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Nachtrag: Zu den Folgen von Zinserhöhungen für Staatsanleihen

17.02.2015  |  Dr. Dietmar Siebholz
Mit einem solchen Echo auf meinen Kommentar zum Thema "Zinsaufwand für Staatsanleihen und deren Folgen" habe ich nicht gerechnet, ist es doch ein diffiziles Gebiet, das wegen seiner anscheinend marginalen Auswirkung nicht in den Fokus der Betrachter gerückt ist, so dachte ich. Weit gefehlt, nun habe ich einige Tage zu tun, um die Fragen und meine Stellungnahme zu Fragen von Lesern persönlich zu beantworten. Und das will ich auf jeden Fall, weil ich der Überzeugung bin, dass sich diese Diskussion auch auf die individuellen Entscheidungen jedes Einzelnen bezieht und für jeden von uns eine große Bedeutung hat.

Warum? Meine Darstellung der risikoträchtigen Dynamik des Zinsaufwands für Staatsanleihen hatte den Sinn, den Blick zu schärfen, was geschieht, wenn die Zinsen für Staatsanleihen tatsächlich den unvermeidlichen Weg zur "Normalität" gehen müssen. Mein Aufsatz hat ganz klar gesagt, welche Möglichkeiten die verschuldeten Staaten haben, dieses Conundrum zu verschleiern oder es zu lösen. Wobei ich sicher bin, das denen das Verschleiern leichter fallen wird als das Lösen.

Aber am Ende des Tages werden sie nach dem Verschleiern zwangsläufig an das Lösen kommen müssen, denn ähnlich dem schwarzen Hautkrebs - auch malignes Melanom genannt - können die Mächtigen dieser Welt das Geschwür der Zinseszins-Problematik ähnlich dem Melanom in seiner sichtbaren Form schon eine Weile mit Make-Up verdecken. Aber sicher ist eines (nein, nicht die Rente), sondern, dass der Krebs gewinnt.

Warum ich einen Nachschlag zu meinem Kommentar schreibe? Einige Antwortschreiber teilten mir mit, dass sich die Staaten keinesfalls eine Zinserhöhung erlauben können und sie alles tun werden, um die Zinsen nicht steigen zu lassen. Nun ist der Wunsch zwar verständlich, aber genauso wie die Schweizer Nationalbank mit ihrer Euro-Bindung einsehen musste, dass man zwar die Folgen hinauszögern und verschleiern, nie aber lösen kann, wird es auch hier geschehen.

Wenn die Bürger, Sparer und die Unternehmer sehen, dass Sparen bestraft wird, wird sich dies auf die Sparmentalität direkt auswirken. Gleichzeitig besteht aber der Zwang, ausreichendes Kapital für die Finanzierung der immer höher verschuldeten Staaten bereitzustellen. Das wird dann aber schwierig werden, wenn nur noch ein geringer Sparanreiz besteht und alternatives Investieren als eine zu bevorzugende Lösung für die Anlageprobleme der Bürger erscheint.

Einige Anmerkungen sollten Sie zu meinem früheren Kommentar berücksichtigen.


Tilgung von Altschulden = Altanleihen

Natürlich würde die Rückzahlung einer Staatsanleihe keinen Einfluss auf die Liquidität nehmen, wenn alle alten Anleihebesitzer ihren Rückfluss nutzen, um neue Titel des Staates zu kaufen. Lieber Leser, das ist reine Theorie, denn sagen Sie selbst: Wenn Sie in 2015 die Tilgungszahlung einer Anleihe aus dem Jahre 2005 mit einem Zinssatz von 4,5% erhalten, werden Sie diesen Rückfluss im Verhältnis 1:1 in eine solche aus dem Jahre 2015 mit 0,50% anlegen? Ich glaube eher nicht. Sie werden darüber nachdenken, wie Sie das Geld unterbringen und das wird angesichts der Bondsblase sicherlich nicht in erster Linie der Anleihemarkt sein. Und schon geht der Wettbewerb der Anlageklassen um Ihr Geld los.

