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"Viel Krieg um die Rohstoffe" - Interview mit Dr. Karin Kneissl

23.05.2006  |  Dr. Volkmar Riemenschneider
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V.R: Welche anderen Alternativen Energien würden sich dann anbieten? Es wäre ja auch so, dass sich der Zuckerpreis vervielfachen müsste um die USA mit Ethanol zu versorgen und dies letztendlich auch nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. So viele Windräder kann man wahrscheinlich auch nicht bauen und die Solarenergie hätte wiederum Auswirkungen auf die Siliziumpreise. Der schnelle Umstieg erscheint somit eigentlich nicht möglich.

K.K: Wir waren in den 1970ern mit Energieeffizienzmaßnahmen bereits wesentlich weiter. Seit damals hat sich nicht sehr viel getan, weil die Energiepreise einfach im Keller waren. Der nächste Energiepreisschock wird uns ganz eindeutig auf dem falschen Fuß erwischen. Ich würde nicht ausschließen, dass dies dann mit sehr viel kriegerischen Entwicklungen einhergeht, es sei denn, es passiert inzwischen etwas heute noch völlig unvorhersehbares, wie beispielsweise die Nutzbarmachung der Kernfusion. Es könnte morgen die bahnbrechende Erfindung gemacht werden.

Es ist beispielsweise so, dass man in Zukunftsszenarien vom Jahr 1950 über das Jahr 2000 geglaubt hat, dass wir uns im Transportsektor revolutionieren würden und wir uns mit Rucksackmotoren und Hubschraubern fortbewegen würden, aber dafür weiterhin mit festen Telefonen kommunizieren. Wir wissen, es ist umgekehrt eingetreten, wir haben die Telekommunikation revolutioniert aber wir fahren heute noch mit Autos mit demselben Verbrennungsmotor wie ihn Herr Markus vor knapp 100 Jahren erfunden hat. Es ist nach wie vor dasselbe Prinzip, was uns unterscheidet ist das GPS-System.

Man hat auch dies nicht vorhergesehen, mit all seinen Auswirkungen auf die Gesellschaft, beispielsweise Menschenrechte. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass wir auf Grund einer sehr großen naturwissenschaftlichen Erfindung oder vieler kleiner innovativer Schritte uns aus der Abhängigkeit der fossilen Energieträger, wobei hierzu grundsätzlich auch die Atomenergie zählt, befreien.

Falls dies nicht eintritt, dann wird man zu allererst den Lebensstil ändern müssen, wir haben uns die letzten Jahre in einer unglaublichen Mobilität und Energieversorgungssicherheit gewogen. Jeder von uns verbraucht, vor allem auf Grund der vielen Stand-By-Geräte heute viel mehr Energie als noch vor zehn Jahren. Jedes Kinderzimmer ist heute bereits ein Energieverbraucher ersten Grades. Hier wird sich vielleicht einiges ändern. Allein durch Veränderungen des Lebensstils könnten wir bis zu einem drittel einsparen.

Außerdem gehe ich davon aus, dass sich auch in der Energiewirtschaft einiges tun wird, im Sinne von Dezentralisierung. Wir werden uns weg von diesen großen Megakraftwerken, hin zu kleineren dezentraleren Einheiten bewegen, wie es sie heute beispielsweise schon mit der Fernwärme gibt. Das gab es ja bereits einmal, bis hinein in die 1940er Jahre hatte jedes Unternehmen ein kleines Kraftwerk. Das Denken in Großkraftwerken ist eigentlich erst mit dem Prestigedenken und vor allem mit dem Marshalplan gekommen sind.

Der Marshalplan hat Öl als Energiequelle vorgesehen und hat auch zu den Großkraftwerken geführt. Beispielsweise war das riesige Wasserkraftwerk in Kaprun (Österreich) beim Wiederaufbau ganz klar ein Prestigeobjekt. Wir werden kleinere Kraftwerksbauten erleben, das Ganze wird dezentraler werden und dies wird natürlich auch das politische Leben beeinflussen.


