Amerikanischer Hedgefonds setzt auf "finanzielle Massenvernichtungswaffen"
21.03.2016 | Ernst Wolff
Wie die Website "Business Insider" vergangene Woche meldete, hat der Hedgefonds Perry Capital im Februar Kreditausfallversicherungen auf Unternehmensanleihen im Wert von insgesamt $ 1 Mrd. erworben. Der Fonds geht also davon aus, dass die betroffenen Unternehmen trotz ihrer derzeit soliden Bewertung durch Rating-Agenturen in absehbarer Zeit in Zahlungsschwierigkeiten geraten werden.
Wenn Perry Capital auf eine derartige Entwicklung setzt, sollte man aufhorchen: Ex-Goldman-Sachs-Manager Richard Perry, der den Fonds führt, gehört zu den wenigen Wallstreet-Bankern, die bereits Ende 2006 auf den Absturz des US-Häusermarktes gewettet haben. Er lag damit genau richtig und strich auf diese Weise allein im Jahr 2007 einen Gewinn von mehr als einer Milliarde US-Dollar ein. (Siehe auch der Film "The Big Short", in dem diese Wetten thematisiert werden.)
Dass Perry jetzt erneut handelt, erhellt zwei vollkommen unterschiedliche Sachverhalte: Zum einen, dass Insider aus der Finanzbranche die gegenwärtige Marktlage im Gegensatz zu Politik und Medien als überaus instabil einschätzen. Zum anderen, dass es trotz aller Beteuerungen seitens der Politik sieben Jahre nach der Krise von 2008 immer noch möglich ist, vom Niedergang einzelner Unternehmen zu profitieren und auf diese Weise zur Destabilisierung des globalen Finanzgefüges beizutragen. Hierzu einige Erläuterungen:
Wie funktionieren Kreditausfallversicherungen?
Kreditausfallversicherungen (englisch: credit default swaps) zählen zu den Derivaten. Hierbei handelt es sich um Finanzprodukte, die von der Realwirtschaft abgekoppelt sind, keinerlei wirtschaftlichen Nutzen haben und ausschließlich der Spekulation dienen. Kreditausfallversicherungen in ihrer gegenwärtigen Form wurden 1994 von der JP-Morgan-Bankerin Blythe Masters erfunden und haben sich seitdem weltweit explosionsartig verbreitet.
Ihr Prinzip lässt sich am Beispiel von Unternehmensanleihen erklären: Stellt ein Investor einem Unternehmen Kapital in Form einer Anleihe zur Verfügung, so erhält er von ihm im Gegenzug die Zusage, das geliehene Geld plus Zinsen zu einem vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Zur Absicherung der Anleihe gegen einen möglichen Zahlungsausfall des Unternehmens kann der Investor zusätzlich bei einem Finanzinstitut eine Kreditausfallversicherung abschließen.
Das Institut versichert ihm dann gegen Zahlung einer Summe, die in der Regel von der Bewertung des Unternehmens durch Rating-Agenturen abhängt, im Fall eines Zahlungsausfalls für das Unternehmen einzuspringen. Die Folge ist, dass der Investor sich zurücklehnen und ruhig schlafen kann.
An sich wäre an dieser Vereinbarung auf Gegenseitigkeit nichts auszusetzen, bestünde nicht zusätzlich folgende Möglichkeit: Auch solche Marktteilnehmer, die nicht an einem Deal beteiligt sind, können Kreditausfallversicherungen abschließen.
D.h.: Jeder, der über genug Geld verfügt, kann zu einem Finanzinstitut gehen und nicht nur auf Unternehmensanleihen, sondern auch auf diverse andere „Marktereignisse“ wie zum Beispiel Zinsschwankungen, Wechselkursänderungen oder Staatspleiten Kreditausfallversicherungen abschließen. Ihr Preis hängt davon ab, wie die Rating-Agenturen die "Bonität“ des jeweiligen Versicherten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einschätzen.