Wenn dieses Phänomen weltweit auftritt, dann helfen alle Eingriffe der Notenbanken gegen die dann reale Kapitalmarktsituation nichts mehr: Die Zinsen müssen angesichts der Risiken der Anleihen attraktiver werden und das heißt eindeutig "steigen".


Globaler Kampf um Spareinlagen

Glückliches China, muss ich sagen, denn dort ist die Sparquote sehr hoch. Aber in den alten Industrieländern ist die Sparquote sehr niedrig und die Erkenntnis, dass die betroffenen Staaten ALLE die bei den Bürgern kaum bekannten Gesetze zur Abschöpfung fiskalischer Art á la Zypern und Spanien geschaffen haben (der Bundestag hat dieses Gesetz verschämt als Quasi-Anhang zum Trennbanken-Gesetz "durchgebracht" und niemand aus der Mainstream-Presse hat darüber genau berichtet) und im Notfalle auch anwenden werden, wird sich bei den betroffenen Bürgern so langsam festsetzen. Die Folge wird sein, dass man über "alternative" Anlagen nachdenkt, die außerhalb von Kontoeinlagen des Bankensektors liegen müssen.

Natürlich ist der auch mir gemachte Vorhalt, die Unmenge an Zinsderivaten, die die Investmentbanken in Umlauf gebracht haben und die noch in Umlauf gebracht werden, können den Zinsanstieg ebenso bremsen wie bei den Edelmetallen, nicht zu ignorieren. Aber bitte denken Sie an das Melanom (siehe oben). So wie im Jahre 1998 der Long-Term-Capital-Management Hedgefonds an den Folgen eines nicht erwarteten Ereignisses bei gleich zwei Derivaten um Milliarden Dollars gebracht wurde, so kann man mit Derivaten eine Entwicklung bremsen, aber nie aufheben und wenn die Sicherheitsfrage der Derivate gestellt wirdd, dann kann das eintreten, was Warren Buffett schon seit Jahren erklärt, nämlich "Derivate sind die Massenvernichtungsmittel der Investmentindustrie."

Sie sollten wissen, dass der Anteil der Zinsderivate an allen Derivaten weltweit weitaus über 70% liegt. Diesen Markt kann keiner mehr regulieren, wenn er einmal ins Schleudern gerät. Und spätestens dann werden die Zinsen explodieren.

Der Kampf um die Spar- und Bankeinlagen, für die man heute in einigen Ländern schon mit Minuszinsen bestraft wird, ist noch nicht in die heiße Phase getreten. Aber ich will ja kein Historienkommentator, sondern ein Berater für Künftiges sein. Wie sagte mein früherer Börsenmakler-Kollege in seinem schönsten Jiddisch: "Höre, du Goi, für´s Gewesene geben meine Glaubensgenossen nichts…". Klarer kann man es nicht sagen.


Konkrete Zahlen

Es gab Hinweise darauf, dass es doch unerheblich sei, wenn der Zins sich von 0,75 auf 1,5 % erhöhen sollte. Das zeigt einerseits, dass PISA schon in meinen Folgegenerationen Einstieg genommen hat, denn - so wie ich es lernte - ist ein Produkt immer das Ergebnis aus mindestens zwei Faktoren und die sind hier nun einmal die Kapitalmenge und die Höhe des anzuwendenden Zinses. Und das Ergebnis einer Multiplikation (wenn beide Faktoren über dem Wert 1 liegen) ist wesentlich höher als beide Faktoren an sich.


Kapitalhöhe

Die offizielle und die künftige Verschuldung z.B. der BRD durch die Gewährleistungsverpflichtungen, die man uns über Target-2, ELA, ESM etc auferlegt hat, ist im Vergleich zu der Zeit vor zehn Jahren explosiv gestiegen, der Zinssatz stark gefallen. Insoweit könnte der Einwurf "keine Sorge" als berechtigt angesehen werden.



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