V.R: Gehen wir noch einmal zurück zur Geopolitik. Sie haben in Ihrem Vortrag unter anderem auch angesprochen, dass Europa dabei ist, seine Vermittlerrolle im Nahen Osten zu verspielen. Wir sind nun einerseits von Russland sehr abhängig, nun verspielen wir uns die Freundschaft mit dem Nahen Osten. Haben wir letztendlich nicht viel mehr zu verlieren als die USA?

K.K: Wir haben mit Sicherheit viel, viel mehr zu verlieren als die USA, den man darf nie vergessen, dass die USA über gewaltige Erdöl- und Kohlereserven verfügen. Die USA waren bis 1945 der größte Erölproduzent der Welt, sie haben alleine 90% des Energiebedarfs ihrer Alliierten gedeckt. 1947, 1948 sagten sie sich dann: "Better keep your oil for yourself and get cheap Arab oil!" (Besser wir behalten unser Öl für uns und besorgen uns billiges arabisches Öl!)

Man hat also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, man hat einerseits den Nahen Osten als Markt für amerikanische Waffen und Konsumgüter gesehen und dafür billiges Öl eingekauft. Damit sparten sie auch ihr eigenes Öl. In den USA ist seit 2001 wieder mehr die Tendenz vorhanden auf eigenen Energiereserven zurückzugreifen, beispielsweise ist auch der Kohleausbau stark im Kommen.

Europa verfügt im Gegensatz dazu eigentlich nicht über eigene Energiequelle die wir jetzt nutzen könnten. Der Traum von Eurasien, in dem Sinn das rohstoffreiche Asien an Europa anzuschmieden und im Gegenzug Kapital und Technologie in Richtung Asien zu exportieren hat ja bereits De Gaulle geträumt. Das haben sich auch heute Schröder, Putin und Chirac vorgenommen. Gerade auch unter dem Aspekt Irakkrieg gab es diese Achse Paris-Berlin-Moskau. Diese Achse ist ein Szenario, wobei hiervor natürlich die Amerikaner wieder Vorbehalte haben, dass diese rohstoffreiche Region in Zentralasien vollkommen in europäische Hände fällt.

Ich glaube auch nicht, dass dies wirklich eintreten wird, hierzu ist von Europa einfach nicht genug Strategie dahinter - hierfür würde es schon Politiker vom Format eines Churchill, De Gaulles oder Adenauer benötigen. Vorerst wird aber auf jeden Fall China und Indien im zentralasiatischen Raum das Sagen haben, weil sie eben dort vor Ort präsent sind. Wir werden uns also auf jeden Fall sehr viel einfallen lassen müssen um unseren Energiemix neu zu gestalten.

Wir werden auch unsere Siedlungspolitik neu betreiben müssen, also nicht diese riesigen Suburbs wie wir das heute sehen und dann den Supermarkt irgendwo auf die grüne Wiese setzen, wo man dann das Auto zum Einkaufen benötigt. Das ist ein Denken, dass wir uns aus den USA übernommen haben und man wird hier auch wieder im Kern zur Urbanisierung greifen müssen.

Es wird hier sehr, sehr viel zum Umdenken geben. Die Frage ist nur was zuvor passiert. Das Negativszenario wäre natürlich viel Krieg um diese Rohstoffe. Seitdem die Menschheit existiert gingen Kriege um Rohstoffe. Die Kriege der Menschheit sind immer um Ressourcen oder im Namen der Religion erfolgt, eines der beiden und im Moment befinden wir uns inmitten von beidem. Wenn wir es schaffen den Energiemix neu zu gestalten, dann könnten wir vielleicht beide Probleme zusammen lösen.


V.R: Vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben.


Das Interview wurde am Rande des Rohstoff- und Goldkongress am 13. Mai 2006 in München geführt.



Anmerkung: Das Buch von Frau Dr. Karin Kneissl "Der Energiepoker - Wie Erdöl und Erdgas die Weltwirtschaft beeinflussen", welches in jeder gut sortierten Buchhandlung oder in unserem Buchshop erhältlich ist. » zum Buchshop: "Der Energiepoker"



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