Draghi und die lange Reise des Geldes
07.12.2014 | Manfred Gburek
Eigentlich wollte ich hier zuerst auf die mageren Ergebnisse der Sitzung des EZB-Rats vom vergangenen Donnerstag kommen. Doch dann erschienen sie mir allzu dürftig. Und die Hundertschaft der Polizei, die in einer Seitenstraße bei laufenden Motoren den neuen EZB-Turm überwachte, langweilte sich bis zum Ende der Pressekonferenz, in der EZB-Chef Mario Draghi wieder einmal nach den passenden Worten rang. Die kamen wie schon seine Bemerkungen vor drei Monaten nicht besonders gut an, weil er nur ein Ja-Aber zum Aufkauf von Staatsanleihen der Euroländer andeutete. Das heißt, diese Prozedur wird auf das kommende Jahr verschoben.
Also entschloss ich mich zu einem Draghi-Psychogramm, dessen Ergebnis ich am besten gleich vorwegnehme: Der Mann wird die Geldpolitik der Eurozone weiterhin in erster Linie mit Worten betreiben, die er mal vage, mal konkret einsetzt. Er ist bereits jetzt der Herrscher über Europas Finanzen, soweit sie die Euroländer betreffen. Er kann im EZB-Rat schalten und walten, wie er will, Opposition ist zwecklos. Diese Art der Regentschaft schließt eine verdeckte Fiskalpolitik ein, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass Staatsanleihen neben sonstigen festverzinslichen Wertpapieren in die Geldpolitik einbezogen werden. In welchem Umfang, ob mit dem Schwerpunkt auf Italien-, Spanien-, Portugal-, Griechenland- oder sonstigen Anleihen, werden wir wahrscheinlich schon im Januar erfahren.
Wenn überhaupt etwas in Sachen Finanzen alternativlos ist, dann Draghis Geldpolitik. Regierungen - einschließlich der deutschen - haben da längst nichts mehr zu sagen. Und die Bundesbank, einst Hüterin der Geldwertstabilität und als solche ein Nukleus der EZB, hat Draghi gerade noch am Freitag indirekt mit einer Prognose zur schwachen deutschen Konjunktur unterstützt: Sie erwartet in Deutschland für 2015 nur 1 Prozent Wirtschaftswachstum statt, wie im Sommer vorhergesagt, 2 Prozent. Daraus folgt: Auch die Bundesbank unter ihrem Präsidenten Jens Weidmann, vor Monaten so etwas wie eine interne Opposition in Kreisen der EZB, gibt Draghi Schützenhilfe.
Dessen Wortkaskaden - zuletzt wieder am Donnerstag - mögen zwar an ähnliche Botschaften von Alan Greenspan erinnern, dem langjährigen früheren Chef der US-Notenbank Fed, aber in Wahrheit gehen sie weit darüber hinaus. Pflegte Greenspan in der Regel eine Show abzuziehen, ohne konkret zu werden, betont Draghi stets aufs Neue, was von ihm zu erwarten ist, nämlich eine ultralockere Geldpolitik ohne Rücksicht auf die weitere Euro-Entwicklung, ja sogar eine bewusste Euro-Schwächung. Und weil der Leitzins schon bei 0,05 Prozent angelangt, also nach Abzug der offiziellen Euro-Inflationsrate von 0,3 Prozent real im Minus angekommen ist, drängen sich Staatsanleihenkäufe als ultima ratio aus Draghis Sicht geradezu auf.
Die 0,3 Prozent sind eigentlich ein Witz, denn sie sollen die Preisentwicklung im reichen Deutschland oder Luxemburg ebenso widerspiegeln wie im armen Griechenland oder Portugal. Das heißt, es handelt sich um eine Zahl, mit der weder die Deutschen oder Luxemburger noch die Griechen oder Portugiesen etwas anfangen können. Doch ausgerechnet um diese Zahl und insbesondere um ihre zukünftige Veränderung dreht sich immer wieder die Aussage von Draghi und seiner Gefolgschaft in der EZB: Man strebe etwas unter 2 Prozent Gemeinschaftsinflation an.
Glaubt wirklich jemand im Ernst an so einen Quatsch? Offenbar muss eine Zahl her und dazu ein theoretisches Gebäude, sei es auch noch so spinnert. Leider wird dabei vergessen, dass bis heute niemand erklären kann, warum es, beginnend mit dem Jahr 2007, zur bisher größten Finanzkrise kam. Der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, oft als Ursache angeführt, fand ja erst im September 2008 statt. Die Aufarbeitung der Krise zeigt jedenfalls, dass kein sich noch so oberschlau gebärdender Professor, Notenbanker oder Politiker eine plausible Antwort gefunden hat.