Kommt es nun zu einer Krise und wird die Bonität eines betroffenen Unternehmens oder Staats tatsächlich herabgestuft, schlägt die Stunde von Hedgefonds wie Perry Capital: Sie können jetzt die in ruhigen Zeiten zu einem niedrigen Preis erworbenen Kreditausfallversicherungen gewinnbringend auf den Markt werfen.
Noch lohnender ist das Geschäft, wenn ein Unternehmen oder ein Staat tatsächlich zahlungsunfähig wird. Dann muss das Finanzinstitut, bei dem die Kreditausfallversicherung abgeschlossen wurde, den vollen Betrag auszahlen - in den meisten Fällen ein Vielfaches der Versicherungsprämie.
Aber nicht nur aus der Sicht der Investoren, sondern auch aus der Sicht der Finanzinstitute haben Kreditausfallversicherungen etwas Verführerisches an sich: So lange die Weltwirtschaft trotz aller Turbulenzen einigermaßen rund läuft und keine oder nur geringe Ausfallzahlungen fällig werden, sind sie eine schier unerschöpfliche Einnahmequelle. Deshalb beteiligen sich seit zwei Jahrzehnten alle großen Marktteilnehmer an diesem höchst lukrativen Geschäft.
Weltweit führend sind der Marktführer Deutsche Bank (Derivatvolumen 2015: $ 75 Billionen), JPMorgan, Goldman Sachs und die Schweizer Großbank Crédit Suisse.
"Too big to fail" hat die Risiken exponentiell erhöht
Was aber geschieht, wenn es zu einer ernsthaften Krise oder einem Crash kommt? Die Antwort gibt die Geschichte, denn dieser Fall ist bereits zweimal eingetreten:
1998 geriet der Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) im Gefolge der russischen Währungskrise in Zahlungsschwierigkeiten. Bei einem Verlust von ca. $ 2 Mrd. wurden plötzlich Kreditausfallversicherungen im Werte von über $ 1 Billion fällig. Damals schlossen sich die größten Banken der Wallstreet unter der Führung der Federal Reserve of New York zusammen und retteten den Fonds, indem sie ihn für die fehlenden $ 2 Mrd. übernahmen.
Wenn Perry Capital auf eine derartige Entwicklung setzt, sollte man aufhorchen: Ex-Goldman-Sachs-Manager Richard Perry, der den Fonds führt, gehört zu den wenigen Wallstreet-Bankern, die bereits Ende 2006 auf den Absturz des US-Häusermarktes gewettet haben. Er lag damit genau richtig und strich auf diese Weise allein im Jahr 2007 einen Gewinn von mehr als einer Milliarde US-Dollar ein. (Siehe auch der Film "The Big Short", in dem diese Wetten thematisiert werden.)
Dass Perry jetzt erneut handelt, erhellt zwei vollkommen unterschiedliche Sachverhalte: Zum einen, dass Insider aus der Finanzbranche die gegenwärtige Marktlage im Gegensatz zu Politik und Medien als überaus instabil einschätzen. Zum anderen, dass es trotz aller Beteuerungen seitens der Politik sieben Jahre nach der Krise von 2008 immer noch möglich ist, vom Niedergang einzelner Unternehmen zu profitieren und auf diese Weise zur Destabilisierung des globalen Finanzgefüges beizutragen. Hierzu einige Erläuterungen:
Wie funktionieren Kreditausfallversicherungen?
Kreditausfallversicherungen (englisch: credit default swaps) zählen zu den Derivaten. Hierbei handelt es sich um Finanzprodukte, die von der Realwirtschaft abgekoppelt sind, keinerlei wirtschaftlichen Nutzen haben und ausschließlich der Spekulation dienen. Kreditausfallversicherungen in ihrer gegenwärtigen Form wurden 1994 von der JP-Morgan-Bankerin Blythe Masters erfunden und haben sich seitdem weltweit explosionsartig verbreitet.
