Marktanalyse Juni 2004
27.05.2004 | Claus Vogt
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Dow Jones Industrial AverageLetzten Monat bezeichneten wir die auf die März-Tiefs folgende Rallye als wenig dynamisch und interpretierten sie als Teil einer potentiellen Top-Bildung. Diese Sichtweise wurde durch den Kursverlauf der vergangenen Wochen bestätigt. Der Dow Jones hat inzwischen sein März-Tief unterschritten. Damit zeigt der Chart tiefere Hochs und tiefere Tiefs, hat also einen mittelfristigen Abwärtstrend etabliert.
Aktuell befinden sich die Kurse leicht unterhalb der steigenden 200-Tage-Durchschnittlinie. In gesunden Bullenmärkten ist dieses Unterstützungsniveau ein idealer Einstiegspunkt. Daß der Index bereits seit acht Börsentagen in der Nähe dieser Linie und unterhalb der März-Tiefs verharrt, ist ein klares Schwächezeichen. Der Markt war sehr stark überverkauft und konnte dennoch keine Rallye zeigen, sondern lediglich einen Stillstand. Dadurch baut sich die überverkaufte Situation ab, und der Weg nach unten wird erneut frei. Wir sehen hier zwei Szenarien als gleich wahrscheinlich an. Entweder setzt sich die Abwärtsbewegung zügig bis in den Bereich der nächsten Unterstützung bei rund 9500 Punkten fort, oder es kommt zu einer kurzfristigen Zwischenerholung, bevor die nächste Abwärtswelle einsetzt. Die nächsten Widerstände liegen bei 10200 Zählern.
Als Stop Loss-Marke unserer bearishen Prognose betrachten wir die Abwärtstrendlinie, die das Februar-Hoch mit dem April-Hoch verbindet und bei etwa 10.500 Punkten verläuft. Sollte sie entgegen unserer Erwartung dynamisch überschritten werden, dann müßte die Kursschwäche seit Anfang des Jahres als Konsolidierung interpretiert und eine Fortsetzung der Hausse erwartet werden.
S&P 500
Auch dieser Index hat nach einer schwachen, wenig dynamischen Rallye erneut den Rückwärtsgang eingelegt und sein März-Tief mittlerweile unterschritten. Die steigende 200-Tage-Durchschnittlinie diente bisher als Unterstützung. Außerdem verläuft auf diesem Niveau eine Fibonacci-Unterstützung, allerdings lediglich die oberste, relativ unbedeutende 23,6%-Marke. Insgesamt verlief die Abwärtsbewegung bisher außerordentlich dynamisch, also unter steigenden Umsätzen an Minustagen und einer sehr breiten Beteiligung. Auch die hohe Zahl von Aktien, die 52-Wochen-Tiefs markiert haben, spricht für eine dauerhafte Trendwende. Das nächste Kursziel liegt bei rund 1000 Punkten, also etwa 10% unter dem aktuellen Niveau. Die in Analogie zum Dow Jones ermittelte Stop Loss-Marke liegt bei 1140.
Nasdaq Composite
Letzten Monat verwiesen wir auf die wohlproportionierte obere Umkehrformation, deren Untergrenze wir bei 1880 bis 1900 Punkten sehen. Der jüngste Kursrückgang kam Mitte Mai genau in dieser Zone zum Stillstand, noch ist die Entscheidung also nicht gefallen. Da einige marktschwere Einzelaktien bereits aus großen Umkehrformationen nach unten ausgebrochen sind, darunter Marktlieblinge wie Intel und Cisco, erwarten wir dasselbe für den Index.
Nikkei
Im Anschluß an das von uns im vergangenen Monat ausführlich geschilderte langfristige Kaufsignal der japanischen Börse kam es zu einem heftigen Kurseinbruch. Dieser führte unter die wichtige Unterstützung bei rund 11.000 Zählern bis in den Bereich der steigenden 200-Tage-Durchschnittlinie. Die von uns genannte Stop Loss-Marke bei 10.350 Punkten wurde bisher nicht verletzt. An der langfristig bullishen Prognose hat dieser Kursrückgang also nichts geändert. Allerdings hat er wieder einmal ein typisches Dilemma der Chartanalyse gezeigt: Nach einem charttechnischen Ausbruch bieten sich zwei Handlungsalternativen an. Entweder man kauft den Ausbruch, oder man wartet auf einen Pullback, einen Kursrückgang in die Nähe der Ausbruchslinie.
Das Problem besteht darin, daß nicht immer Pullbacks kommen. Wer also sicher dabeisein möchte, der kann nicht auf einen Pullback warten, der vielleicht nie kommt. Kommt er hingegen, dann erleidet der schnelle Käufer zunächst einen Kursverlust. Wie so häufig im Leben bietet sich auch in dieser Situation ein Kompromiß an: Kauf des Ausbruches mit der Hälfte der beabsichtigten Position, so daß ein Pullback zum Kauf der anderen Hälfte genutzt werden kann.
© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank