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Zeitreise der Werte, Raritäten und Rekorde

01.06.2006  |  Hans Jörg Müllenmeister
Ein fiktiver kosmischer Kalender verdichtet den Zeitraum vom Urknall bis in unsere Gegenwart auf ein Jahr - für uns spannend und ernüchternd zugleich. Mit dem Urknall gibt das Universum am 1. Januar sein Debüt. In den ersten Maitagen entsteht die Milchstraße, am 14. September die Erde. Der 15. November ist die Geburtsstunde der ersten Zellen, der 28. Dezember wird zum Todestag der Dinos. Erst am 30. Dezember tauchen die Hominiden auf. Heute ist immer noch der "30. Dezember". Wir sorgen uns um unsere Zukunft und trachten danach, Werte und Wohlstand zu schaffen, und das mit unserer bescheidenen "Lebensrestlaufzeit". Im kosmischen Zeitraffer sind das bloß Atto-Sekunden. Seit Anbeginn der Menschheit kamen und vergingen etwa 65 Mrd. Menschen. Mit ihrem Ableben gingen sie ein in die 1,85 Billionen Tonnen Biomasse der Erde, wurden als elementare Bestandteile in andere Leberwesen wieder eingebaut und neu zusammengesetzt. Ungewiß ist, wo "wir" uns später atomar wiederfinden: in der elefantenschweren Zunge eines Blauwals, im Giftcocktail eines Taipans oder im 0,0003 mg schweren Samen einer Orchidee.


Der erste bekannt gewordene Zocker-Wert der Börsengeschichte "verblühte" über Nacht

Der lebendige Mensch als "homo speculans" vollbrachte allzeit riskante Taten - sie gehören zu seinem Leben. 1531 entstand die erste internationale Börse in Antwerpen/Belgien. Der Begriff Börse wird erstmals in Brügge erwähnt, er geht auf die dort ansässige Patrizier-Familie van der Beurse zurück. Im 17.ten Jh. gab es ein Spekulationsobjekt, das sich ins Groteske steigern sollte. Man schrieb das Jahr 1638: Rubens bannte feistärschige Gestalten auf die Leinwand, Otto von Guerike erfand die Luftpumpe. Aber auch törichte Taten der Menschen gab es. Der Dreißigjährige Krieg führte zu einem Dauer-Crash durch Inflation (Münzverschlechterung). In jener Zeit gelangten die ersten Zwiebel einer exotischen Pflanze (Tülbent gleich Turban) aus der Türkei nach Holland. Handelsplätze für Tulpenzwiebel-Zockerpapiere schossen schneller aus dem Boden als es das spekulative Gewächs selbst vermochte. Ganz Holland lag im Rausch der Tulpenzwiebel. Gierig überboten die Spekulanten jeden Preis. Am Ende der "Tulpomanie" bekam man für eine einzige Zwiebel den Gegenwert von zwölf Morgen Bauland. Der Raffgier folgte die Verkaufspanik. Viele Spekulanten verloren ihr gesamtes Vermögen.


Tantona - tiefste Schürfwunde im Leib der Erde

Stets ist der Mensch bestrebt der Natur nachzueifern, um daraus Profit zu schlagen. Natürlicher Rekordmeister der Tiefengrabung ist ein wilder Feigenbaum in Echo Caves/SA. Sein Wurzelwerk grub sich 120 m tief ins Erdreich. Dagegen reicht das tiefste Untertage-Goldbergwerk in Tantona/SA bis in 3,7 km Tiefe. Von hier stammt 50% allen untertags geförderten Goldes der Erde. Der Hauptschacht führt ins Innere des gigantischen Ameisenhügels. Mit rasanter Geschwindigkeit bringt der Förderkorb jeweils 40 der insgesamt 5.000 Bergleute in das 800 km ausgedehnte Tunnel-Labyrinth. Trotz der hohen Fördergeschwindigkeit dauert es zwei Stunden, ehe die Bergleute vor Ort sind und ihrer gefährlichen Arbeit nachgehen, besser gesagt nachkriechen.

