Silber: Liegt Buffett wirklich daneben?
22.05.2004 | Hubert Roos
Kaum haben Privatanleger die Edelmetalle entdeckt, werden sie von dramatischen Kursschwankungen erschüttert und auf eine harte Probe gestellt. Jüngste Zeitungsartikel behaupten "Silber hat seinen Glanz verloren" und verunsichern damit so manchen Neueinsteiger. Und sogar Warren Buffett muss von der klugen Wirtschaftspresse eine Lektion in Sachen Silber hinnehmen. Die größte deutsche Wirtschaftszeitung wagte vor ein paar Tagen einen Untertitel, der Buffett-Fans sicherlich nicht ganz ungerührt ließ: "Buffett liegt offenbar etwas daneben". Aber so ist das nun einmal, wenn man nicht mit den wirklichen und vermeintlichen Finanzexperten auf einer Linie liegt. Neue Ansätze und Trends müssen ihre Bewährungsproben bestehen und Widerstände überwinden.
Investmentlegende Warren Buffet, Microsoft-Gründer Bill Gates und Multimilliardär George Soros kennen dieses Spiel. Sie stiegen in den 90-er Jahren in Silber und Silberminen ein. Als damals die entsprechenden Nachrichten in der Finanzpresse auftauchten, war meist ein verständnisloser bis ironischer Unterton dabei. Zu einer Zeit, als das High-Tech-Fieber und die Aktieneuphorie schon viele Kleinanleger angesteckt hatten, waren viele Finanzjournalisten und Marktkommentatoren ratlos. Sie konnten die Geschäfte der drei Superreichen nicht einordnen. Heute vergeht kaum ein Tag oder eine Woche, ohne dass Edelmetalle in den Schlagzeilen stehen.
Dabei war vielen Geldanlegern lange Zeit nicht bewusst, dass Edelmetalle überhaupt eine Anlagekategorie darstellen. In einer über 20 Jahre dauernden Phase, in der Papiervermögen einen stetigen Aufstieg erlebte, haben viele gestandene Investoren vergessen, dass es auch reale Vermögenswerte gibt. Die jungen Investoren sind mit den greifbaren Werten Gold und Silber normalerweise noch gar nicht in Berührung gekommen: sie waren glücklich und zufrieden mit Aktien, Anleihen und Investmentfonds. Der Grund hierfür lag zu einem großen Teil darin, dass mit Beginn der 90-er Jahre US-Notenbankchef Alan Greenspan die Philosophie des knappen Geldes über Bord warf und eine lockere Geldpolitik einleitete.
Während der Rezession 1991 fuhr Greenspan die Zinsen aus dem zweistelligen Bereich in den niedrigen einstelligen Bereich herunter. Bis auf kurzfristige und moderate Anhebungen blieben die Zinsen während der gesamten Regierungszeit von Präsident Bill Clinton auf relativ niedrigem Niveau, womit die Bühne bereitet war für die große Aktienblase. Die Geldmenge wurde schnell und großzügig ausgeweitet und floss ebenso schnell und großzügig in Internet-, Hightech-, und Biotech-Aktien. Das Überangebot an Geld nährte die Finanzmärkte, ließ die Aktienkurse in den Himmel schießen und brachte für eine paar Jahre astronomische Renditen.
Politiker, Finanzexperten der Wall Street und Investoren mussten aber erkennen, dass es nicht immer nur aufwärts geht, sondern dass es noch Konjunkturzyklen und Wirtschaftskrisen mit steilen Abwärtspassagen gibt. Trotzdem handelte die amerikanische Notenbank nach dem alten Patentrezept. Sie reduzierte die Zinsen auf historische Tiefstände und ließ die Gelddruckmaschinen auf vollen Touren laufen. Diesmal bildeten sich Blasen am Anleihemarkt, am Immobilienmarkt und am Hypothekenmarkt.
Das Problem dabei ist nur, dass mit zunehmender Geldmenge der Wert des bereits vorhandenen Geldes abnimmt, wenn nicht in gleichem Maße wie die Geldmenge wächst auch entsprechende Güter produziert und Dienstleistungen erbracht werden. Wenn man die offiziellen Statistiken betrachtet, könnte man annehmen, dass die enormen Geldmengen durch entsprechende Leistungen abgedeckt sind. Jedoch ist bei Zahlen aus der Vergangenheit und bei Zukunftsprognosen Vorsicht geboten.
Seit 1992 konnten die Vereinigten Staaten von Amerika ein um durchschnittlich 2%-Punkte höheres Wachstum als Euroland und Japan ausweisen. Rückblickend darf man die eindrucksvolle Stärke der US-Wirtschaft bezweifeln. Viele Zahlen wurden im nachhinein von den Statistiker kräftig nach unten revidiert. Das amerikanische Arbeitsministerium musste zugeben, dass die Produktivität in den Jahren 1997 bis 2000 um mehr als 0,5% weniger gewachsen war als ursprünglich angegeben.
