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Über die Schäden, die der Negativzins anrichtet

16.02.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Versicherungen unter Druck

Während der Bankenapparat relativ einfach von der Zentralbank liquide gehalten werden kann, stehen die Dinge anders bei den Lebensversicherungsunternehmen. Sie stehen nicht nur unter Druck aufgrund neuer Regularien ("Solvency II"), sondern es setzen ihnen vor allem auch die niedrigen Zinsen zu. Ihre laufenden Zinserträge schmelzen ab. Fallende Marktrenditen lassen zudem die barwertigen Verbindlichkeiten der Versicherer stärker steigen, als ihre barwertigen Vermögen zunehmen. (Der Grund dafür ist, dass die "Duration" der Verbindlichkeiten häufig größer ist als die "Duration" der Forderungen.) Das Ergebnis der tiefen, weiter sinkenden Zinsen ist schwindendes Eigenkapital.

Wachsende Zweifel an der Solidität der Versicherer könnten Kunden veranlassen, ihre Policen zu kündigen (stornieren). Den Versicherern wird dann Liquidität abverlangt, die sie nicht vorrätig haben. Um sie zu beschaffen, müssten sie Wertpapiere im Markt verkaufen. Für einen einzelnen Versicherer mag das noch funktionieren. Müssen jedoch viele Versicherer ihre Papiere gleichzeitig liquidieren, fallen die Wertpapierkurse, und die Zinsen steigen. Immer mehr Papiere müssen dann verkauft werden, um die benötige Liquidität zu beschaffen - und immer stärker würden die Wertpapierkurse verfallen (und die Zinsen steigen). Ein Andauern der Tief- beziehungsweise Negativzinspolitik kann also die Lebensversicherer in eine Krise stürzen - mit weitreichenden Folgen.

Die Versicherer fielen als Käufer von Staats- und Bankenschulden aus - und zwar sowohl für die Neuverschuldung als auch für die Refinanzierung fällig werdender Kredite. Um Zahlungsausfälle von Staaten und Banken zu verhindern, müsste die Zentralbank die elektronische Notenpresse anwerfen. Damit die Zinsen niedrig blieben, müsste die Zentralbank Schulden von Staaten und Banken aufkaufen gegen Ausgabe von neuem Geld. Das liefe auf eine großangelegte Monetisierung der Schulden hinaus - und hätte das Potential, in eine Währungszerrüttung zu münden.


Fehllenkung von Kapital

Open in new windowDer Negativzins veranlasst Schuldpapierhalter, nach Alternativanlagen zu suchen, die noch eine Rendite beziehungsweise einen Werterhalt ihres Kapitals in Aussicht stellen. Dazu müssen sie natürlich (erhöhte) Risiken eingehen.

Sparer und Investoren fragen beispielsweise verstärkt Aktien nach. Die Kurse der Aktien steigen. Für die Unternehmen verbilligen sich dadurch die Eigenkapitalkosten und damit auch die gesamten Kapitalkosten. Das ermutigt Investitionsprojekte, die bei einem "normalen Zins" nicht angegangen worden wären.

Mit anderen Worten: Der Negativzins führt zu einer Fehllenkung von Kapital. Künstlich niedrig gedrückten Zinsen regen insbesondere kapitalintensive Unternehmen an zu expandieren: also Geschäftsmodelle auszuweiten, die sich durch zeitintensive Produktionswege auszeichnen.

Hierzu zählen zum Beispiel die Investitionsgüter-, Bau- und die Eisenbahnindustrie. Der tiefe Zins begünstigt aber auch die "neuen", die "risikoreichen" Industrien: Industrien, in denen die Unsicherheit besonders hoch ist, ob und vor allem wann sie die erhofften Erträge zeigen.

Ein Beispiel dafür ist die Biotechnologie. Der künstliche Tiefzins begünstigt natürlich auch die Konsumgüterindustrie: Wenn der Zins künstlich gedrückt ist, sinkt die Neigung zu sparen, und die Neigung, den Konsum zu erhöhen (und Konsumgüterartikler verzeichnen zusätzliche Nachfrage).


Korrektur

Wie lange die Politik der tiefen Zinsen noch fortgeführt werden kann, hängt von den Geldhaltern ab. Lassen sie sich die Entwertung ihrer Ersparnisse gefallen, wird die Niedrigzinspolitik zunächst noch andauern können. In dem Falle jedoch, in dem sie versuchen, der Vermögensentwertung zu entkommen und aus den klassischen Anlagen wie Bankeinlagen und Staatsanleihen zu "fliehen", gerät das ungedeckte Papiergeldsystem in arge Bedrängnis.

Dann bliebe der Zentralbank, wenn sie einen Zinsanstieg verhindern will, im Grunde nur noch, die zuhauf auf den Markt geworfenen Schuldpapiere aufzukaufen und mit neu geschaffenem Geld zu bezahlen. Um die Kaufkraft des Geldes wäre es geschehen.

Die Politik der tiefen beziehungsweise negativen Zinsen bringt schwere Probleme, die vielfach wohl noch nicht erkannt werden - oder die geflissentlich übersehen werden.

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Die Geldmarktfondsindustrie im Euroraum hat ein Geschäftsvolumen von knapp 936 Mrd. Euro (letzte Zahl aus Q3 2014). Allein die von Banken ausgegebenen Geldmarktfondsanteile belaufen sich auf etwa 426 Mrd. Euro. Der Tiefzins hat die Anleger bereits aus diesen Anlageformen vertrieben, ein Negativzins dürfte diese Entwicklung natürlich noch weiter verstärken.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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