Kondratieff-Zyklen
26.05.2004 | Dr. Christoph Mittermaier
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3. Betriebswirtschaftliche SchlüsseBasierend auf den Erkenntnissen aus vergangenen Langen Wellen könnte die Entwicklung in der gegenwärtigen Lage innerhalb der Langen Welle betriebswirtschaftlich wie folgt interpretiert werden.
In der Phase der grundlegenden technologischen und wirtschaftlichen Krise erhöht sich das Interesse an Investitionsmöglichkeiten in neue Technologien und neue Märkte. Erst wenn ein Investieren in die Entwicklung von Produkten für einen gesättigten Konkurrenzmarkt, der schon mehrere Verbesserungsphasen durchlief, nicht mehr rentabel ist, wird mehr in Basisinnovationen investiert. Dies ist auch der Grund für das Auftreten von Innovationsschüben im Gegensatz zu einem gleichmäßigen Auftreten von Basisinnovationen. Der neu gefaßte Mut und die wirtschaftliche Notwendigkeit treiben die Unternehmer dazu, neue Entwicklungspfade zu betreten. Dieser Druck, neue Wege zu beschreiten, besteht in der gegenwärtigen Phase nicht, vielmehr wurde die hinter uns liegende Abschwungphase zur Verbesserung der Organisation, für einen Abbau von Uberkapazitäten und neue strategische Ausrichtungen genutzt. Es kann jedoch nicht davon gesprochen werden, daß die Basisinnovation Informationstechnologie bereits vollends entwickelt und Verbesserungspotentiale vollständig ausgeschöpft wurden. Aus diesem Grund dürfte die Offenheit für neue, risikoreiche Produktentwicklungen in anderen Bereichen eher gering ausfallen. In der Anfangsphase einer neuen Technologie sind kleine auf unternehmerische Initiative basierende Firmen hauptsächlich mit neuen Produktinnovationen und grundlegenden Produktverbesserungen beschäftigt. Die darauffolgenden großen, etablierten Unternehmen befassen sich verstärkt mit Prozeßinnovationen und kleineren Produktverbesserungen. Die Informationstechnologie befindet sich in einer Reifephase, in der sich die Möglichkeiten für Produktinnovationen verringern. Die Innovationen beziehen sich stärker auf eine Verbesserung der Prozeßeffizienz. In der gegenwärtig beginnenden Aufschwungphase können noch Produktinnovationen erwartet werden, jedoch wird das Gewicht der Prozeßinnovationen anwachsen.
Es ist noch nicht absehbar, welche Innovationen bzw. Branchen die Träger eines 6. Kondratieff werden könnten. Trotzdem ist aus vergangenen Kondratieff-Zyklen bekannt, daß die Erfindung und technische Entwicklung der jeweiligen Basisinnovationen stets bereits wesentlich vor Beginn des jeweiligen Kondratieff-Zyklus, dem sie zugeordnet wurden, stattfand. Beispielsweise wurde die Innovation Eisenbahn wesentlich in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts und zuvor entwickelt; es kommt aber zu einer Einordnung der Eisenbahn in den 2. Kondratieff (ca. 1845 bis 1900). Die Elektrizität hat eine industrielle Vorgeschichte, die bis zu Volta (Anfang des 19. Jahrhunderts) zurückreicht, trotzdem ist sie dem 3. Kondratieff (ca. 1900 bis 1950) zuzuordnen. Insofern kann bereits jetzt durch Analyse der vorliegenden Erfindungen nach der Basisinnovation von morgen gesucht werden. In Frage kommt die Biotechnologie und alle damit in Verbindung stehenden Felder der Gesundheitsbereichs. Die Errungenschaften der Biotechnologie finden in einer Fülle von Märkten Anwendung. Unter Einbeziehung der Bereiche Medizintechnik und Gesundheitsdienstleistungen spricht man von dem Bereich "Life Science". In untenstehender Tabelle werden bereits einbezogene und zukünftig betroffene Märkte des Bereichs Life Science aufgelistet.
Zur Analyse bestehender Erfindungen auf ihr Potential hin Grundlage einer Basisinnovation zu sein, soll obiger Entscheidungskatalog für Basisinnovationen dienen. Angewendet auf den Life Science-Bereich kann die in Abb. 5 aufgezeichnete Beurteilung vorgenommen werden.
Da sich der Bereich Life Science noch in der Aufbauphase befindet, ist eine Transformation der bisherigen Bereiche des Wirtschaftsverlaufs bisher nur in begrenztem Ausmaß zu beobachten gewesen. Außerdem ist derzeit das gesellschaftliche Klima nicht offen für Investitionen in risikoreiche Projekte. Auch sind außergewöhnliche Gewinnaussichten im Bereich Life Science eher vereinzelt als nachhaltig bei einer breiten Anzahl von Unternehmen zu beobachten. Eine breite Öffentlichkeit hat die Vorteile und Möglichkeiten des Life Science-Bereichs noch nicht eindeutig wahrgenommen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß wesentliche Indizien dafür sprechen, daß dem Bereich Life Science das Potential einer Basisinnovation innewohnt, jedoch müssen für einen endgültigen Durchbruch noch einige Voraussetzungen erfüllt werden. Gleichzeitig sollte nicht außer acht gelassen werden, daß auch andere Innovationen als potentielle zukünftige Basisin-novationen in der Diskussion sind.
4. Bedeutung für den Anleger
Aufgrund obiger Ausführungen kann dem Bereich Life Science das Potential einer neuen Basistechnologie der nächsten Langen Welle zugesprochen werden. Dabei sind jedoch einige ün-wägbarkeiten zu beachten. So besteht in breiten Bevölkerungsschichten immer noch große Skepsis gegenüber genveränderten Lebensmitteln bzw. Sorge über den Umgang mit den Erkenntnissen aus der Entschlüsselung des Genoms. Aus Sicht der Lange Wellen-Theorie dürfte der Bereich Life Science erst nach einer längeren Phase innovativer Orientierungslosigkeit (Kondratieff-Abschwung) in ca. 15-18 Jahren eine tragende Bedeutung gewinnen. Die dann führenden Unternehmen legen aber bereits wesentlich früher den Grundstein ihres Erfolges.
Anleger-Tip:
© Dr. Christoph Mittermaier
Quelle: aus Zeitschrift "Smart Investor" 05/2004