Ihr Prinzip lässt sich am Beispiel von Unternehmensanleihen erklären: Stellt ein Investor einem Unternehmen Kapital in Form einer Anleihe zur Verfügung, so erhält er von ihm im Gegenzug die Zusage, das geliehene Geld plus Zinsen zu einem vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Zur Absicherung der Anleihe gegen einen möglichen Zahlungsausfall des Unternehmens kann der Investor zusätzlich bei einem Finanzinstitut eine Kreditausfallversicherung abschließen.
Das Institut versichert ihm dann gegen Zahlung einer Summe, die in der Regel von der Bewertung des Unternehmens durch Rating-Agenturen abhängt, im Fall eines Zahlungsausfalls für das Unternehmen einzuspringen. Die Folge ist, dass der Investor sich zurücklehnen und ruhig schlafen kann.
An sich wäre an dieser Vereinbarung auf Gegenseitigkeit nichts auszusetzen, bestünde nicht zusätzlich folgende Möglichkeit: Auch solche Marktteilnehmer, die nicht an einem Deal beteiligt sind, können Kreditausfallversicherungen abschließen.
D.h.: Jeder, der über genug Geld verfügt, kann zu einem Finanzinstitut gehen und nicht nur auf Unternehmensanleihen, sondern auch auf diverse andere „Marktereignisse“ wie zum Beispiel Zinsschwankungen, Wechselkursänderungen oder Staatspleiten Kreditausfallversicherungen abschließen. Ihr Preis hängt davon ab, wie die Rating-Agenturen die "Bonität“ des jeweiligen Versicherten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einschätzen.
Kommt es nun zu einer Krise und wird die Bonität eines betroffenen Unternehmens oder Staats tatsächlich herabgestuft, schlägt die Stunde von Hedgefonds wie Perry Capital: Sie können jetzt die in ruhigen Zeiten zu einem niedrigen Preis erworbenen Kreditausfallversicherungen gewinnbringend auf den Markt werfen.
Noch lohnender ist das Geschäft, wenn ein Unternehmen oder ein Staat tatsächlich zahlungsunfähig wird. Dann muss das Finanzinstitut, bei dem die Kreditausfallversicherung abgeschlossen wurde, den vollen Betrag auszahlen - in den meisten Fällen ein Vielfaches der Versicherungsprämie.
Aber nicht nur aus der Sicht der Investoren, sondern auch aus der Sicht der Finanzinstitute haben Kreditausfallversicherungen etwas Verführerisches an sich: So lange die Weltwirtschaft trotz aller Turbulenzen einigermaßen rund läuft und keine oder nur geringe Ausfallzahlungen fällig werden, sind sie eine schier unerschöpfliche Einnahmequelle. Deshalb beteiligen sich seit zwei Jahrzehnten alle großen Marktteilnehmer an diesem höchst lukrativen Geschäft.
Weltweit führend sind der Marktführer Deutsche Bank (Derivatvolumen 2015: $ 75 Billionen), JPMorgan, Goldman Sachs und die Schweizer Großbank Crédit Suisse.
"Too big to fail" hat die Risiken exponentiell erhöht
Was aber geschieht, wenn es zu einer ernsthaften Krise oder einem Crash kommt? Die Antwort gibt die Geschichte, denn dieser Fall ist bereits zweimal eingetreten:
1998 geriet der Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) im Gefolge der russischen Währungskrise in Zahlungsschwierigkeiten. Bei einem Verlust von ca. $ 2 Mrd. wurden plötzlich Kreditausfallversicherungen im Werte von über $ 1 Billion fällig. Damals schlossen sich die größten Banken der Wallstreet unter der Führung der Federal Reserve of New York zusammen und retteten den Fonds, indem sie ihn für die fehlenden $ 2 Mrd. übernahmen.