Gibt es etwa einen Widerspruch zwischen Draghis offen ausgesprochenem Inflationsziel von etwas unter 2 Prozent und der Tatsache, dass es sich tatsächlich um Quatsch handelt? De facto nicht, denn weder im Maastricht-Vertrag noch in sonstigen Vorschriften, die dem Euro wirklich zugrunde liegen, steht eine Prozentzahl. Das heißt, die EZB hat aufgrund ihres Mandats für Stabilität zu sorgen, und die ist gegeben, wenn die Inflation null Prozent beträgt. Etwas unter 2 Prozent hat die EZB einfach mal in ihren Instrumentenkasten hineingemogelt.
Es gibt Fakten, über die aufzuregen sich noch mehr lohnt. Wohin führt zum Beispiel die Nullzinspolitik? Die Antwort bringt uns zunächst zurück in die Zeit vor Ausbruch der Finanzkrise. Damals gab es zwar noch keine Null vor dem Komma, aber Zinskonvergenz: Kredite waren, etwa in Spanien oder Irland, ebenso günstig wie in Deutschland. Mit der Folge, dass Geld massenhaft in spanische und irische Immobilien floss. Daraus erwuchsen Fehlinvestitionen, die bis heute in Gestalt von Neubauruinen zu besichtigen sind.
Was wir derzeit in großen Teilen des deutschen Wohnimmobilienmarktes erleben, ist mittlerweile noch schlimmer, weil die Zinsen ja niedriger sind als vor der Finanzkrise. Sie verleiten viele Hobbyanleger dazu, hohe Kredite aufzunehmen. Daraus werden Fehlinvestitionen erwachsen, die sich spätestens dann als solche erweisen dürften, wenn die Mietpreisbremse ihre fatale Wirkung entfalten und so mancher zahlungsfaule Mieter eine Mietminderung geltend machen wird.
Das viele Geld fließt auf seiner langen Reise durch die verschiedenen Anlagen bekanntlich auch in Aktien, weshalb der Dax gerade wieder 10.000 Punkte übersprungen hat. Aktienfans argumentieren gern mit der Alternativlosigkeit: Damit meinen sie üblicherweise, mit Anleihen sei keine Rendite mehr zu erzielen, sodass Aktien sich automatisch anböten, zumal Immobilienpreise (siehe oben) überreizt seien. Die reine Renditebetrachtung wird allerdings immer wieder durch zwischenzeitliche Kursabstürze konterkariert, erkennbar auch bei Aktien mit hoher Dividendenrendite, wie Allianz, Münchener Rück oder Deutsche Telekom. Aktien sind auf dem aktuellen Kursniveau keine Daueranlagen, sondern Spekulationsobjekte.
Nicht allein was die Spekulation angeht, sondern auch die langfristige Anlage mit dem Ziel der Kaufkrafterhaltung, reizen auf dem jetzigen Preisniveau eher schon Gold und zusätzlich auch Silber. Sehr spekulativ orientierte Anleger greifen vorzugsweise zu Minenaktien. Auf jeden Fall erscheint es - nicht zuletzt wegen der internationalen Geldschwemme - besonders ratsam, sich möglichst intensiv mit Edelmetallen zu beschäftigen. Anregungen auf goldseiten.de gibt es ja reichlich.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Also entschloss ich mich zu einem Draghi-Psychogramm, dessen Ergebnis ich am besten gleich vorwegnehme: Der Mann wird die Geldpolitik der Eurozone weiterhin in erster Linie mit Worten betreiben, die er mal vage, mal konkret einsetzt. Er ist bereits jetzt der Herrscher über Europas Finanzen, soweit sie die Euroländer betreffen. Er kann im EZB-Rat schalten und walten, wie er will, Opposition ist zwecklos. Diese Art der Regentschaft schließt eine verdeckte Fiskalpolitik ein, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass Staatsanleihen neben sonstigen festverzinslichen Wertpapieren in die Geldpolitik einbezogen werden. In welchem Umfang, ob mit dem Schwerpunkt auf Italien-, Spanien-, Portugal-, Griechenland- oder sonstigen Anleihen, werden wir wahrscheinlich schon im Januar erfahren.
Wenn überhaupt etwas in Sachen Finanzen alternativlos ist, dann Draghis Geldpolitik. Regierungen - einschließlich der deutschen - haben da längst nichts mehr zu sagen. Und die Bundesbank, einst Hüterin der Geldwertstabilität und als solche ein Nukleus der EZB, hat Draghi gerade noch am Freitag indirekt mit einer Prognose zur schwachen deutschen Konjunktur unterstützt: Sie erwartet in Deutschland für 2015 nur 1 Prozent Wirtschaftswachstum statt, wie im Sommer vorhergesagt, 2 Prozent. Daraus folgt: Auch die Bundesbank unter ihrem Präsidenten Jens Weidmann, vor Monaten so etwas wie eine interne Opposition in Kreisen der EZB, gibt Draghi Schützenhilfe.