Um weitere 0,5%-Punkte niedriger wären die US-Wachstumszahlen ausgefallen, wenn bei der Berechnung des Wachstums im EDV-Bereich die gleiche Systematik wie in Europa verwendet worden wäre. Für das gegenwärtige und zukünftige Wachstumspotenzial sind ebenfalls vorsichtige Schätzungen angebracht, denn der angebliche Wachstumsvorsprung der Vereinigten Staaten resultiert hauptsächlich aus Militärausgaben für den Irakkrieg und aus Konsumausgaben der Verbraucher, die dank Greenspan günstige Kredite für den Auto- und Immobilienkauf aufnehmen konnten.
Durch die von der Notenbank Anfang der 90-er Jahre eingeleitete expansive Geldpolitik wurde letztendlich der Grundstein gelegt für den steilen Aufstieg der Aktien und deren tiefen Fall zu Beginn des neuen Jahrtausends. Gleichzeitig war dies die Basis für den sich nun anschließenden Bullenmarkt bei Rohstoffen und Edelmetallen, auch wenn für die Mehrzahl der Privatanleger Ende der Neunziger noch nicht ersichtlich war, weshalb die drei Superreichen Gates, Buffett und Soros in Silber einstiegen. Sie erkannten bereits 1997 die zwingenden und grundlegenden Argumente für einen in der Zukunft stark steigenden Silberpreis.
Die jüngste Korrektur des Silberpreises ist nichts anderes, als eine günstige Einstiegschance. Die Fundamentaldaten haben sich nicht geändert, die Angebots- und Nachfragesituation ist die gleiche wie vor der Preiskorrektur. Nachdem der Silberchart vor der Korrektur fast schon wie der Aufstieg Edmund Hilarys auf den Mount Everest aussah, notiert das weiße Metall nun wieder in niedrigeren Regionen, von wo aus neue Höhen erklommen werden können.
Bereits im Herbst 2003 - vor dem fulminanten Silberpreisanstieg - sagte Buffett: "Ein erfolgreicher Anleger muss gelegentlich einfach ruhig bleiben können." Das war zu einem Zeitpunkt, als das Gros der Anleger zum zweiten mal an die Börsen stürmte, um einen möglichen Aufschwung nicht zu verpassen. Derweil saß Buffett auf 24 Milliarden Dollar Barmitteln und hätte sie gerne in den amerikanischen Aktienmarkt investiert, wenn sich gute Gelegenheiten geboten hätten. Aber er hielt sein Pulver trocken. Bereits ein halbes Jahr später zeigt sich, dass er wahrscheinlich gar nicht so sehr daneben lag. Und auch beim Silber wird sich erst später herausstellen, ob das Urteil der Wirtschaftszeitung nicht etwas vorschnell getroffen wurde.
© Hubert Roos
Investmentlegende Warren Buffet, Microsoft-Gründer Bill Gates und Multimilliardär George Soros kennen dieses Spiel. Sie stiegen in den 90-er Jahren in Silber und Silberminen ein. Als damals die entsprechenden Nachrichten in der Finanzpresse auftauchten, war meist ein verständnisloser bis ironischer Unterton dabei. Zu einer Zeit, als das High-Tech-Fieber und die Aktieneuphorie schon viele Kleinanleger angesteckt hatten, waren viele Finanzjournalisten und Marktkommentatoren ratlos. Sie konnten die Geschäfte der drei Superreichen nicht einordnen. Heute vergeht kaum ein Tag oder eine Woche, ohne dass Edelmetalle in den Schlagzeilen stehen.
Dabei war vielen Geldanlegern lange Zeit nicht bewusst, dass Edelmetalle überhaupt eine Anlagekategorie darstellen. In einer über 20 Jahre dauernden Phase, in der Papiervermögen einen stetigen Aufstieg erlebte, haben viele gestandene Investoren vergessen, dass es auch reale Vermögenswerte gibt. Die jungen Investoren sind mit den greifbaren Werten Gold und Silber normalerweise noch gar nicht in Berührung gekommen: sie waren glücklich und zufrieden mit Aktien, Anleihen und Investmentfonds. Der Grund hierfür lag zu einem großen Teil darin, dass mit Beginn der 90-er Jahre US-Notenbankchef Alan Greenspan die Philosophie des knappen Geldes über Bord warf und eine lockere Geldpolitik einleitete.
Während der Rezession 1991 fuhr Greenspan die Zinsen aus dem zweistelligen Bereich in den niedrigen einstelligen Bereich herunter. Bis auf kurzfristige und moderate Anhebungen blieben die Zinsen während der gesamten Regierungszeit von Präsident Bill Clinton auf relativ niedrigem Niveau, womit die Bühne bereitet war für die große Aktienblase. Die Geldmenge wurde schnell und großzügig ausgeweitet und floss ebenso schnell und großzügig in Internet-, Hightech-, und Biotech-Aktien. Das Überangebot an Geld nährte die Finanzmärkte, ließ die Aktienkurse in den Himmel schießen und brachte für eine paar Jahre astronomische Renditen.
