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Die Medien, Pegida und die Wahrheit

28.12.2014  |  Manfred Gburek
In den vergangenen Tagen veröffentlichte mein langjähriger Kollege Roland Tichy auf seiner Internetseite rolandtichy.de einige Beiträge zu den Pegida-Demonstrationen - mit derart überschwänglichen Leserkommentaren im Nachgang, dass es nur ein Fazit geben kann: Er stach in ein Wespennest. Die Demos richten sich gleichermaßen gegen Politiker und Medien. Die Reaktion beider Gruppen ist beschämend: Die einen labern mehrheitlich um den heißen Brei herum, die anderen wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Ergebnis: Gelaber und Reaktionen werden in Talkshows mit dürftigem Inhalt fortgesetzt, während draußen die Demos zunehmen.

Die da durch die Straßen in Dresden und anderswo marschieren, gehören überwiegend zu einer stark zunehmenden Gruppe von Menschen am Rande der Gesellschaft, von der Politik jahrelang nicht ernst genug genommen, von den Medien als Stammtischredner abgetan, aber bei der kommenden Bundestagswahl womöglich dafür entscheidend, wer der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin wird. Insofern sind sie viel bedeutender, als uns die Mainstream-Medien weismachen wollen.

Es ist einige Monate her, dass in der ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" die Verflechtung von sogenannten Eliten aus Politik, Wirtschaft und Medien thematisiert wurde - auch damals ein Stich ins Wespennest, denn im ZDF liefen daraufhin die Drähte heiß. Einer, der sich über die "Anstalt" besonders aufregte, war ausgerechnet Josef Joffe, Mitherausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit". Ausgerechnet, weil seine diversen Verflechtungen spätestens mit dem Erscheinen des Enthüllungsbuchs "Meinungsmacht/Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten" (lesenswert!) von Uwe Krüger im Jahr 2013 öffentlich bekannt waren.

Dazu ein pikantes Zitat aus diesem Buch: "Joffes Netzwerk war hoch redundant; die größten Schnittmengen bestanden zwischen Weltwirtschaftsforum und Bilderberg (47 Personen) sowie Bilderberg und Trilateraler Kommission (43 Personen). Ein transatlantisch geprägtes Elitenmilieu ist deutlich zu erkennen, ergänzt durch eine EU-Komponente."

Fairerweise sei hinzugefügt, dass es sich bei Joffe nicht etwa um einen Einzelfall handelt, wie aus dem folgenden Krüger-Zitat hervorgeht: "Die deutschen Journalismuseliten der Jahre 2007-2009 waren vielfältig mit Eliten aus der Politik und Wirtschaft verflochten. Bei 64 Journalisten, also fast jedem Dritten der ermittelten Grundgesamtheit, wurden im Untersuchungszeitraum 2002-2009 Verbindungen zu insgesamt 82 Organisationen gefunden, durch die Kontaktpotenzial mit Repräsentanten von Staat und/oder Konzernen sowohl Deutschlands als auch anderer Länder bestand."

Mit anderen Worten: Der Lobby aus Politik und Wirtschaft wird jegliche Gelegenheit geboten, ihre Interessen mithilfe der Medien zu steuern und letzten Endes auch durchzusetzen. Da ist es nur allzu verständlich, wenn jetzt Tausende von Demonstranten durch die Straßen ziehen, um nicht nur ihren Frust über die Politik, sondern auch über die Medien abzulassen. Das geschieht zu einer Zeit, in der es wegen langjähriger Schlafmützigkeit von Verlagsmanagern vielen Printmedien immer schlechter geht, in der das Fernsehen an seine Akzeptanzgrenzen stößt und in der die sozialen Medien zunehmend das Feld beherrschen. Daraus folgt, dass die Meinungshoheit der bisherigen Mainstream-Medien zu Ende geht und die Stimme des Volkes mittels sozialer Medien mehr Gewicht erhält.

