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Ist Griechenland noch zu retten?

22.02.2015  |  Manfred Gburek
Ein seltsamer Countdown, der da am Freitagabend in Brüssel beschlossen wurde: Schon bis Montagabend soll die griechische Regierung eine Liste vorlegen, in der sie sich verpflichtet, versprochene Reformen nicht ohne Absprache mit der Eurogruppe und weiteren zuständigen Gremien einzudampfen. Am Dienstag erfolgt die überschlägige Prüfung der Liste, damit Hilfsgelder fließen können.

Für kommenden Freitag steht die Verlängerung des Hilfsprogramms bis 30. Juni an. Und dann? Die Frage ist jetzt noch nicht zu beantworten. Es wird sehr darauf ankommen, wie die Dinge sich in Griechenland entwickeln. Denn auf einmal sind die Wahlversprechen der Regierung Tsipras nur die Hälfte oder noch weniger wert. Da wird der Volkszorn wieder hochkochen, Ende offen.

Es sind wichtige, aber ungeklärte Details, die da nicht allein auf Griechenland, sondern auch auf andere Euroländer zukommen. Dazu nur zwei Beispiele: Griechen heben Geld von ihren Konten ab, was das Zeug hält. Deshalb liegen Kapitalverkehrskontrollen in der Luft. Und Länder wie Portugal oder Spanien, deren Bevölkerung die Reformen leid ist, sehen nicht ein, warum Griechenland eine Sonderbehandlung erfahren soll.

Hinter der Podemos-Bewegung in Spanien steckt mindestens ebenso viel Frust, aber auch Wucht, wie hinter den Protesten der Griechen. Wie sehr das Ganze von Emotionen geprägt wird, verdeutlicht am besten ein Spruch des griechischen Finanzministers Varoufakis am späten Freitagabend: "Das ist ein großer Tag für Griechenland und ein großer Tag für Europa." Emotional, da mag er recht haben, aber sonst? Eher nicht.

Man fragt sich unwillkürlich: Welches Europa meint Varoufakis, das vom starken Deutschland geprägte oder das der Schuldenmacher? Auf der Suche nach einer Antwort bin ich zunächst auf die gerade erschienene März-Ausgabe des manager magazins gestoßen, worin die Redaktion dem Buchautor Michael Lewis nicht weniger als fünf Seiten widmet. Dann ist mir eingefallen, dass ich einige Bücher von Lewis besitze, und siehe da, in dem mit dem Titel "Boomrang" bin ich auf die beiden folgenden Passagen gestoßen:

"2001 trat Griechenland in die Europäische Währungsunion ein, tauschte die Drachme gegen den Euro und erhielt damit implizit eine europäische (sprich: deutsche) Garantie für seine Schulden......Da trat 2001 Goldman Sachs auf den Plan und beteiligte sich an einer Reihe scheinbar legaler, doch nichtsdestoweniger verwerflicher Transaktionen zur Verschleierung der wahren Höhe der griechischen Verschuldung."

Also ein Komplott, das sich unter anderem - und vor allem - gegen Deutschland richtete. Damals regierte hier Rot-Grün unter Gerhard Schröder. Griechenland schien so weit weg zu liegen, dass man sich lieber mit der verkorksten Riester-Rente oder dem leidigen Dosenpfand beschäftigte, als dem wundersamen griechischen Zahlensalat auf den Grund zu gehen. Und als die Renditen der Staatsanleihen in der Eurozone sich immer mehr annäherten, galt dies als Beweis dafür, dass die Eurozone zusammengewachsen war - bis 2010 das böse Erwachen kam.

Ist Griechenland zu retten? Ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Dazu hat ifo-Chef Hans-Werner Sinn am vergangenen Mittwoch im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten einen konstruktiven Vorschlag unterbreitet: Grexit (Griechenland verlässt den Euro) mit Rückkehrmöglichkeit nach fünf bis zehn Jahren. Die Vorteile: Griechen würden zunehmend heimische Produkte kaufen, der Tourismus dürfte kräftig zulegen, und reiche Griechen würden einen Teil ihrer im Ausland lagernden Ersparnisse ins Heimatland zurückschleusen.

Zur Bekräftigung seiner Argumente verweist Sinn darauf, dass der maximale Verlust zulasten des deutschen Staatshaushalts im Grexit-Fall 78,8 Milliarden Euro betragen dürfte, wohingegen er beim Verbleib Griechenlands im Euro mit 79,7 Milliarden Euro sogar noch etwas höher ausfiele.

Nur bleibt die Frage offen, welche Unruhen an den Kapitalmärkten nach dem Grexit entstünden. Denkbar wäre nämlich, dass andere schwache Euroländer sich eingeladen fühlten, ebenfalls Abschied vom Euro zu nehmen. Die Reaktionen der Kapitalanleger könnten sogar von heute auf morgen eine allgemeine Vertrauenskrise auslösen. Daraus folgt: Zunächst wird die ganze Eurozone einschließlich EZB bemüht sein, Griechenland in der Gemeinschaftswährung zu behalten.

Angenommen, es bleibt dabei, wie ist Griechenland dann zu retten, ohne dass es zum Eklat kommt? Dazu hat Eckart Langen v. d. Goltz, Chef der PSM Vermögensverwaltung in Grünwald, bereits vor längerer Zeit einen konstruktiven Vorschlag gemacht und zuletzt wiederholt. Statt Griechenland Finanzhilfen zu gewähren oder den Austritt aus der Eurozone zuzulassen, sollte man lieber den folgenden Weg einschlagen: Alle griechischen Anleihen in 30-jährige Zerobonds (Nullkuponanleihen) umwandeln und die EZB dafür garantieren lassen. Dann müsste Griechenland 30 Jahre lang keine Rückzahlungen aus dem laufenden Haushalt leisten.

"Durch rigoroses Sparen wird in Griechenland oder auch anderswo in Europa das Schuldenproblem nicht gelöst", mahnt der PSM-Chef. Griechenland brauche in erster Linie Wachstum - womit wir nicht weit weg von Sinns Vorschlag sind, heimische Produkte und den Tourismus zu fördern.

So weit zwei ernst zu nehmende Vorschläge zur Rettung Griechenlands. Aber halten sie der Realität stand, also den wilden Kapitalmärkten und dem Faktor Mensch? Diese Frage kann heute zwar noch niemand beantworten, aber schon die nächsten Tage werden zeigen, wohin die Reise geht.

Angenommen, es kommt zu Kapitalverkehrskontrollen, welchen Umfang werden sie haben und wie werden dann die Börsen reagieren? Wann werden Großanleger, vor allem Staatsfonds, zu ersten massiven Aktienverkäufen schreiten - speziell Staatsfonds aus Öl produzierenden Ländern wie Norwegen oder Katar, die jetzt zum Ausgleich für geringere Einnahmen aus dem Ölgeschäft ihre Aktienportfolios liquidieren könnten?

Um schließlich auf eine Kernfrage zurückzukommen, die in letzter Zeit etwas in den Hintergrund geriet, wenn auch zu Unrecht: Wann geht die Inflation der Aktienkurse und Immobilienpreise (die sogenannte Asset Inflation) in die Inflation des Warenkorbs über? ifo-Chef Sinn ist jedenfalls felsenfest überzeugt, dass Letztere wegen des im März beginnenden Anleihen-Aufkaufprogramms der EZB nicht mehr lange auf sich warten lässt. Insofern liegen Anleger, die in den vergangenen Wochen wieder massiv Gold gekauft haben, im wahrsten Sinn des Wortes goldrichtig.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".



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