Die größte Gefahr neben tödlichen Methangas-Explosionen sind Erdbeben: täglich gibt es an die zehn seismische Aktivitäten. Unglaublich, eingedrungene Ratten sind gern gesehene Untertagegäste, denn durch ihr Verhalten warnen sie vorzeitig vor seismischer Erdbewegung. In der untersten Sohle herrscht ein Erddruck von 9.700 t auf ein Quadratmeter, dem Gewicht von 2.425 Elefanten. Hochgefährlich wären unkontrollierte Einbrüche aus heißen Wasserreservoirs, die dann mit hohem Druck mit mehreren hunderttausend Litern pro Sekunde aus dem Gestein herausschössen.

Man fragt sich: Wozu überhaupt diese tiefste Erdschürfung, wozu dieser titanische Aufwand für 1,6 t Gold pro Tag, das man aus Megatonnen von Goldgestein in einem langen Prozeß gewinnt. Grund dafür ist die Verfolgungsjagd nach goldhaltigen Adern von nur 25 cm Stärke, die in einem steilen Winkel immer tiefer in den Leib der Erde führen. Es bleibt abzuwarten wie tief die Bergbauingenieur-Kunst noch technisch vordringen kann, in jene Mine, der man eine Lebensdauer bis ins Jahr 2013 prophezeite. Bedenken Sie: für einen goldenen Ehering benötigt man 1 Tonne Golderz.

Der tiefste vorangetriebene Tagebau "das große Loch", ein ehemaliger Vulkanschlot, liegt in Kimberley/SA. Aus dieser 1.200 m tiefen, inzwischen stillgelegten Grube, wurden insgesamt mehr als 14,5 Mio. Karat (2,9 Tonnen) Diamanten gewonnen.


Glücksritter und Pechvögel

Seltenes Glück hatte Randy Farland, der 1975 bei den Sioux-Fällen in Dakota ein 14-blättriges Kleeblatt (Trifolium repens) fand. Monetär betrachtet, ist dieser Fund ein Nichts gegenüber dem Riesenglück, das Jakobus Jonker 1934 widerfuhr. Als er am Fluß, der seine Farm in Pretoria/SA durchzog, spazierenging, wurde ihm ein makelloser Rohdiamant von 726 ct vor die Füße geschwemmt. Er verkaufte den "Kiesel" für 315.000 US$ an die Diamond Producter Association. Später wurde der Jonker in 12 kleinere Steine zerteilt. Den größten geschliffenen Stein mit 125,65 ct erwarb König Faruk. Zuletzt tauchte die Kostbarkeit 1974 in Hongkong auf, wo der Jonker für 4 Mio. US$ an einen unbekannten Geschäftsmann verkauft wurde. Anmerkung: Allein durch den Schliff kann ein Rohdiamant seinen Wert verzehnfachen.

Die Geschichte des 50karätigen Maximilian beginnt 1850 in Brasilien als grünlichgelber, kissenförmig geschliffene Diamant. Nehmen wir den Geschichtsfaden erst wieder 1946 auf, als der New Yorker Juwelier Phelps das Prachtstück an den waghalsigen Spekulanten Morris S. Nelkin für Abermillionen Dollar verkaufte. 1961, in finanzielle Bedrängnis geraten, sollte sein Diamant gepfändet werden. Um der Pfändung seines Millionenklunkers zu entgehen, versteckte ihn Nelkin in einem Abfalleimer bevor er inhaftiert wurde. Der wertvolle Abfall landete auf einer der Müllhalden von New York. Jede Anstrengung, den Maximilian doch noch heraus zu fischen, blieb erfolglos.


Schnäppchen, schwarzes Gold und Inflationsgeld

Thomas Jefferson, der 3. amerikanische Präsident, verdoppelte schlagartig das Territorium der USA, indem er 1803 für 15 Mio. US$ von Frankreich das Gebiet des heutigen hurrikanverwüsteten Louisiana abtrotzte. Das erste immense Privatvermögen der Neuzeit verdiente der Petroliumkönig John D. Rockefeller am "zähflüssigen Schwarzgeld" - nach heutigen Maßstäben etwa 60 Mrd. Dollar, ehe der riesige Konzern 1911 zerschlagen wurde. In den "Goldenen Zwanzigern" brauchte man die bunten Papierfetzen "Geld" schubkarrenweise, um dafür das Notwendigste zum Leben zu ergattern: mehr als den doppelten Wochenverdienst mußte im Oktober 1923 ein Angestellter für eine Schuhreparatur berappen, nämlich 2,39 Mrd. Mark. Die schlimmste Inflation der Welt erlebte allerdings 1943 Ungarn, als der Gold-Pengö von 1931 mit 130 Trillionen Papier-Pengö - die Zahl 130 mit 18 Nullen - bewertet wurde. Ja, in Inflationszeiten lernt man das Rechnen mit großen Zahlen.


Erst entsteht ein Schuldengebirge, dann droht Inflation

Die derzeitige Gesamtverschuldung von über 1.500 Milliarden entspricht 67% unseres Bruttoinlandsproduktes. Damit Sie sich einen Begriff machen von der Ungeheuerlichkeit der Schulden, stellen wir diese mit 500-Euro-Scheinen dar. Die einzelne Note wiegt 1,182 Gramm und hat eine Papierstärke von 0,12 mm. Gedanklich übereinander gestapelt, entstünde eine 354 km hohe Papiersäule, die 40x höher wäre als der Mount Everest; ihr Gewicht von 3.487 Tonnen entspräche etwa dem "ausgelagerten" deutschen Staatsgoldes von 3.439 Tonnen. Riesige Goldschätze, größte Goldmünze, kleinster Brillant

Absurd, denn mit gewaltigem Aufwand wird erst einmal das Gold dem tiefen Erdleib abgerungen, um später wieder unter die Erde zu kommen. In Fort Knox, im Bundesstaat Kentucky, lagert Barren auf Barren gestapelt, das US-Währungsgold von 8.125 Tonnen. Gemessen an dem gelösten Gold der Weltmeere (40 mg/cm3) von 10 Mrd. Tonnen, sind das wahre Peanuts. In einem stahlgepanzerten Saal von 15,25 m x 30,5 m der Federal Reserve schlummert in New York, 30 m unter der Erde, das Gold von 70 Nationen, auch über 70% unseres "Deutschen Staatsgoldes", dies hinter einer 89-Tonnen-Panzertüre.

Frage: Ist NY sicherer als Frankfurt? In Ausgabe 11/2004 von Sicheres Geld berichtete ich ausführlich über die Münze Österreich, die am 6. Oktober 2004 den Riesen-Philhamoniker der Weltöffentlichkeit vorstellte. Von diesem Kurant (Gewicht 1.000 Unzen oder 31,1 kg, Durchmesser 37 cm, Stärke 2 cm) kamen nur insgesamt 15 Exemplare mit einem Nominalwert von 100.000 Euro in Umlauf. 410 Güterwaggons wären nötig, um das Golderz für diese 1000-Unzen-Münze zu befördern; ein damit beladener Güterzug hätte die unglaubliche Länge von 5 km. Sie gleichen eher einem verbogenen Goldnugget, die als Stater bekannten Goldklumpen. Das waren die Kultsymbole der Kelten. Dieses kunstbeflissene Volk schöpfte das Gold aus Isar und Donau und goß es in Schüsselform, deswegen Keltenschüssel genannt. Im Allgäu stieß man seinerzeit auf ein ganzes Konglomerat von Statern und Goldmünzen.

Die Blaue Mauritius aber unter den Münzen ist das legendäre 20-Dollar-Stück von 1933. Eine einzige "geschmuggelte" Münze ist von den ursprünglichen übrig geblieben und gelangte in Besitz des Scheichs von Katar. Das Unikat wurde für 7 Mio. US$ versteigert. Bei einem Feingewicht der Münze von 30 Gramm erbrachte damit die Auktion das 22.000-fache ihres Goldwertes. Kuriosa sind auch jene Münzen aus Südindien, die um 1800 in Umlauf waren. Diese sog. Stecknadelkopf-Münzen wogen nur 0,06 g. Dagegen war die kleinste deutsche Münze, der 1/32stel-Golddukaten um 1700 in Nürnberg, ein Schwergewicht von 0,1 g mit einem Durchmesser von 5 mm.

