diese Überlegung: Die hohen Aktienkurse und Immobilienpreise sind primär geldgetrieben, haben sich also von fundamentalen Daten entkoppelt. Sie beruhen zunehmend auf überzogenen Gewinnerwartungen oder - was noch schlimmer ist - auf der Hochrechnung vergangener Trends. Man denke nur an die amerikanische Häuserblase bis 2007 oder aktuell an das Märchen von der kommenden Konjunktur in Europa - während Konzerne wie Daimler oder BASF mit ihren Mammutinvestitionen in den USA gerade die dortige Konjunktur anheizen. Auch der Goldpreis ist ein Spiegelbild von Erwartungen, etwa zur kommenden Inflation oder zum Platzen der globalen Schuldenblase.

Sind diese Erwartungen etwa weniger realistisch als die Hoffnung auf noch höhere Aktienkurse und Immobilienpreise? In Anbetracht der jüngsten Entwicklung alles andere als das. Es geht nicht darum, ob der Goldpreis in den kommenden Jahren seinen bisherigen Höchststand überschreitet (das ist so gut wie programmiert), sondern wann er zu steigen beginnt. Es kommt also auf das Timing an und damit auf die Geduld der Anleger. Ob dann Inflationserwartungen, das Platzen der Schuldenblase oder irgendein anderes Ereignis den Ausschlag geben wird, ist nicht so wichtig.

Ein solches Ereignis könnte übrigens allein schon das offizielle Eingeständnis sein, dass die europäische Konjunktur den Bach heruntergeht (was sie ja tatsächlich tut, nur will das weder irgendeine Regierung noch die EZB eingestehen). Ein Ereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre auch, wenn die EZB die Waffen streckte, weil sie mit ihrer jetzigen Geldpolitik keinen Erfolg hat. Außerdem ist das Zusammentreffen beider Ereignisse denkbar. In dieser Hinsicht bahnt sich bereits etwas an: Die EZB hat die Bundesregierung gerade aufgefordert, Steuern zu senken und die Konjunktur darüber hinaus fiskalisch anzukurbeln. Das heißt, der Bund soll sich höher verschulden. Pikanterweise steckt auch Jörg Asmussen hinter dieser Aufforderung, früher EZB-Direktor, dann ins Wirtschaftsministerium abgetaucht.

Sicher arbeiten die Wirkungsmechanismen nicht so, dass man von den hier beschriebenen Problemen der Europäer einfach direkt auf die Goldanlage schließen kann. Aber indirekt schon, denn gerade die jüngste Entwicklung in Europa schreit geradezu nach einem festen Anker, mit dem Anleger sich für längere Zeit schützen können. Euro-Anleihen und -Tagesgeld taugen dafür nicht (bestenfalls sind sie liquide Zwischenstationen), eher erscheint eine entsprechende Spekulation in Dollar und Schweizer Franken reizvoll, Aktien und Immobilien kommen wegen der hohen Bewertung nicht mehr infrage. Gold (und Silber) für Geduldige, so lautet das Fazit.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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