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Neue Gedankenspiele zum Gold

02.11.2014  |  Manfred Gburek
War das eine Woche! Erst stoppt Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Fed, den Anleihenkauf und macht mit dem Hinweis auf weiterhin niedrige Zinsen den Börsianern Mut. Dann steigt der Dollar wieder einmal gegen den Euro, und als die Börsianer sich gerade auf ein ruhiges Wochenende einzurichten scheinen, springen die Aktienkurse nach oben und die Edelmetallpreise nach unten. Das ist Stoff für ein ganzes Buch, denn die hier beschriebene Entwicklung steckt voller Widersprüche.

Yellen hat mit dem Ende des Anleihenkaufs zweifellos ihre Duftmarke gesetzt nach dem Motto: Seht her, meine Vorgänger Bernanke und Greenspan haben ihre Geldpolitik betrieben, ich betreibe meine, basta. Besonders lesenswert ist das zugehörige Fed-Protokoll; es liest sich wie ein einziges Plädoyer zugunsten von Vollbeschäftigung, nur an der einen oder anderen Stelle unterbrochen durch Hinweise auf Preisstabilität. Hierbei handelt es sich um zwei Mandate, von denen man seit Jahrzehnten weiß, dass sie nicht miteinander vereinbar sind. Trotzdem verfolgt die Fed offiziell beide. Dass das Schwergewicht jetzt und in nächster Zeit insgeheim bei der Vollbeschäftigung liegt, und zwar ganz überwiegend, stört zwischen New York und San Francisco kaum jemanden - Amerikaner sind und bleiben halt Pragmatiker.

Das gilt auch und gerade für amerikanische Börsianer. Kommen wir an dieser Stelle auf das Versprechen von Yellen zurück, die Zinsen weiter niedrig zu halten. Daraus kann man ja schließen: Die Zinsen bleiben niedrig, weil die Wirtschaft offenbar immer noch nicht so in Fahrt kommt, dass man an eine Zinserhöhung denken könnte. Das entspricht der üblichen volkswirtschaftlichen Logik. Daraus entwickeln die pragmatischen Börsianer den folgenden Dreh: Dann können wir getrost weiter spekulieren, billiges Fremdkapital einsetzen und die Aktienkurse auf diese Weise nach oben treiben. Kaum hatte sich das bis Europa und Asien herumgesprochen, stiegen auch dort die Aktienkurse. Wobei die Japaner mit ihrer neuen Geldschwemme den Vogel abschossen.

Sind die alle noch normal? Es kommt darauf an, ob man an die Börse normale Maßstäbe anlegen soll. Nehmen wir den besonders am Freitag arg gerupften Goldpreis. Warum fiel er auf einmal durch die bisherigen Unterstützungszonen? Bestimmt nicht, weil die Zinsen in Amerika und anderswo niedrig bleiben. Sicher auch nicht, weil die amerikanische Wirtschaft zu wenig Fahrt aufgenommen hat. Eher schon, weil Anleger zurzeit so ziemlich alles ausblenden, was ihren Optimismus bezüglich der weiteren Entwicklung der US-Wirtschaft und speziell des Dollars dämpfen könnte. Stiege der Goldpreis, könnte das ja als Zeichen dafür gelten, dass etwas nicht stimmt. Sein Rückgang wird folglich als Bestätigung einer heilen Börsenwelt interpretiert.

Diese Börsenlogik ist interessant: Man nimmt an, dass alles gut wird, und kauft deshalb lieber Aktien als Gold, das - anders als in der Zeit von 2001 bis 2011 - jetzt fast nur noch als Krisenmetall gesehen wird. Hinzu kommt, dass der Optimismus der amerikanischen Anleger sehr stark vom Glauben an die technische Überlegenheit von Google, Apple, Facebook, Amazon & Co. geprägt ist. Man denke nur daran, wie oft deutsche Manager, die im Silicon Valley auf Know-how-Suche sind, dort arrogant abgefertigt werden.

Aber verspricht wirklich alles gut zu werden? Erhebliche Zweifel sind angebracht. Allein was ich in letzter Zeit aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vernommen habe, lässt nichts Gutes ahnen. Diese Bank fungiert als Dachorganisation der wichtigsten Zentralbanken der Welt und als Denkfabrik. Ihre Warnungen, etwa vor der Eskalation der Schulden oder vor der abnehmenden Bonität der Anleihenschuldner, mögen manchmal zwar zu früh kommen, aber am Ende haben sie sich immer als berechtigt erwiesen. Und wovor warnt die Bank jetzt?

Auf einen Nenner gebracht: vor der Risikofreudigkeit von Großanlegern, der schwindenden Effektivität der Geldpolitik, vor Übertreibungen an den Aktien- und Anleihenmärkten und speziell vor Unternehmensanleihen aus Schwellenländern. Das alles blenden Börsianer mit ihrem grenzenlosen Optimismus einfach aus.

Was Gold betrifft, ist bemerkenswert, dass chinesische Käufer den Preisrückgang nicht erst seit der vergangenen Woche, sondern schon seit Monaten für umfangreiche Käufe nutzen. Demgegenüber sind Spekulanten eher auf der Verkäuferseite zu finden. Dazu passt eine Meldung der Agentur Thomson Reuters, wonach sich die Goldnachfrage aus China verfünffachen würde, falls es dort zu einem Anstieg der Einkommen auf das Doppelte käme. Und bei einer Verdoppelung der Einkommen in Indien wäre derselben Quelle zufolge immerhin eine Verfünffachung der Nachfrage möglich.

Solche Hochrechnungen dürften im Fall einer allgemeinen Edelmetall-Euphorie, wie wir sie im Sommer 2011 erlebt haben, den Goldpreis und mit ihm den Silberpreis in die Höhe schießen lassen. Dagegen interessieren sich heute offensichtlich nur noch eingefleischte Fans beider Edelmetalle für Hoffnung verheißende Zahlenspiele. Aus Anlass der zehnten Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse am kommenden Freitag und Samstag in München werden sie indes noch viele weitere Argumente pro Gold und Silber zu hören bekommen.

Bemerkenswert ist, dass sich zuletzt ausgerechnet Alan Greenspan, Vorvorgänger von Janet Yellen an der Fed-Spitze, für Gold stark gemacht hat - mit allerlei Gedankenspielen zur möglichen Unterlegung der chinesischen Währung mit Gold. Beachtlich auch, dass "Foreign Affairs", Sprachrohr des einflussreichen Council on Foreign Relations, Greenspans Gedanken verbreitet hat. Das ist weniger dem Umstand zuzuschreiben, dass dieses Council sich auf einmal für Gold interessiert, sondern dass es traditionell vor Entwicklungen warnt, die für die USA höchst relevant zu sein drohen. In diesem Fall ist es die Warnung davor, dass die chinesische Währung Renminbi dank Gold-Unterlegung eines Tages international als Handelswährung ebenso akzeptiert werden könnte wie der Dollar.

Die öffentliche Wahrnehmung solcher scheinbaren Randbegebenheiten, die in Wahrheit aber von großer Bedeutung sind, tendiert noch gegen Null. Doch allzu lange wird es nicht dabei bleiben können, denn die chinesischen Goldkäufe sind aus naheliegenden Gründen ein ganz heißes Thema: Es geht für die USA in diesem Fall um nicht weniger als darum, den Dollar als Weltleitwährung um fast jeden Preis zu erhalten. Auch dass Börsianer diesen Aspekt noch lange ausblenden, ist unwahrscheinlich. Die am 30. November anstehende Schweizer Goldinitiative haben sie ja schon im Visier. Die viel wichtigere chinesische Initiative könnte sich nahtlos anschließen. Spätestens dann müsste der Goldpreis die Kehrtwende nach oben schaffen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Anmerkung Redaktion: Herr Gburek ist Moderator auf der diesjährigen Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse, die am 7. & 8. November in München stattfindet.

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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