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Marc Faber: Ist Demokratie zunehmend dysfunktional?

20.03.2015
- Seite 2 -
Daily Bell: Sie hatten ja am Anfang gesagt, dass man diversifizieren muss. Interpretieren wir Sie also richtig, dass Diversifikation heute wichtiger denn je ist?

Marc Faber: Richtig.


Daily Bell: Schildern Sie uns Ihre Ansichten zum Russland/ Ukraine/USA/NATO-Fiasko.

Marc Faber: Eine Sache zur Ukrainekrise: Wir hatten 1962 eine Kubakrise - das dürfte die Sache ziemlich deutlich machen. Auch den europäischen Führungen ist ziemlich klar, dass Russland die Nato nicht in der Ostukraine haben will, und dass sie den Hafen auf der Krim behalten werden, weil der ihnen sehr wichtig ist. Also sollten die Westmächte doch besser an den Verhandlungstisch treten und eine Art Vereinbarung mit Russland treffen.

Die amerikanischen Medien stellen Putin als böse Person dar, das ist allerdings nicht die Meinung des typischen europäischen Wählers. Putin verteidigt oder schützt nur sein Eigeninteresse und das Russlands. Menschen wie Paul Wolfowitz darf es in der Ostukraine nicht geben.


Daily Bell: Wenn die Europäer Putin als den Beschützer seines Volkes sehen, haben Sie dann vielleicht auch den Eindruck, dass auch die Europäer von ihren eigenen Führungen eine Distanzierung von den Vorgaben aus Brüssel fordern und stattdessen mehr Augenmerk auf die einzelnen Nationen? Kann man hier von verstärkten nationalistischen Gefühlen sprechen?

Marc Faber: Ich glaube nicht, dass es hier um Nationalismus geht. Überall auf der Welt, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, werden die Wähler immer skeptischer, inwiefern ihre “demokratischen“ Regierungen im Eigeninteresse handeln oder tatsächlich im Interesse des Volkes. Die Bürger beginnen zu erkennen, dass der Staat ein unglaublicher Bürokratieapparat ist, der sich um seine eigenen Interessen kümmert, nicht um die Ihren und nicht um die meinen.


Daily Bell: Was wird diese Wahrnehmungsänderung Ihrer Meinung nach für Konsequenzen haben? Einen Grexit zum Beispiel? Protestieren die Deutschen entschlossener?

Marc Faber: Es ist eher eine politische Angelegenheit, denke ich. Die USA und Europa - unter US-Druck und den der Neocons - werden Griechenland nicht aus der EU rauslassen, weil sie fürchten, dass beim EU-Austritt Griechenlands Russland und möglicherweise China bei Griechenland an die Tür klopfen und enge Beziehungen knüpfen.

Es geht dabei nicht so sehr um ökonomische Fragen. Zahlen wird Griechenland doch nie, das ist eigentlich allen vollkommen klar. Möglicherweise wird man das Land weiter retten und mehr Geld zuschießen, so dass die Griechen weiterhin nichts tun müssen.

Die eigentliche Frage ist doch aber, was der Westen möchte. Will er, dass Griechenland in der EU bleibt? Okay, dann müssen sie zahlen. Die Griechen sind in einer sehr starken Verhandlungsposition, denn gerade in den USA weiß man: Wenn Griechenland die EU verlässt, besteht die Gefahr, dass Griechenland eng an Russland oder China gebunden wird.

Das andere Problem ist dann, dass vielleicht auch noch andere Länder austreten würden. Das Schlimmste wäre, wenn Griechenland die EU verließe und die griechische Wirtschaft sich deutlich erholen würde. Das würde einen kompletten Vertrauensverlust für die Neo-Keynesianer bedeuten, die für immer höhere Staatsausgaben eintreten und für immer größere Bailouts und dann noch behaupten, dass diese nicht in Gewicht fielen, wie z.B. Mr. Paul Krugman.


Daily Bell: Wäre es wahrscheinlich, dass sich hier ein richtiger Krieg abzeichnet - angesichts der schlechten Wirtschaft in den USA und einer tatsächlichen Arbeitslosigkeit, die den Angaben zufolge, bei über 20% liegt?

Marc Faber: Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass die USA in den Krieg ziehen werden, denn sie haben keine Armee mehr, die richtig funktioniert. Sie haben Söldner. Sie bezahlen ihre Leute - und so weiter. Unter den normalen US-Amerikanern herrschen sehr starke Vorbehalte gegenüber Einmischungen in die Angelegenheiten anderen Staaten. Aber vielleicht aus Verzweiflung, wer weiß?


Daily Bell: Sie hatten Wolfowitz erwähnt. Wie viel Einfluss haben die Neocons eigentlich noch auf alle aktuellen Entwicklungen?

Marc Faber: Die Neocons sind für mich das Äquivalent zu den Neo-Keynesianern. Die Neo-Keynesianer haben die Welt mit ihrer Politik finanziell in den Bankrott getrieben und die Neocons haben den Nahen Osten mit ihrer Politik zugrunde gerichtet. Im Grunde haben sie den gesamten Nahen Osten destabilisiert.

Das Problem ist aber nicht so sehr die Destabilisierungspolitik, das Problem ist die menschliche Tragödie dahinter: Es wurden zumeist arme Menschen vertrieben, die heute noch ärmer sind als zuvor. Aber darüber spricht keiner. Man redet immer nur über ISIS in Syrien und Irak. Man redet über Aufstände hier und dort, aber nie über die menschlichen Tragödien, und darauf möchte ich hinweisen. Die Interventionen unter den Neocons, oder unter Obama - unter dem Einfluss der Neocons - sind ausgemachte menschliche Tragödien gewesen.

Die Amerikaner sagen dann noch in aller Ruhe: “Amerika ist außergewöhnlich.“ American Exceptionalism. Menschenrechte sollten überall in der Welt geachtet werden, aber nicht von den USA.


Daily Bell: Die USA unterstellen sich nicht dem Internationalen Kriegsgerichtshof und keiner andern internationalen Institution, die sie zur Verantwortung ziehen könnte. Diejenigen, die Menschenrechtsverletzungen anprangern wollen, können sich also kaum Verhör verschaffen.

Marc Faber: Ja, richtig. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass die USA wegen genau dieser Haltung, die ich Arroganz nennen würde, viel Prestige in der Welt verloren haben. Noch vor sagen wir 20 oder 30 Jahren galt Russland als böse Nation. China wurde als böse Nation betrachtet. Heute ist das nicht mehr da. Heute schauen die Leute auf Russland und sagen: "Ok, die verteidigen ihre Eigeninteressen." Sie schauen auf China. China war ziemlich gut, was Eingriffe in die Angelegenheiten anderer Länder angeht.



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