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Prof. Dr. Gunther Schnabl im Interview - Risiko und Wirkung der Finanzkrise

06.05.2015  |  Presse
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philoro: Würde eine Anhebung der Zinsen nicht die Südländer wie Spanien, Italien und Griechenland unter einen enormen finanziellen Druck setzen?

Schnabl: Das ist die Krux an der derzeitigen Entwicklung. Der bereits erwähnte langfristige Zinstrend nach unten hat vielen Staaten den Anreiz gegeben, Verschuldung aufzubauen und Reformen zu vertagen. Sollte die EZB den Zinssatz nun wieder anheben, würden sich die Zinslasten für die öffentlichen Haushalte multiplizieren. Es käme zu erheblichen Turbulenzen auf den Märkten für Staatsanleihen. Die Schuldenstaaten müssten ihre Verschuldung restrukturieren, Ausgaben kürzen und längst fällige Reformen auf den Weg bringen. Mit den Reformen würden verkrustete Strukturen beseitigt und Platz für Neues gemacht.

Die Österreichische Schule der Nationalökonomie, deren prominentester Vertreter Friedrich August von Hayek ist, würde eine solche Kausalkette als notwendigen Reinigungsprozess des Wirtschaftskreislaufes bezeichnen. Kurzfristig müssten wir mit einer Krise fertig werden, langfristig gesehen würde jedoch eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft folgen. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die EZB bei der Nullzinspolitik mit immer neuen Ankäufen von Staatspapieren und anderen Wertpapieren bleibt. Dann werden die strukturellen Verzerrungen zementiert und die Weltwirtschaft würde in eine nicht endende Stagnation gebracht. Wie in Japan ginge der Wohlstand schleichend verloren.


philoro: Sie haben mehrere Jahre in Japan gelebt und die dortige Entwicklung genauestens untersucht. Inwieweit ist das dortige Deflationsdilemma eine Projektion der Zukunft für die Euro-Zone?

Schnabl: Japan und das Euro-Gebiet sind zwei sehr unterschiedliche Wirtschaftsregionen und haben auch unterschiedliche Kulturen. Dennoch gibt es im Hinblick auf die derzeitige Entwicklung zwei wichtige Parallelen. Zunächst gingen beiden Krisen spekulative Übertreibungen auf Aktien- und Immobilienmärkten voraus, die durch "billiges Geld" begünstigt wurden. In Japan bildete sich ab 1985 eine Spekulationsblase, die im Dezember 1989 platzte.

In Europa setzte in vielen Ländern ab 2001/2002 die Spekulation ein. Auch hier wurde sie von billigem Geld der Zentralbank getragen, da die Europäische Zentralbank die Zinsen in Reaktion auf das Platzen der Dotcom-Blase (Jahr 2000) gesenkt hatte. Die Blase in vielen Ländern der Europäischen Union platze 2007/08.

In beiden Fällen wird nach wie vor versucht die Krise, die das Platzen der Blase auslöste, mit neuem billigem Geld zu therapieren. In der Entwicklung gibt es eine Sonderstellung für Deutschland. Die Übertreibungen der Jahre 2001 bis 2008 fanden vor allem in den Peripherie-Ländern der EU statt, weil in Deutschland strenge Sparpolitik verfolgt wurde. Nun ist es umgekehrt. Während die wirtschaftliche Entwicklung an der Peripherie Europas stagniert, entwickeln sich durch das billige Geld der EZB Übertreibungen auf den deutschen Aktien- und Immobilienmärkten. Die großen Einschnitte werden in Deutschland erst kommen, wenn hier die Blase platzt.


philoro: Aktuell wird in den Medien die Angst der Menschen vor einer Krise im Zuge einer Zinserhöhung geschürt. Wenn Sie von Turbulenzen an den Finanzmärkten sprechen, wie würden wir dies im Alltag zu spüren bekommen?

Schnabl: Das ist schwer zu prognostizieren. Eine Kettenreaktion auf den Finanzmärkten wird den Unternehmenssektor und den Arbeitsmarkt nicht unberührt lassen. Eine Krise wäre der Preis, wenn wir dem Zins seine Allokations- und Signalfunktion zurückgeben wollen, um das Wachstum langfristig wieder zu beleben. Es würde auch sichtbar, dass die zukünftige Alterssicherung längst unterhöhlt ist.

