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Finanzcrash 2.0 - darum ist der 27. November 2014 der wichtigste Tag seit Jahrzehnten!

25.11.2014  |  Uli Pfauntsch
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Die größte Gefahr geht zum jetzigen Zeitpunkt weniger von den großen, bilanziell noch relativ soliden Big-Playern aus, sondern von schwächeren, mit Schulden beladenen Small- und Mid-Cap-Unternehmen.

In den letzten Jahren entstand eine ganze Armada von neuen Playern, die sich hauptsächlich über den Junk-Bond-Markt finanzierten. Solange der Ölpreis nicht zügig auf über 100 Dollar klettert (was sehr unwahrscheinlich ist), sind diese Unternehmen nicht mehr als der "wandelnde Tod".

Die Kurse der meisten Small-und Midcaps haben von den Jahreshochs durchschnittlich zwischen 40 und 70 Prozent verloren. Die Anleiherenditen sind teilweise auf mehr als 10 Prozent gestiegen. Langsam dämmert es den US-Investoren, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit dieser Shale-Bonds drastisch zunimmt.

Sollte der Ölpreis weiter fallen, spitzt sich die Lage erst richtig zu. Die Analysten der Deutschen Bank unterzogen den Shale-Sektor kürzlich einem Stresstest. Das Ergebnis: Sollte US-Öl WTI auf 60 Dollar pro Barrel fallen, könnten 30 Prozent aller mit CC und CCC bewerteten Schulden in der Shale-Industrie ausfallen. "Ein Schock dieser Größenordnung könnte ausreichen, um einen breiteren Ausfallzyklus im Markt für hochverzinsliche Anleihen loszutreten", warnen die Strategen der Deutschen Bank.

Mit anderen Worten: Es besteht die akute Gefahr einer globalen Finanzkrise nach dem Vorbild der Subprime-Krise in 2007/2008. Am Anfang fallen die schwächsten Glieder aus. Das führt zu Verunsicherung und mündet schließlich in einer Kreditklemme, die eine Kettenreaktion auslöst und letztlich die Banken und den gesamten Finanzmarkt erreicht. Damals waren es die ersten Ausfälle von Immobilienkrediten, heute könnte uns selbiges mit dem Ausfall von Shale-Krediten bevorstehen.


Ausblick Ölmarkt + OPEC-Meeting

Die US-Ölproduktion toppte im November 2014 zum ersten Mal seit 1983 die Marke von 9 Millionen Barrel pro Tag. Trotz des Ölpreis-Einbruchs ist bislang keine Abschwächung des Produktionswachstums in Sicht. Denn die US-Shale-Industrie ist keine Maschine, die sich nach Belieben ein- und ausschalten lässt. Die begonnen Operationen müssen zunächst zu Ende geführt werden. Deshalb wird die US-Produktion auch im laufenden Quartal steigen. Hinzu kommt, dass die Shale-Industrie in einer Zwickmühle gefangen ist: Die Shale-Produzenten sind auf ständig auf Kredite angewiesen, um die steilen Rückgänge aus der Produktion mit neuen Bohrungen auszugleichen.

Neue Wells sorgen in den ersten Wochen und Monaten der Produktion für den höchsten Cashflow. Deshalb hat die Industrie großes Interesse daran, dass möglichst viele neue Wells ans Netz gehen. Kürzen die Unternehmen ihre Ausgaben, sinken Produktion und Einnahmen, was das finanzielle Abdriften nur noch beschleunigt. Auch wenn es für viele Unternehmen vernünftiger wäre, die unrentable Produktion aufzugeben, ist es dafür häufig bereits zu spät. Wer kürzt, wird vom Markt abgestraft und ist raus aus dem Spiel. Game Over.