Dessen Wortkaskaden - zuletzt wieder am Donnerstag - mögen zwar an ähnliche Botschaften von Alan Greenspan erinnern, dem langjährigen früheren Chef der US-Notenbank Fed, aber in Wahrheit gehen sie weit darüber hinaus. Pflegte Greenspan in der Regel eine Show abzuziehen, ohne konkret zu werden, betont Draghi stets aufs Neue, was von ihm zu erwarten ist, nämlich eine ultralockere Geldpolitik ohne Rücksicht auf die weitere Euro-Entwicklung, ja sogar eine bewusste Euro-Schwächung. Und weil der Leitzins schon bei 0,05 Prozent angelangt, also nach Abzug der offiziellen Euro-Inflationsrate von 0,3 Prozent real im Minus angekommen ist, drängen sich Staatsanleihenkäufe als ultima ratio aus Draghis Sicht geradezu auf.
Die 0,3 Prozent sind eigentlich ein Witz, denn sie sollen die Preisentwicklung im reichen Deutschland oder Luxemburg ebenso widerspiegeln wie im armen Griechenland oder Portugal. Das heißt, es handelt sich um eine Zahl, mit der weder die Deutschen oder Luxemburger noch die Griechen oder Portugiesen etwas anfangen können. Doch ausgerechnet um diese Zahl und insbesondere um ihre zukünftige Veränderung dreht sich immer wieder die Aussage von Draghi und seiner Gefolgschaft in der EZB: Man strebe etwas unter 2 Prozent Gemeinschaftsinflation an.
Glaubt wirklich jemand im Ernst an so einen Quatsch? Offenbar muss eine Zahl her und dazu ein theoretisches Gebäude, sei es auch noch so spinnert. Leider wird dabei vergessen, dass bis heute niemand erklären kann, warum es, beginnend mit dem Jahr 2007, zur bisher größten Finanzkrise kam. Der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, oft als Ursache angeführt, fand ja erst im September 2008 statt. Die Aufarbeitung der Krise zeigt jedenfalls, dass kein sich noch so oberschlau gebärdender Professor, Notenbanker oder Politiker eine plausible Antwort gefunden hat.
Gibt es etwa einen Widerspruch zwischen Draghis offen ausgesprochenem Inflationsziel von etwas unter 2 Prozent und der Tatsache, dass es sich tatsächlich um Quatsch handelt? De facto nicht, denn weder im Maastricht-Vertrag noch in sonstigen Vorschriften, die dem Euro wirklich zugrunde liegen, steht eine Prozentzahl. Das heißt, die EZB hat aufgrund ihres Mandats für Stabilität zu sorgen, und die ist gegeben, wenn die Inflation null Prozent beträgt. Etwas unter 2 Prozent hat die EZB einfach mal in ihren Instrumentenkasten hineingemogelt.
Es gibt Fakten, über die aufzuregen sich noch mehr lohnt. Wohin führt zum Beispiel die Nullzinspolitik? Die Antwort bringt uns zunächst zurück in die Zeit vor Ausbruch der Finanzkrise. Damals gab es zwar noch keine Null vor dem Komma, aber Zinskonvergenz: Kredite waren, etwa in Spanien oder Irland, ebenso günstig wie in Deutschland. Mit der Folge, dass Geld massenhaft in spanische und irische Immobilien floss. Daraus erwuchsen Fehlinvestitionen, die bis heute in Gestalt von Neubauruinen zu besichtigen sind.
Was wir derzeit in großen Teilen des deutschen Wohnimmobilienmarktes erleben, ist mittlerweile noch schlimmer, weil die Zinsen ja niedriger sind als vor der Finanzkrise. Sie verleiten viele Hobbyanleger dazu, hohe Kredite aufzunehmen. Daraus werden Fehlinvestitionen erwachsen, die sich spätestens dann als solche erweisen dürften, wenn die Mietpreisbremse ihre fatale Wirkung entfalten und so mancher zahlungsfaule Mieter eine Mietminderung geltend machen wird.
Das viele Geld fließt auf seiner langen Reise durch die verschiedenen Anlagen bekanntlich auch in Aktien, weshalb der Dax gerade wieder 10.000 Punkte übersprungen hat. Aktienfans argumentieren gern mit der Alternativlosigkeit: Damit meinen sie üblicherweise, mit Anleihen sei keine Rendite mehr zu erzielen, sodass Aktien sich automatisch anböten, zumal Immobilienpreise (siehe oben) überreizt seien. Die reine Renditebetrachtung wird allerdings immer wieder durch zwischenzeitliche Kursabstürze konterkariert, erkennbar auch bei Aktien mit hoher Dividendenrendite, wie Allianz, Münchener Rück oder Deutsche Telekom. Aktien sind auf dem aktuellen Kursniveau keine Daueranlagen, sondern Spekulationsobjekte.
Nicht allein was die Spekulation angeht, sondern auch die langfristige Anlage mit dem Ziel der Kaufkrafterhaltung, reizen auf dem jetzigen Preisniveau eher schon Gold und zusätzlich auch Silber. Sehr spekulativ orientierte Anleger greifen vorzugsweise zu Minenaktien. Auf jeden Fall erscheint es - nicht zuletzt wegen der internationalen Geldschwemme - besonders ratsam, sich möglichst intensiv mit Edelmetallen zu beschäftigen. Anregungen auf goldseiten.de gibt es ja reichlich.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).