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Die Zinserhöhung der Fed - Janet Yellens Märchenstunde

19.12.2015  |  Ernst Wolff
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Allerdings haben sie durch ihr Spiel am internationalen Finanzcasino auch die Risiken um ein Vielfaches erhöht. Außerdem basiert ihr Geschäftsmodell inzwischen auf der ständigen und ununterbrochenen Zufuhr von billigem Geld durch die Zentralbanken, hat sich dadurch weitgehend verselbständigt und durch ihrer schieres Ausmaß (der Finanzsektor ist heute um ein Vielfaches größer als die Realwirtschaft) jeglicher Kontrolle entzogen.


Die Fahrt führt direkt in den Abgrund

Mittlerweile gleicht die Finanzwirtschaft einem Wagen mit Luftkühlung, dessen Fahrer immer schneller fahren muss, um den Motor von außen abzukühlen. Da er ihn dadurch aber gleichzeitig immer weiter aufheizt, ist klar, dass der Motor am Ende wegen Überhitzung auseinander fliegen muss.

Sowohl die Politiker als auch die Spitzen der Finanzindustrie wissen, dass ein Ende mit Schrecken vorprogrammiert ist. Sieben Jahre Nullzinspolitik haben sie allerdings in einen Rauschzustand versetzt, der sie glauben lässt, ein völlig außer Kontrolle geratenes System zumindest mittelfristig beherrschen zu können - selbst in einer Zeit, in der alle Daten darauf hinweisen, dass die Weltwirtschaft in immer schwereres Fahrwasser gerät:

Chinas Schwäche, der fallende Ölpreis, Einbrüche an den Anleihemärkten, die Überhitzung der Aktien- und Immobilienmärkte, zahlreiche ums Überleben kämpfende Schwellenländer - all diese Faktoren zeigen, dass wir uns weltweit in einer Phase des Abschwungs befinden. Aber nicht nur das: Da die Summe der Kredite von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten weltweit inzwischen auf über 200 Billionen Dollar angewachsen ist und ständig nach Zinszahlungen verlangt, schreit das System gleichzeitig nach unentwegtem Wachstum, da jede Stagnation und jede Rezession die Schuldenlast in Relation zum Einkommen weiter explodieren lässt.

Die Entscheidung der Federal Reserve, den Leitzins zu erhöhen und auf die wirtschaftliche Bremse zu treten, wirkt angesichts dieser Entwicklung fast wie ein schlechter Scherz. Dass sie trotzdem getroffen wurde, hat vor allem einen Grund: Die Menschen sollen in einer Zeit, in der ihnen die dramatischsten wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen aller Zeiten bevorstehen, in Sicherheit gewogen werden. Kein Wunder also, dass fast alle Medien den Menschen einhellig suggerieren, mit der Zinserhöhung durch die Fed sei nun endlich "ein Schlussstrich unter die Krise von 2007 / 2008 gezogen worden".


Der Zeitpunkt war gezielt gewählt

Dass die Fed ihre Entscheidung so kurz vor Weihnachten bekannt gegeben hat, war wohlüberlegt: Zum Jahresende werden die Aktienkurse von den Führungsetagen der Konzerne und der Finanzinstitute ohnehin in die Höhe getrieben, da die Boni der Manager vom Jahresendergebnis abhängen.

Zum anderen war die "Erhöhung" bei näherem Hinsehen auch nur halb so hoch wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt wird, denn der Zinssatz, zu dem die Fed den Banken in Zukunft Geld leiht, wird de facto nur um 12 Basispunkte (0,12%) steigen. Das wiederum ist für die großen Player am Markt durchaus verkraftbar und gibt ihnen sogar die Chance gegen, sich einige kleinere Player, die von der Maßnahme härter getroffen werden, einzuverleiben.

Die Hauptlast der Zinserhöhung werden im übrigen die Schwellenländer tragen, von denen viele ohnehin wegen der Ölpreisentwicklung, des Rückgangs der Rohstoffpreise, der Abwertung ihrer Währungen und der weltweit nachlassenden Nachfrage bis zum Hals in Schwierigkeiten stecken.

Egal, wie die Aktienmärkte sich in den kommenden Tagen entwickeln - die Tatsache, dass sie auf Janet Yellens Ankündigung euphorisch reagiert haben, zeigt einmal mehr, dass das globale Finanzsystem mit der Realität der Weltwirtschaft nichts mehr zu tun hat, sondern bis in die letzte Aktie und die letzte Anleihe hinein manipuliert ist und die Welt von einem "freien Markt" noch nie weiter entfernt war als heute.


© Ernst Wolff
Journalist und Buchautor ("Weltmacht IWF")



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