Fakt ist, dass wir auf einem hohen Wohlstandsniveau starten würden und die Einschnitte in den großen Industrieländern deshalb für die Menschen einfacher zu verkraften wären als in vielen armen Ländern. Viele Menschen wären dazu gezwungen umzulernen, so wie es die Bürger der osteuropäischen Staaten nach dem Scheitern des planwirtschaftlichen Systems der Sowjetunion taten.

Vor allem der Finanzsektor, aber auch Staatsausgaben müssten grundlegend konsolidiert werden. Europa ist und bleibt jedoch ein Technologie-und Industriestandort mit hohem Bildungsniveau, weshalb ich optimistisch hinsichtlich einer raschen Erholung bin. Als beispielsweise der damalige Fed-Präsident Paul Volcker ab Ende der 70er Jahre den Zins auf bis zu 20% anhob, um die Hochinflationsphase der 1970er Jahre zu beenden, setzte zwar ebenfalls ein schmerzhafter Bereinigungsprozess ein. Die Rezession, die darauf folgte, war aber kurz und gefolgt von einem robusten Wirtschaftsaufschwung.


philoro: Es wird also zu mehr Verteilungskonflikten kommen, da wir nur ein geringes Wachstum haben und der Kuchen, den sich die Masse teilen muss, kleiner ist?

Schnabl: Genau hier liegt der politische Sprengstoff. Da wir mit der schleichenden Verstaatlichung des Finanzsektors in eine langanhalte Krise laufen, in der wir nicht wachsen, vermehren sich gezwungenermaßen die Verteilungskonflikte.
Die Geldpolitik treibt die Vermögenspreise nach oben, wovon insbesondere die sehr hohen Einkommensschichten profitieren, da diese einen Großteil von Aktien und Immobilien (und anderen Vermögenswerten) halten. Die Kosten dieses Prozesses werden in der Krise an den Rest der Bevölkerung weitergegeben.

Weil durch die Rettungsaktionen für Banken die Staatsverschuldung steigt, müssen die Regierungen das Lohnniveau im öffentlichen Sektor drücken und die soziale Sicherung aushöhlen. Auch im privaten Sektor untergräbt die große Krise die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften, so dass die Löhne breiter Bevölkerungsschichten stagnieren. Immer mehr Menschen werden in prekäre Beschäftigungsverhältnisse ohne Alterssicherung gedrängt. Diesen Prozess kann man unter den Begriffen Lohn- und Rentenrepression zusammenfassen. Diese ist neben der finanziellen Repression der wichtigste Kanal, über den die Kosten der Spekulationswellen auf die Bürger übertragen werden.

Auch wenn die meisten Menschen die Zusammenhänge zur Geldpolitik nicht verstehen, bildet sich eine schwelende Unzufriedenheit. Das ist nicht nur in den Peripherie-Ländern der EU so, sondern auch hierzulande spürbar. Beispielsweise in den neuen Bundesländern, wo das Lohn-Niveau nach wie vor deutlich niedriger als in den alten Bundesländern liegt. Die Angst vieler Menschen vor einem Abgleiten aus der Mittelschicht wächst.

Sie äußert sich z.B. in Demonstrationen gegen Einwanderung oder Islam. Der Kern des Problems wird jedoch nicht erkannt und deshalb auch nicht angegangen. Die Politik begnügt sich mit dem Herumdoktern an den Symptomen, etwa mit Finanzmarktregulierung, Mietpreisbremsen, Mindestlöhnen etc. Dadurch wird viel Bürokratie geschaffen, ohne dass das Problem wirklich gelöst wird.


philoro: Welche Rolle könnte Ihrer Meinung nach Gold in einer modernen Wirtschafts- und Finanzwelt spielen?

Schnabl: Gold ist ein wichtiger Rohstoff und ein wichtiges Wertaufbewahrungsmittel. Eine theoretische Möglichkeit, die von der Geldpolitik ausgehenden Exzesse einzudämmen, wäre die erneute Bindung von internationalen Währungen wie dem Dollar und dem Euro an Gold. Davon sind wir aber derzeit insbesondere aus politischer Sicht weit entfernt.


Herr Professor Dr. Schnabl wir danken Ihnen für das Gespräch.

Durch das Interview führten Gero Grützner und Thomas Ströhla


philoro EDELMETALLE GmbH, Deutschland
Website: www.philoro.de



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