Die US-Shale-Industrie hofft nun auf die Rettung durch das OPEC-Meeting am 27. November. Die Amerikaner erwarten eine Kürzung von 1 bis 1,5 Millionen Barrel Öl pro Tag - genug, um den Ölpreis wieder in Richtung 90 Dollar pro Barrel zu befördern. Die Frage aller Fragen ist: Wie wird die Entscheidung ausfallen? Einerseits kann der Ölpreis nicht ewig auf diesen niedrigen Niveaus bleiben. Selbst die Saudis benötigen einen Ölpreis von mindestens 90 Dollar für einen ausgeglichenen Haushalt.

Andere OPEC-Mitglieder, einschließlich Iran, Irak, Oman, Algerien, Venezuela, Nigeria und Libyen benötigen Ölpreise von weit über 100 Dollar, um ihre Staatsausgaben zu finanzieren. Innerhalb der OPEC herrscht deshalb große Uneinigkeit. Venezuela, ausgerechnet dem Staat mit den weltgrößten Ölreserven, droht schon jetzt der Bankrott. Saudi Arabien hingegen kann es sich mit seinen üppigen Devisenreserven leisten, über einen längeren Zeitraum Druck auf die Ölpreise auszuüben.

Tatsächlich haben die Saudis wenig Anlass, einer Produktionskürzung zuzustimmen: Einerseits nutzt das Königreich die Schwäche Russlands, um seinen Marktanteil in Asien auszubauen, andererseits würde eine Produktionskürzung den US-Shale-Boom nur noch weiter beflügeln. Heben die Saudis die Hände und lassen den Markt entscheiden, könnte US-Öl WTI schlagartig auf 65 Dollar abstürzen.

Der größte Verlierer unter diesem Szenario wäre die US-Shale-Industrie. Angenommen, der Ölpreis würde über einen längeren Zeitraum in einer Bandbreite von 60 bis 70 Dollar verharren, drohen weite Teile der US-Shale-Industrie unter ihrer Schuldenlast zusammenzubrechen. Die Folge wären Kreditausfälle über zig Milliarden Dollar, die möglicherweise den gesamten Finanzmarkt zum Beben bringen könnten. Wir haben bereits das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 und der Subprime-Blase in 2007 erlebt. Im Nachhinein betrachtet, könnte sich auch der US-Shale-Boom in die Liste der historischen und bewusst in Kauf genommenen Finanzcrashs einreihen.

Letztendlich könnte es den Saudis gelingen, die Machtverhältnisse im globalen Ölmarkt wieder zurechtzurücken. Zumindest solange, ehe die Saudis selbst unter rückläufiger Produktion zu leiden haben. In den Vereinigten Staaten wird man erkennen müssen, dass der Traum von der Energieunabhängigkeit eine Illusion war. Das wird auch aus geopolitischer Sicht weitreichende Konsequenzen haben. Dennoch wird die US-Shale-Produktion weitergehen, wenn auch nicht in dem enthemmten Ausmaß der vergangen fünf Jahre.

Große Shale-Player, die sich rechtzeitig in den Sweet-Spots positioniert haben, werden auch mit Ölpreisen von 60 bis 65 Dollar nicht untergehen. Im Gegenteil: Kommt es zu einer Marktbereinigung, einschließlich Insolvenzen, Zwangsliquidationen am Aktienmarkt und Asset-Verkäufen, werden liquide und gut aufgestellte Ölunternehmen die Gunst der Stunde nutzen, um Öl-Assets zu Schnäppchenpreisen aufzukaufen.

Der 27. November ist das vielleicht wichtigste OPEC-Meeting seit zwei Jahrzehnten. Der Ölpreis dürfte heftig ausschlagen - entweder nach oben oder nach unten. Vieles spricht dafür, dass die Saudis den Zapfhahn offenlassen und den Markt entscheiden lassen. Bricht der Ölpreis weiter ein, droht im schlimmsten Fall eine Kreditkrise im High-Yield-Bond-Markt nach dem Vorbild der Subprime-Krise in 2007/2008. Mit möglicherweise drastischen Folgen für die USA und das globale Finanzsystem.


© Uli Pfauntsch
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