Ich möchte an dieser Stelle zwei Anekdoten aus meiner früheren journalistischen Tätigkeit einflechten, damit Sie nicht denken, ich theoretisiere nur. Da waren zum einen die Pressekonferenzen des Flick-Konzerns, dessen Chef Eberhard von Brauchitsch, wenn es um die heißesten Informationen ging, nur ihm genehme Journalisten der damaligen Leitmedien an sich heranließ (Welt, FAZ, Handelsblatt u.a.). Ich hatte als Vertreter der Zeitschrift Wertpapier keine Chance - bis ich eines Tages zur Wirtschaftswoche ging und wenigstens der Grauen Eminenz des Konzerns, Friedrich Karl Flick, die Hand schütteln durfte. Wenn ich das Foto dazu betrachte, das ein extra bestellter Fotograf schoss und seitdem in einer meiner Schubladen verschwunden ist, schüttelt es mich heute immer noch.

Die zweite Anekdote betrifft den Rüstungskonzern Rheinmetall, zu dessen Vorstand ich in den 80er Jahren als Wirtschaftswoche-Redakteur freien Zutritt hatte, weil sich sonst kaum jemand für das Thema Rüstung zu interessieren schien. Das änderte sich mit einem Deal über Panzerteile zwischen Rheinmetall, Argentinien und Südafrika, damals eine ganz heiße Geschichte. Ich erhielt dazu - zusammen mit vier weiteren Journalisten - Informationen fast nach Belieben. Die Wirtschaftswoche konnte sie veröffentlichen und die Auflage wegen der Brisanz des Themas Rüstungsexport steigern. Nur war ich auf einmal von Rheinmetall-Informationen abhängig. Ein paar Worte der Kritik, und schon wurde ich vom Informationsfluss abgeschnitten.

Da fallen mir lange Diskussionen ein, die ich gern mit Juristen führe und die sich um die Frage drehen: Was ist die Wahrheit? Viele Medien trennen seit eh und je zwischen Nachricht und Kommentar. Aber nimmt nicht schon jede Nachricht Kommentarcharakter an, weil sie von einem Medium stammt, das - wie die hier aufgeführten Beispiele zeigen - politisch und/oder ökonomisch verbandelt ist? Abgesehen davon, dass bereits die Auswahl einer Nachricht ebenso wie ihr Weglassen Manipulation sein kann. Ganz zu schweigen von meinungshaltigen Geschichten in Magazinen wie Spiegel oder Focus und von Kampagnen, wie sie uns immer wieder in Fernsehsendungen à la Panorama (ARD) oder Frontal 21 (ZDF) begegnen.

Womit wir uns wieder der Pegida-Bewegung nähern, denn sie wird nicht mehr aus dem Fernsehen wie auch aus den anderen Medien wegzudenken sein. Allerdings unter ganz neuen Bedingungen, denn die meisten Demonstranten trauen den Meinstream-Medien und speziell dem Fernsehvolk offenbar nicht mehr über den Weg. So macht Pegida eine Medienkrise deutlich; und falls es mit den bisherigen Protesten weiter geht wie bisher, erwächst daraus eine politische Krise, in deren Verlauf die etablierten Parteien nur verlieren können.

Derweil ergießen sich über ganz Deutschland Flüchtlingsströme, die das politische und ökonomische Establishment unvorbereitet treffen, weil kein Politiker und kein Konzernherr rechtzeitig den Mut hatte, eine tragbare Lösung für das Integrationsproblem vorzuschlagen. 2015: Willkommen im Jahr der ungelösten Probleme! Es wird von Tag zu Tag spannender. Und wenn Sie mich fragen, welche Medien Sie verfolgen sollten, um der Wahrheit ein Stück näher zu kommen: am besten alle, die Ihnen zugänglich sind, aber mit kritischer Distanz. Viel Erfolg im neuen Jahr!


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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