Politiker, Finanzexperten der Wall Street und Investoren mussten aber erkennen, dass es nicht immer nur aufwärts geht, sondern dass es noch Konjunkturzyklen und Wirtschaftskrisen mit steilen Abwärtspassagen gibt. Trotzdem handelte die amerikanische Notenbank nach dem alten Patentrezept. Sie reduzierte die Zinsen auf historische Tiefstände und ließ die Gelddruckmaschinen auf vollen Touren laufen. Diesmal bildeten sich Blasen am Anleihemarkt, am Immobilienmarkt und am Hypothekenmarkt.
Das Problem dabei ist nur, dass mit zunehmender Geldmenge der Wert des bereits vorhandenen Geldes abnimmt, wenn nicht in gleichem Maße wie die Geldmenge wächst auch entsprechende Güter produziert und Dienstleistungen erbracht werden. Wenn man die offiziellen Statistiken betrachtet, könnte man annehmen, dass die enormen Geldmengen durch entsprechende Leistungen abgedeckt sind. Jedoch ist bei Zahlen aus der Vergangenheit und bei Zukunftsprognosen Vorsicht geboten.
Seit 1992 konnten die Vereinigten Staaten von Amerika ein um durchschnittlich 2%-Punkte höheres Wachstum als Euroland und Japan ausweisen. Rückblickend darf man die eindrucksvolle Stärke der US-Wirtschaft bezweifeln. Viele Zahlen wurden im nachhinein von den Statistiker kräftig nach unten revidiert. Das amerikanische Arbeitsministerium musste zugeben, dass die Produktivität in den Jahren 1997 bis 2000 um mehr als 0,5% weniger gewachsen war als ursprünglich angegeben.
Um weitere 0,5%-Punkte niedriger wären die US-Wachstumszahlen ausgefallen, wenn bei der Berechnung des Wachstums im EDV-Bereich die gleiche Systematik wie in Europa verwendet worden wäre. Für das gegenwärtige und zukünftige Wachstumspotenzial sind ebenfalls vorsichtige Schätzungen angebracht, denn der angebliche Wachstumsvorsprung der Vereinigten Staaten resultiert hauptsächlich aus Militärausgaben für den Irakkrieg und aus Konsumausgaben der Verbraucher, die dank Greenspan günstige Kredite für den Auto- und Immobilienkauf aufnehmen konnten.
Durch die von der Notenbank Anfang der 90-er Jahre eingeleitete expansive Geldpolitik wurde letztendlich der Grundstein gelegt für den steilen Aufstieg der Aktien und deren tiefen Fall zu Beginn des neuen Jahrtausends. Gleichzeitig war dies die Basis für den sich nun anschließenden Bullenmarkt bei Rohstoffen und Edelmetallen, auch wenn für die Mehrzahl der Privatanleger Ende der Neunziger noch nicht ersichtlich war, weshalb die drei Superreichen Gates, Buffett und Soros in Silber einstiegen. Sie erkannten bereits 1997 die zwingenden und grundlegenden Argumente für einen in der Zukunft stark steigenden Silberpreis.
Die jüngste Korrektur des Silberpreises ist nichts anderes, als eine günstige Einstiegschance. Die Fundamentaldaten haben sich nicht geändert, die Angebots- und Nachfragesituation ist die gleiche wie vor der Preiskorrektur. Nachdem der Silberchart vor der Korrektur fast schon wie der Aufstieg Edmund Hilarys auf den Mount Everest aussah, notiert das weiße Metall nun wieder in niedrigeren Regionen, von wo aus neue Höhen erklommen werden können.
Bereits im Herbst 2003 - vor dem fulminanten Silberpreisanstieg - sagte Buffett: "Ein erfolgreicher Anleger muss gelegentlich einfach ruhig bleiben können." Das war zu einem Zeitpunkt, als das Gros der Anleger zum zweiten mal an die Börsen stürmte, um einen möglichen Aufschwung nicht zu verpassen. Derweil saß Buffett auf 24 Milliarden Dollar Barmitteln und hätte sie gerne in den amerikanischen Aktienmarkt investiert, wenn sich gute Gelegenheiten geboten hätten. Aber er hielt sein Pulver trocken. Bereits ein halbes Jahr später zeigt sich, dass er wahrscheinlich gar nicht so sehr daneben lag. Und auch beim Silber wird sich erst später herausstellen, ob das Urteil der Wirtschaftszeitung nicht etwas vorschnell getroffen wurde.
© Hubert Roos