Die kleinsten geschliffenen Diamanten messen weniger als 0,5 mm im Rondist-Durchmesser. Erstmals stellte die Firma Christi in Paris 1979 einen 0,001-karätigen Brillanten mit 57 Facetten vor. Das ist übrigens ein Gewicht von kaum wägbaren 0,0002 Gramm. Tatsächlich ergeben Tausend dieser Brillanten erst ein Karat. So eine präzise Mikroschleifkunst ist schwerlich 1000fach zu wiederholen.


Hinter wertloser Hülle verbarg sich ein Millionenschatz

Durch Zufall entdeckte man erst 1953 den vermutlich schwersten Kultgegenstand mit 5,5 Tonnen aus massivem Gold in Bangkok im Wat Trimitr. Die Buddha-Statue entzog sich durch eine dicke Stuckschicht jahrhundertelang dem beutegierigen Zugriff. Gelegentlich verhüllt auch die Natur ihre Millionenschätze. 1927 fand man in Südafrika ein 33-karätiges, schwarzes Mineral. Ein gewisser Houtakker bot dafür 160 US$, und Sir Ernest Oppenheimer, der Gründer des "Diamond Syndicate", erkannte darin einen Rohdiamanten. Die "härteste Mimikry" aller Zeiten kam nach Amsterdam zum Schleifen. Nach dem Aufsägen gab es eine Riesenüberraschung. Das Innere des schwarzen Diamanten barg einen lupenreinen, blutroten Diamanten. Unglaublich: Bereits ein Einkaräter komprimiert eine Million Dollar auf Kirschkerngröße.


Ein Spekulationsobjekt in spe und eine teure Investmentberatung

Hinsichtlich der Seltenheit in der Erdrinde, bildet das silberweiße radioaktive Schwermetall Protactinium die einsame Spitze, denn es kommt 10.000 mal seltener vor als Platin. Bereits in Spuren ist es sündhaft teuer; außerdem hat es den kleinen "Nachteil", daß es nach 32.500 Jahren zur Hälfte zerfallen ist. Beständiger ist da schon Rhodium, das seltenste Edelmetall der Platingruppe.

Weitgehend unbekannt ist, daß Rhodium in geringen Mengen auch in Abgaskatalysatoren eingesetzt wird. Gemessen an der jährlichen Produktionsmenge an Gold und Silber (Au 2.500 t; Ag 20.000 t), fördert man pro Jahr höchstens 3 bis 4 Tonnen Rhodium. Wegen seines winzigen Marktes war dieser gewichtige "Edelmetall-Gnom" in den 80er Jahren (Jan. 1983: 266 US$/Unze) schon einmal ein heißes Spekulationsobjekt. Vor allem in der Rüstungsindustrie ist Rhodium als korrosionsfester Oberflächenveredler ein wichtiger strategischer Werkstoff, der im Preis weit über dem des Goldes liegt. Noch im Dezember 2003 kostete Rhodium 475 US$/Unze. Am 15.5.2006 lag der Preis bei 5.500 US$/Unze; das entspricht dem 11,6 fachen. Bezogen auf die Feinunze Gold ist das der 8fache Wert. Mit Abstand ist das die größte Steigerungsrate aller Industrie- und Edelmetalle überhaupt. Die wenigen Rhodium-Produzenten schützen den Markt vor privatem Zugriff mit hohem Spread zwischen An- und Verkaufspreis und auch dadurch, daß Rhodium nur als Pulver in Faschen in den Handel kommt und privat nicht physisch zu erwerben ist. Rhodium-Pulver der einzige mir bekannte Staub, den man wegen seiner hohen Dichte (24x schwerer als Wasser) nicht wegpusten kann. Ganz locker könnte ein Bill Gates sämtliches Rhodium der Welt aus seiner Portokasse zahlen und damit den Preis durch totales Austrocknen des Marktes in galaktische Höhen treiben, aber er mag wohl nicht. Was für ein altruistischer Mensch!

Weniger altruistisch ist der Investmentrat eines anderen Amerikaners; es ist Harry Schultz, die "Goldlegende", den ich in Zürich kennen lernte und der z. Zt. in Monaco lebt. Für eine einstündige Beratung nimmt er 10.000 US$, an Wochenenden steigt sein Beraterpreis auf 12.000 US$. Da bewahrheitet es sich: Guter Rat ist eben teuer!


© Hans Jörg Müllenmeister



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