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Das Erdbeben an den Börsen - Was steckt dahinter?

26.08.2015  |  Ernst Wolff
- Seite 2 -
Keine Korrektur, sondern erste Anzeichen des kommenden Finanz-Tsunamis

Auslöser für die Beben an den Börsen waren mehrere aufeinander folgende Einbrüche der chinesischen Börse. Deren Kurse hatten in den vergangenen Monaten immer neue Rekordstände erreicht. Deshalb behaupteten viele Kommentatoren, es handle es sich nur eine „notwendige Korrektur“. Das aber ist falsch.

Chinas Wachstum der vergangenen Jahre ist mit einer Explosion des Schattenbankensektors und ebenfalls mit einer Rekordverschuldung einhergegangen. Chinas Problem ähnelt dem der westlichen Länder: Es braucht unbedingt wirtschaftliches Wachstum und Inflation, aber in viel höherem Maße als der Westen. Da die globale Nachfrage derzeit rückläufig ist, hat China einen Wendepunkt erreicht, der von sinkenden Preisen und deflationären Tendenzen gekennzeichnet ist und sich zurzeit auf dem Aktienmarkt niederschlägt.

(Die Verzweiflung der chinesischen Regierung lässt sich daran ablesen, dass sie zunächst selbst mit Milliarden in den Markt eingegriffen und dann sogar den Rentenfonds erlaubt hat, 30 Prozent ihres Geldes in den Aktienmarkt zu investieren. Wie ernst die Situation ist, lässt sich daraus ersehen, dass beide Maßnahmen wirkungslos verpufft sind.)

Die Probleme an den globalen Aktienmärkten sind allerdings nur ein sichtbarer Indikator der viel tiefer liegenden Probleme der Weltwirtschaft. Diese leidet, wie wir gesehen haben, zurzeit an drei schweren Krankheiten: Zum ersten an der Austeritätspolitik, die ein Wachstum durch steigende Nachfrage verhindert.

Zum zweiten daran, dass die Finanzindustrie wegen ihrer Einstufung als "too big to fail" nicht bereit ist, in die Realwirtschaft zu investieren, sondern sich lieber weiter in parasitärer Weise am Casino des Finanzkapitalismus beteiligt. Zum dritten aber leidet sie an einer außer Kontrolle geratenen allgemeinen Verschuldung, die durch kein bekanntes Mittel mehr in den Griff zu bekommen ist.


Wo stehen wir also?

Um den gegenwärtigen globalen Schuldenberg von etwa 200 Billionen US-Dollar abzutragen, müsste die Wirtschaft weltweit einen nie gekannten Aufschwung erleben. Nachfrage und Produktion müssten wie zu Zeiten des Wirtschaftswunders durchstarten, die Preise mit sich reißen und so eine hohe Inflation erzeugen, die die Rückzahlung der Schulden im großen Stil ermöglicht. Da aber durch die Austeritätspolitik keine Nachfrage und durch den Abfluss des frisch gedruckten Geldes in die Finanzspekulation gar kein Wachstum geschaffen werden kann, wird mit Sicherheit das Gegenteil eintreten: Die Schulden werden weiter wachsen.

Die einzige Lösung des Grundproblems bestünde darin, die Austeritätspolitik zu beenden, einen globalen Schuldenschnitt von nie dagewesenem Ausmaß vorzunehmen und die Spekulation an den Finanzmärkten rigoros zu unterbinden. Das aber ist unmöglich:

Der Finanzsektor ist inzwischen zehnmal so groß wie die globale Realwirtschaft und damit unendlich viel mächtiger als die Politik. Die von der Wallstreet und der City of London aus gesteuerte Finanzindustrie ist ohne Probleme in der Lage, jedes Land, das ihr auch nur die kleinsten Hindernisse in den Weg legt, umgehend in die Knie zu zwingen - siehe Griechenland.

Was wir derzeit erleben, ist der Auftakt zu einem überschuldungsgetriebenen Finanz-Tsunami, der sich nicht mehr aufhalten lässt. Einzig und allein global koordinierte Maßnahmen könnten die bevorstehende und unabwendbare Kernschmelze im Kreditsektor verhindern, sind aber auf Grund der Aufsplitterung der Welt in einzelne Staaten mit unterschiedlichen Interessen und der deswegen national beschränkten politischen Strategien ihrer Regierungen derzeit nicht im Bereich des Möglichen.

Wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie die Einwohner Kaliforniens, die seit langem auf das ganz große Erdbeben ("The big one") warten. Niemand kann seinen Eintrittszeitpunkt exakt vorhersagen und es ist gut möglich, dass es noch zu einigen weiteren Vorbeben kommt. Aber der Eintritt des Ereignisses selbst steht außer Frage.


© Ernst Wolff
Journalist und Buchautor ("Weltmacht IWF")


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