Eine stille, aber machtvolle Änderung an den Welt-Goldmärkten
17.03.2015 | Dr. Dietmar Siebholz
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Dass China inzwischen zum größten Goldproduktionsland der Welt aufgestiegen ist und die chinesische Goldproduktion nicht exportiert werden darf, nimmt man nur im Unterbewusstsein zur Kenntnis. Diese Ignoranz der Medien scheint gewollt zu sein; sie hilft aber insbesondere China, seinen Weg - fast unbeachtet - unbeirrt weiterzugehen.Nun nach der Kritik zum Lob. Seit Monaten verfolge ich die Veröffentlichungen von Bullionstar, also Herrn Koos Jansen, der die Edelmetallmärkte von Asien aus kommentiert, und dies mit hohem Sachverstand. Wenn Sie diese statistischen Daten, die Herr Jansen permanent liefert, verfolgen und analysieren, dann werden Sie Erstaunliches feststellen, und zwar:
1) In den letzten zweieinhalb Jahren hat sich allein der Goldabsatz (physisches Gold) allein in China von einem Anteil von ca. 20% der jährlichen Welt-Goldförderung auf mehr als 50% erhöht. Dazu muss man die realen Zahlen aus Shanghai nehmen und die Werte für Goldrecycling und die eigene chinesische Goldproduktion berücksichtigen. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass die eigene chinesische Goldförderung nicht an das Publikum geht, sondern in staatlichen Unterorganisationen geparkt wird, bis man der dann erstaunten Welt die neuen Zahlen des staatlichen chinesischen Goldschatzes präsentieren wird.
2) In den letzten 6 Monaten hat der Anteil Shanghais am Welthandel mit physischem Gold die 50%-Grenze still und heimlich überschritten, also die LBMA, die Londoner Goldbörse- schlicht und einfach ohne großes Getöse überholt..
3) Und nun das für mich Wichtigste. Es sind die Bedingungen für den Goldhandel sowohl an der Shanghai-Goldbörse als auch an deren jüngeren Schwester, der Internationalen Goldbörse in Shanghai, an der auch nichtchinesische Investoren handeln können.
Warum ist dies so bahnbrechend? Ganz einfach, wer so wie ich seit mehr als zwanzig Jahren die Edelmetall-Börsen in New York und London verfolgt, wird wohl der gleichen Überzeugung sein wie ich. Das sind keine freien Börsen, wo Preise durch Angebot und Nachfrage zeitgleich ermittelt werden, wenn es sich um physisches Material handelt. Ein Privatclub von Investmentbankern ermittelt seit Ende des zweiten Weltkrieges in einem zweimal täglichen Rendezvous am runden Tisch den Preis für physisches Gold.
Das ist der Neuzeit nicht entsprechend und vor allem, es schließt das sogenannte "Frontrunning" also das Voraushandeln durch den Makler oder die Investmentbank zu eigenem Vorteil nicht aus. Als ich in den mittleren 60-er Jahren als Maklerassistent an der Düsseldorfer Börse aktiv sein durfte, musste ich eine eidesstattliche Erklärung unterschreiben, dass ich in Kenntnis von Börsenorders weder direkt noch indirekt eigene Umsätze tätigen durfte in den Titeln, die ich als Makler zu bearbeiten hatte.
Haben Sie davon schon einmal gehört, dass die früher am Londoner Goldtisch Hockenden solche Erklärungen abgegeben haben? Ich nicht. Nun ermitteln die Behörden und dann werden die Beteiligten wieder einmal Milliarden an die USA und an Great Britain zahlen, aber nicht an die sonstigen durch ihr Fehlverhalten Geschädigten
Aber die Rache für diese jahrzehntelangen marktfeindlichen Aktivitäten folgt nun nach der Umsetzung des chinesischen Konzepts. Die Börse in Shanghai bietet jetzt auch Kontrakte im Terminhandel an, nachdem man sich offenbar die Mehrheit am physischen Goldmarkt gesichert hat. Dann wäre für den physischen Markt der Terminhandel á la COMEX negativ, wenn man sich die Praktiken an der COMEX in New York ansieht. Aber die beiden Börsen können nicht verglichen werden. Warum?
Ganz einfach. Wenn ich den Aussagen von Herrn Jansen Glauben schenken kann (ich tue dies nach Kenntnis seiner Stellungnahmen und außerdem kann ich kein Mandarin), dann ist die Laufzeit der Terminkontrakte auf sechs Monate beschränkt und - und das ist das Wichtige - die Kontrakte können nur physisch ausgeübt werden. Die Möglichkeit, wie sie die COMEX bietet, Kontrakte nur in Geld auszugleichen, hilft nur den großen Instituten mit den tiefen Taschen, sie können jeden Kontrakt mit viel Geld unendlich verlängern und den Markt über solche "Luft"-Handelspositionen in die Richtung drücken, wie es in ihre momentanen Handelsbestände passt.
Das wird in Shanghai nicht mehr gehen. Und die Konsequenzen? Diese sind weitreichend. Als erstes sehe ich die Chance für die Minenunternehmen, andere Preise am Markt für ihre Produkte zu erzielen, als dies die großen Player ihnen derzeit ermöglichen, wenn es nicht in deren (Investmentbanken) Dispositionen passen sollte.
Für die Minen, die eventuell durch Hedging ihre Verkaufsvorstellungen durch Terminverkäufe oder Derivate abgesichert haben, ergibt sich dann eine zusätzliche Gewinnchance, durch ein Gegengeschäft im Future- oder Derivatebereich ihre Kontrakte zu den üblichen COMEX-Konditionen auszugleichen und den physischen Verkauf über Shanghai mit für sie besseren Preisen abzuwickeln. Eine Arbitrage im physischen Bereich wird es dann kaum geben; die unterschiedlichen Handelsformen zwischen London und Shanghai werden dies kaum zulassen, zumindest aber den Ausgleich der beiden Börsen untereinander sehr schwer machen..