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Bald ohne Bargeld?

27.12.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Hinter dem Vorschlag namhafter Ökonomen, das Bargeld solle abgeschafft werden, verbirgt sich nichts Gutes.

In einer Vorlesung an der Ludwig-Maximilians-Universität München am 19. November 2014 forderte der amerikanische Ökonom Kenneth Rogoff die Abschaffung des Bargeldes: "Die Zentralbanken könnten auf diese Weise leichter Nega-tivzinsen durchsetzen, um so die Wirtschaft anzukurbeln", wird er zitiert.

Wenn die Einlagenzinsen negativ sind, würden die Bankkunden sich ihre Einlagen in Bargeld auszahlen lassen und unter das Kopfkissen stecken. Eine wirtschaftliche Anschubwirkung, die der negative Zins bringen soll, wäre vereitelt. Außerdem könnten Steuerflucht und Drogenkriminalität besser bekämpft werden, wenn das Bargeld abgeschafft wird.

Dieser Vorschlag ist nicht nur ökonomisch hanebüchen, er ist auch politisch hintertrieben. Denn einem nach Allmacht strebenden Staat ist das Bargeld ein Dorn im Auge. Wenn er nämlich zu aggressiv wird, haben die Bürger mit Bargeldzahlungen die Chance, sich seinen Drangsalierungen zu entziehen. Solange es also noch Bargeld gibt, ist der staatliche Totalitarismus noch nicht ganz perfekt.

Als Monopolproduzenten des Geldes verfügen die Staaten allerdings über die Macht, die Bargeldverwendung zurückzudrängen oder letztlich ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Sie können Bargeldzahlungen verbieten, die einen bestimmten Betrag übersteigen. Oder sie können die Bargeldverwendung verteuern und damit ihre Attraktivität vermindern: Die Zentralbanken stellen den Geschäftsbanken höhere Kosten für die Bargeldversorgung in Rechnung, die dann die Kunden am Bargeldterminal treffen.

Das alles lässt sich vermutlich nicht über Nacht auf den Weg bringen, weil sich ja Zahlungsgewohnheiten nur relativ langsam ändern. Doch ein langsamer, gradueller Abschied vom Bargeld sollte erzwingbar sein.

Zumal sich die bisherige Erfolgsbilanz der Staaten in Sachen Geld sehen lassen kann. Es ist gelungen, die Goldeinlösepflicht des Geldes zu beenden. Es ist gelungen, die Rolle des US-Dollar als internationale Papierleitwährung in den letzten Jahrzehnten noch weiter zu stärken. Und es ist gelungen, den internationalen Währungswettbewerb, der dem ungedeckten Papiergeld gefährlich werden kann, herabzusetzen. Etwa dadurch, dass eine europäische Einheitswährung durch Verschmelzung vieler nationaler Fiat-Währungen geschaffen wurde.

Die Unterwürfigkeit der breiten Bevölkerung gegenüber der staatlichen Geldhoheit scheint bislang keine Grenzen zu kennen. Doch spätestens dann, wenn das Bargeld abgeschafft, der letzte Fluchtweg versiegelt ist und der Staat ungehemmt und ungestraft volle Einsicht in die Zahlungen der Bürger nehmen kann, ist George Orwells "Big Brother"-Dystopie Wirklichkeit geworden; dann ist es nur noch ein ganz kleiner Schritt, bis der Staat entscheiden kann, wer was kaufen und wer wohin reisen darf. Aber noch ist Bargeld beliebt.

In den Vereinigten Staaten von Amerika nimmt die Bargeldhaltung seit etwa Mitte der 80er Jahre zu. Das kann mehrere Gründe haben. Zum einen heben die sinkenden Zinsen die Bargeldhaltung, weil es die Kosten der Bargeldhaltung vermindert. Zum anderen findet das US-Dollar-Bargeld wachsende Verbreitung in vielen Teilen der Welt. Auch im Euroraum steigt die relative Bargeldhaltung seit der Euro-Einführung an. Offensichtlich gibt es den wachsenden Wunsch, anonym Zahlungen abwickeln zu können. Es lässt hoffen, dass der Vorschlag "Weg mit den Bargeld" nicht oder zumindest nicht ganz widerstandslos in die Tat umgesetzt werden kann.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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